Bundesamt für Strahlenschutz fordert Konsens für Endlagersuche

Wolfram König im Gespräch mit Nana Brink · 15.06.2011
Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, hat einen politischen Konsens hinsichtlich des Verfahrens zur Endlagersuche in Deutschland angemahnt. Dieses Verfahren werde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und müsse deshalb über mehrere Legislaturperioden hinaus Bestand haben, betonte König.
Nana Brink: Die Energiewende ist ja nun auch regierungsamtlich, und heute läuft auch das dreimonatige Atommoratorium für die acht stillgelegten Kernkraftwerke aus, das die Kanzlerin nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima verkündet hatte. Neben dem avisierten Ausstieg 2022 ist nun auch die Debatte um ein mögliches Endlager in vollem Gange, denn abschalten alleine reicht ja nicht, man muss auch das strahlende Erbe entsorgen. Aber wo? In Gorleben, dem einzigen Standort, an dem man seit mittlerweile über 30 Jahren prüft, ob der Atommüll auch endgültig gelagert werden kann? Am Telefon ist jetzt Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz und verantwortlich für eine sichere Atommülllagerung. Einen schönen guten Morgen, Herr König!

Wolfram König: Ja, guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Ganz kurz, bevor wir zu Gorleben kommen: Was genau heißt Endlagerung?

König: Wir haben mit dem Einstieg in Atomenergienutzung Abfälle erzeugt, die ein enormes Potenzial haben, die Umwelt zu schädigen und die Menschheit. Wir wissen gleichzeitig: Die Menschen haben kein System über einen sehr langen Zeitraum, das Wissen, um diese Stoffe zu erhalten, das heißt, wir müssen Wege finden, wie wir ein Endlager realisieren, das durch die Geologie die Sicherheitsbarrieren herstellen kann, zu verhindern, dass, obwohl das Wissen weg ist, auch diese Stoffe dauerhaft von der Biosphäre ferngehalten werden.

Brink: Neben dem Salzstock in Gorleben werden ja jetzt auch andere Standorte genannt für die Prüfung, zum Beispiel in Bayern oder Baden-Württemberg. Was halten Sie davon?

König: Ich finde das einen großen Schritt in die richtige Richtung, weil das Problem ist, dass die bisherige Auswahl der Standorte und insbesondere des Standortes Gorleben nicht transparent und nach nachvollziehbaren Kriterien erfolgt ist, und internationaler Stand ist, dass man vorher die Kriterien festlegt, nach denen man einen Standort auswählt und nach denen man auch so einen Standort dann bewertet. Das ist in Gorleben leider nicht geschehen vor bald 35 Jahren, und somit ist dieser sehr umstritten. Obwohl vielleicht die Geologie geeignet ist, ist aber die Akzeptanz in der Bevölkerung für so einen Standort natürlich nicht in der Weise gegeben, und wir haben keinen Vergleich mit anderen möglichen Endlagerstandorten, sodass man nie sagen kann: Ist das wirklich der bestmögliche, den wir in der Bundesrepublik realisieren können?

Brink: Also habe ich Sie richtig verstanden: Muss man die Chance dieses übergreifendes Konsenses, also den Ausstieg aus der Atomenergie nutzen, um nach anderen Endlagern zu sehen, falls Gorleben doch nicht geeignet ist?

König: Der Ausstieg aus der Kernenergie eröffnet glaube ich die große Chance, sich jetzt wirklich dem Problem zu stellen, das durch die Endlagerung, durch die Erzeugung der Abfälle erzeugt worden ist, und nicht mehr Stellvertreterdiskussionen zu führen, pro oder contra Kernenergie. Und ich glaube, dies ist sozusagen ein kurzes Zeitfenster, was genutzt werden muss, und ich freue mich, dass die Länder jetzt auf eine Standortsuche sich zubewegen und nicht Niedersachsen allein mit dem Problem stehenlassen wollen.

Brink: Die Ethikkommission, auch von der Kanzlerin eingesetzt, hat ja eine Abkehr von der Idee einer unumkehrbaren Endlagerung gefordert, das heißt, der Atommüll soll rückholbar sein. Was bedeutet das genau?

König: Ja, ich glaube, das ist eine richtige Konsequenz aus den Erfahrungen zum Beispiel der Asse: Die Abfälle sollen und müssen so gelagert werden, dass man, auch wenn man ein Endlager wieder verschlossen hat, wieder an diese Abfälle herankommen kann, zukünftigen Generationen die Möglichkeit eröffnet, im Fall eines Störfalls oder dass man meint, man hat bessere Methoden, diese Abfälle zu behandeln, dass man zumindest die wieder einigermaßen sicher bergen kann. Das ist eine Aufforderung, die wir schon heute haben durch die neuen Sicherheitskriterien des Bundesumweltministers, im letzten Jahr erlassen, das heißt, die Abfälle müssen im Behälter gelagert werden in geologisch geeigneten Schichten, die auch wieder dann die Sicherheit garantieren, wenn zukünftige Generationen herangehen wollen. Das kann nach einem Verschluss eines solchen Endlagers eben zum Beispiel bergmännisch sein und setzt voraus, dass man das Wissen um die Abfälle, um die Gefährlichkeit und insbesondere die Lage der Behälter so dokumentiert, dass sie über mehrere hundert Jahre auch wieder abgreifbar sind.

