Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff

"Man hinterfragt auch"

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, gestikuliert.
"Wir haben knapp ein Drittel mehr Stellen bekommen", sagt Andrea Voßhoff. © Hannibal Hanschke, dpa picture-alliance
Andrea Voßhoff im Gespräch mit Dieter Kassel · 05.01.2016
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff weist Kritik an ihrer Arbeit zurück und sieht ihre Behörde sogar gestärkt. Besonders begrüßt sie den Personalzuwachs von insgesamt 25 Stellen.
Andrea Voßhoff (CDU), Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht durch die Umgestaltung ihrer Behörde zur obersten Bundesbehörde den Datenschutz in Deutschland gestärkt. Voßhoff sagte im Deutschlandradio Kultur, die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sei jetzt vergleichbar dem Bundesrechnungshof "eine unabhängige Kontrollinstanz".
Sie begrüßte auch den Personalzuwachs von etwa einem Drittel, den ihre Behörde durch das neue Gesetz erfahren habe. Konkret gehe es um 25 neue Stellen. "Und das heißt im Ergebnis eine effektive Kontrolle."
Europäische Datenschutz-Grundverordnung ab 2018
Zu einer starken Datenschutzaufsicht gehöre auch die Möglichkeit, bei Verstößen Sanktionen zu verhängen, so Voßhoff weiter. Sie räumte ein, dass das im Moment noch nicht der Fall sei. So könne die Bundesbeauftragte lediglich eine formelle Beanstandung aussprechen. "Das hat eine Wirkung, aber natürlich nicht so eine durchschlagende, als wenn Sie auch mit entsprechenden Verfügungen, Untersagungsverfügungen, Anordnungen oder auch Bußgeldern dem Nachdruck verleihen können."
Dies werde sich aber ab 2018 ändern, wenn die europäische Datenschutz-Grundverordnung in Kraft tritt, sagte Voßhoff. "Da wird der nationale Gesetzgeber auch entsprechend sich bewegen müssen."

Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Sprachlich ist das alles nicht viel einfacher geworden, denn hinter dem Begriff Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verbarg sich auch bisher schon nicht nur die eine Frau, die diesen Titel trägt, sondern eine Einrichtung mit vielen Mitarbeitern. Seit gestern aber ist das der Name einer neuen obersten Bundesbehörde mit übrigens auch noch ein paar Mitarbeitern mehr. Das bedeutet einige Veränderungen, aber eines hat sich nicht geändert. Die Bundesbeauftragte ist immer noch die CDU-Politikerin Andrea Voßhoff. Schönen guten Morgen, Frau Voßhoff!
Andrea Voßhoff: Guten Morgen, Herr Kassel!
"Datenschutz ist Grundrechtsschutz"
Kassel: Intern ändert sich jetzt gerade für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine ganze Menge. Aber was ändert sich damit für die Bürgerinnen und Bürger?
Voßhoff: Mit der jetzt unabhängigen Behörde haben wir einen Status erreicht, der vergleichbar ist zum Beispiel mit dem Bundesrechnungshof, also eine unabhängige Kontrollinstanz. Da ändert sich natürlich direkt und unmittelbar für den Bürger zunächst nichts, aber, Sie hatten es in der Anmoderation gesagt, auch mit dem personellen Zuwachs, den wir erfahren haben, wird die Datenschutzaufsicht, jedenfalls in meinem Zuständigkeitsbereich deutlich gestärkt, und das hat, wie ich finde, unmittelbare Auswirkungen auf den Bürger, denn in der digitalen Welt ist es für den Einzelnen ja immer schwieriger zu durchschauen, wer wann seine Daten speichert und wofür. Und da braucht es, und Datenschutz ist Grundrechtsschutz, eine wirksame Kontrolle, und diese ist sozusagen deutlich gestärkt durch die jetzt neue Funktion als unabhängige Behörde.
Kassel: Aber wie hat man sich diese Kontrolle vorzustellen? Gibt es da für die Bereiche, für die Sie zuständig sind, alle Bundesbehörden zum Beispiel, aber auch andere, Routinekontrollen in regelmäßigem Turnus, oder warten Sie immer nur, bis es Verdachtsmomente gibt?
Voßhoff: Nein, wir warten nicht nur, bis es Verdachtsmomente gibt, das sind bei uns die anlassbezogenen Kontrollen, die wir natürlich auch durchführen, wenn wir Anhaltspunkte bekommen. Aber zu Jahresbeginn legen alle Referate in ihren Zuständigkeitsbereichen Arbeitsprogramme fest, und darin enthalten sind auch anlassunabhängige Kontrollen.
Spätestens ab 2018 wird sich der nationale Gesetzgeber bewegen müssen
Kassel: Nun ist das eine große Aufwertung auf dem Papier, es gibt aber auch Kritik daran. Wir haben gestern mit Ihrem Amtsvorgänger Peter Schaar gesprochen, der zwar zugibt, sinnvoll ist das alles, aber so richtig findet er nicht, dass das mit ganzem Herzen geschehen ist.
Schaar: Aus Brüssel ist der Druck immer stärker geworden. Dann hat die Europäische Kommission wohl offensichtlich der Bundesregierung deutlich gemacht, dass ansonsten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird. Das bedeutet, dass Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt würde, falls die Stellung des Bundesbeauftragten nicht aufgewertet würde. Und das hat man jetzt verstanden und hat jetzt endlich die Konsequenzen gezogen, aber auch das nur in dem, sage ich mal, engstmöglichen Rahmen und nicht wirklich so weit, wie man das hätte erwarten müssen und auch im Sinne des Datenschutzes fordern muss.
Kassel: Sagte gestern bei uns Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftragter bis 2013. Wir reden jetzt mit seiner Nachfolgerin Andrea Voßhoff. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Voßhoff: Es ist zutreffend, dass der EuGH in mehreren Entscheidungen diese Unabhängigkeit gefordert hat, und vor allem, und das ist auch immer meine Forderung gewesen und nach wie vor, was zu einer starken Datenschutzaufsicht gehört, ist natürlich auch eine Sanktionsnorm sozusagen, das heißt, wenn ein Datenschutzverstoß festgestellt wird, dass eine Behörde auch Druckmittel hat, diese Verstöße auch abstellen zu lassen. Und deshalb gehören zu einer starken Datenschutzaufsicht auch entsprechende Sanktionsnormen dazu. Die wird es aber, und da wird der nationale Gesetzgeber auch entsprechend sich bewegen müssen, durch die Datenschutzgrundverordnung geben, die ja, Sie haben es in Ihrer Anmoderation erwähnt, ab dem Jahr 2018 gilt.
Bisher fehlt es an Sanktionsmöglichkeiten
Kassel: Aber im Moment haben Sie ja überhaupt keine Sanktionsmöglichkeiten und stehen damit als oberste Bundesbehörde im Prinzip hinter den Datenschutzbeauftragten der Länder. Die können Strafen verhängen. Sie können es nicht.
Voßhoff: Das ist richtig. Die Bundesbeauftragte hat lediglich die Möglichkeit, eine Beanstandung, eine formelle Beanstandung auszusprechen, und diese, und das tun wir auch, in dem jährlichen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Das hat eine Wirkung, aber natürlich nicht so eine durchschlagende, als wenn Sie auch mit entsprechenden Verfügungen, Untersagungsverfügungen, Anordnungen oder auch Bußgeldern dem mehr Nachdruck verleihen können.
Kassel: Aber könnten Sie nicht Ihrer Arbeit auch dadurch mehr Nachdruck verleihen, dass Sie einfach öffentlich präsenter werden, auch Sie persönlich? Man hat ja eigentlich in den mehr als anderthalb Jahren, die Sie dieses Amt schon ausüben, recht wenig von Ihnen gehört. Sie haben es ja erwähnt, einmal im Jahr der Bericht. Das ist ein bisschen wenig, oder?