Brink: Das heißt, um auch auf den Anfang unseres Gespräches wieder zurückzukommen, der Begriff Endlagerung ist dann eigentlich ja irreführend, das heißt: Wir haben das Wissen noch gar nicht, um eine Endlagerung zu garantieren?

König: Wir haben bisher keinen Nachweis, dass ein Standort in der Bundesrepublik geeignet ist. Wir haben inzwischen ein großes Wissen weltweit über die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Wir müssen jetzt in einem vergleichenden Verfahren nachweisen, dass grundsätzlich eine geologische Schicht – sei es Salz, sei es Ton, beziehungsweise mit Abstrichen Granit – geeignet ist, und dann auf den Standort bezogen ein sicherheitstechnisches Konzept entwickeln. Das ist ein Verfahren, was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, und eben über Legislaturperioden hinaus auch Bestand haben muss. Es macht keinen Sinn, nach jeder Bundestagswahl, nach jeder Landtagswahl wieder von vorne zu beginnen mit einer neuen Zielsetzung. Deswegen ist es so wichtig, diesen Konsens herzustellen in der Politik, aber auch in der Gesellschaft über ein Verfahren, das über diesen Zeitraum auch Bestand hat.

Brink: Sie sagen also, das Konzept der rückholbaren Lagerung ist das Konzept der Zukunft. Wo muss man dann suchen?

König: Rückholbar im Sinne, dass man wieder diese Abfälle bergen kann. Was nicht passieren darf, ist, dass diese Geologie, die die Geeignetheit dieses Standorts ja maßgeblich mitbestimmt, ersetzt wird durch technische Barrieren oder gar durch Wachmannschaften, also eine Langzeitzwischenlagerung. Ich glaube, das kann und darf nicht der Weg sein, gerade weil wir wissen, dass wir nicht sicherstellen können, dass man immer ausreichend das Wissen aber auch das Geld bereitstellt, um die Sicherheit dieser Stoffe zu garantieren und die Sicherheit der Menschen, die damit zu tun haben. Wir müssen damit leben, dass Menschen vergessen, dass ein Verstecken, ein Verdrängen dieser Abfälle aus unserem Alltag eben nicht das Problem löst, also Rückholbarkeit in dem Sinne, dass man es wieder bergen kann, aber nicht im Sinne, dass dauerhaft man oberirdisch oder oberflächennah diese Abfälle in, ich sage mal, in dunkle Ecken stellt.

Brink: Jetzt bleiben wir doch noch mal bei Gorleben: Wäre denn Gorleben für eine rückholbare Lagerung überhaupt geeignet?

König: Das hat noch keinen Nachweis gegeben, aber es ist natürlich technisch durchaus möglich, Behälter zu entwickeln, die diesem Bestand garantieren, die Sicherheit garantieren, nämlich über 500 Jahre – und das steht in den aktuellen Sicherheitsanforderungen –, zukünftigen Generationen ermöglichen, sie wieder zu bergen. Die Sicherheitsnachweise für den Standort Gorleben sind noch nicht erbracht, sondern wir befinden uns in einem Prozess, und die Bundesregierung hat beschlossen, diesen Standort weiter zu erkunden, und in diesem Zusammenhang muss natürlich auch diese Frage beantwortet werden.

Brink: Pardon – halten Sie das für sinnvoll, dass in Gorleben da weiter gesucht wird?

König: Es ist eine politische Entscheidung, dieses zu tun. Wir haben eine, ich sage mal, Zwickmühle derzeit: Wenn man den Standort politisch, rein aus politischen Gründen aufgeben würde, dann würde natürlich die Akzeptanz für eine Suche an anderen Standorten nicht größer werden. Wenn man Gorleben aber im Spiel hält, ohne andere Standorte zu suchen beziehungsweise nur, ich sage mal, eine Standortsuche light durchzuführen, dann hat man natürlich das Problem, dass die Ernsthaftigkeit dieser Suche in Zweifel gezogen wird.

Brink: Also Sie halten es dann für sinnvoll?

König: Ich halte es für sinnvoll, so ein entsprechendes Verfahren durchzuführen und auch die Erkenntnisse aus dem Standort Gorleben mit einzubeziehen.

Brink: Vielen Dank, Wolfram König war das, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz. Schönen Dank für das Gespräch, Herr König!

König: Ja, danke schön, auf Wiederhören!
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