Voßhoff: Das ist immer eine Frage der unterschiedlichen Wahrnehmbarkeit. Wir haben eine Öffentlichkeits-, oder ich eine Öffentlichkeitsarbeit, von der ich meine, dass ich mich äußere zu den Themen, für die ich es notwendig halte, dass man sich dazu öffentlich äußert. Und ich bin in diesen zwei Jahren sehr intensiv unterwegs gewesen, wie ich vorhin eingangs sagte, Datenschutzaufsicht als Behörde zu stärken, weil ich das für den wirksamsten Grundrechtsschutz halte. Das ist auch sehr arbeitsintensiv und aufwendig.
Ein Drittel mehr Personal
Und in den vergangenen 14 Jahren vor meinem Amtsantritt hat diese Behörde gar keinen nennenswerten Personalzuwachs erfahren. Das ist jetzt mit diesem Gesetz gelungen, dass wir knapp ein Drittel mehr Stellen bekommen haben, konkret 25 Stellen, die wir mehr besetzen können. Und das heißt im Ergebnis eine effektive Kontrolle. Und deshalb lege ich und habe ich Wert darauf gelegt, die Behördenstruktur zu verbessern und zu optimieren, weil Datenschutz ist Grundrechtsschutz, und er setzt eine effektive Kontrolle voraus.
Ich meine, dass ich auch damit dem Bürger in vielfältiger Weise sozusagen mehr nützen kann, als wenn ich es auf das Reden beschränkte sozusagen. Aber die Öffentlichkeitsarbeit kann man immer optimieren, keine Frage, aber ich würde nicht behaupten wollen, dass ich nicht präsent war. Wenn Sie nachschauen, von den Veröffentlichungen auf der Homepage angefangen bis zur Medienberichterstattung, dann kann ich die Kritik nicht in jeder Hinsicht teilen.
Kassel: Sie scheint Sie aber doch ein bisschen zu betreffen, das höre ich jetzt ein bisschen aus Ihrer Stimme heraus.
Voßhoff: Ja, natürlich. Solche Kritiken nimmt man nicht nur auf, sondern man hinterfragt auch, oder ich jedenfalls, sind sie berechtigt oder nicht. Und da fühlt man dann manchmal auch nicht ganz fair behandelt an der Stelle. Aber so ist das, das wird mich aber nicht von meinem Weg abhalten, dafür Sorge zu tragen, dass in meiner Amtszeit die Datenschutzaufsichtsbehörde gestärkt wird.
Zukünftig stärkere Präsenz in der Öffentlichkeit?
Kassel: Sie haben sich damit jetzt ein bisschen was eingehandelt, Frau Voßhoff, weil nach dieser Ankündigung, nachdem ich nun endlich mit Ihnen reden durfte, werde ich darauf bestehen, dass irgendwann bald wieder tun zu dürfen, denn es bleiben noch viele Fragen offen, natürlich ganz konkrete, zu denen wir jetzt leider nicht mehr kommen werden. Ich hätte ungefähr noch 24. Versprechen Sie mir, dass Sie zwölf davon innerhalb der nächsten Monate bei irgendeiner Gelegenheit beantworten?
Voßhoff: Sehr gern, Herr Kassel. Sie sehen ja, Sie haben gestern angerufen, das Interview hat heute Morgen geklappt. Versuchen Sie es wieder, und wir können uns gern wieder über Datenschutzfragen unterhalten.
Kassel: Sage ich den Kollegen draußen, schreibt euch die Nummer mal ordentlich auf, nicht, dass die verschwindet. Andrea Voßhoff war das, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, in diesem Amt seit Anfang des Jahres Leiterin einer neuen obersten Bundesbehörde. Ich wünsche Ihnen mit dieser Leitung der neuen Behörde viel Glück und Erfolg und danke Ihnen für das Gespräch!
Voßhoff: Vielen Dank, Herr Kassel!
Kassel: Tschüs!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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