Bund der Arbeitgeberverbände lehnt Lohnuntergrenze ab

Dieter Hundt im Gespräch mit Gabi Wuttke · 31.10.2011
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Dieter Hundt spricht sich gegen neue Überlegungen in der CDU, eine Lohnuntergrenze einzuführen, aus. Die CDU würde sich, wenn sie dem Antrag zustimmt, in die falsche Richtung bewegen.
Gabi Wuttke: Eine Gerechtigkeitslücke will die CDU schließen, sagt Generalsekretär Hermann Gröhe. Mit einer verbindlichen Lohnuntergrenze auch für die Branchen, in denen es keine Tarifvereinbarung gibt, um schwarze Löcher zu stopfen. Kaum war die Botschaft medial auf den Weg gebracht, werden die Christdemokraten umarmt, nicht nur von der Opposition und den Gewerkschaften, sondern auch von den Koalitionspartnern. Warum?

Weil nach britischem Vorbild eine Kommission, in der neben Wissenschaftlern auch die Tarifpartner sitzen sollen, eben keinen gesetzlichen Mindestlohn aushandeln soll. Dieter Hundt, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, ist am Telefon, Guten Morgen, Herr Hundt!

Dieter Hundt: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Können Sie mit diesem Vorstoß genau so gut leben wie die FDP?

Hundt: Für mich ist die Überlegung, die von Teilen der CDU derzeit angestellt wird, nicht nachvollziehbar und sehr unverständlich. Im Koalitionsvertrag ist ausdrücklich ein gesetzlicher Mindestlohn ausgeschlossen und was jetzt diskutiert wird, geht genau in die gegenteilige Richtung.

Wuttke: Aber explizit heißt es, es soll eben nicht um einen gesetzlichen Mindestlohn gehen, auch deshalb ist zum Beispiel der FDP-Generalsekretär sehr angetan von dem Vorstoß.

Hundt: Also, wenn eine allgemeine gesetzliche Lohnuntergrenze vereinbart werden soll auf Vorschlag einer Kommission, dann ist dies ein politischer gesetzlicher Mindestlohn. Und wenn dieser Vorschlag sich auch noch orientieren soll am niedrigsten Lohn einer Branche, beispielsweise der Zeitarbeit, dann ist das ein politischer, gesetzlicher Mindestlohn. Und den hat die CDU/CSU bisher aus, wie ich meine, guten Gründen abgelehnt. Für mich ist, wie gesagt, nicht nachvollziehbar, was die Gründen für die jetzigen Überlegungen sind.

Wuttke: Was könnten Sie sich denn vorstellen? Sie haben ja sicherlich mit Absicht jetzt erst mal nicht von der CDU-Chefin gesprochen, sondern von den beiden Politikern aus der CDU, die mit diesem Vorstoß an die Presse gegangen sind?

Hundt: Also, zunächst mal ist es ja wohl ein Vorschlag der CDU in Nordrhein-Westfalen und die Antragskommission unter Leitung von Herrn Gröhe will diesen Antrag jetzt wohl für den CDU-Parteitag in 14 Tagen zulassen. Es muss jetzt erst mal geklärt werden, wer diese Kommission bilden soll, wie diese Kommission arbeiten und entscheiden soll.

Im Moment sehe ich mehr Fragen als Antworten, ich bin allerdings in größter Sorge, dass das eben eine Überlegung ist in die Richtung, einen gesetzlichen Mindestlohn, der, wie gesagt, bisher von der Koalition ausdrücklich abgelehnt worden ist, doch einzuführen.

Wuttke: Aber das hieße, dass sich sowohl der Koalitionspartner FDP als auch die CSU jetzt - von den Gewerkschaften und der Opposition natürlich zu schweigen, denn die sind ja schon seit Langem dafür - plötzlich das Mäntelchen komplett gewechselt haben. Irgendeine Erklärung müssen Sie doch dafür haben?

Hundt: Diese Erklärung kenne ich nicht. Und ich meine, sachlich betrachtet gibt es eine solche Erklärung auch nicht. Wir haben in Deutschland ja das Mindestarbeitsbedingungengesetz, das hat die CDU in der Großen Koalition erst vor zwei Jahren noch novelliert. Da kann auf Antrag einer Landesregierung bei sozialen Verwerfungen, wenn keine Tarifverträge bestehen, eine Lohnuntergrenze eingezogen werden.

Dort gibt es auch bereits eine Tarifkommission. Nur Bedarf in dieser Richtung aus der Praxis hat es bisher nicht gegeben, im Gegenteil: Erst vor Kurzem hat beispielsweise die Systemgastronomie mit einer DGB-Gewerkschaft noch einen Abschluss getätigt mit einem unter dem niedrigsten Lohn für die Zeitlohnbranche vereinbarten untersten Lohn.

Wuttke: Der DGB hat sich selbst schon in diese Kommission eingeladen. Was also werden Sie, was wird der BDA tun?

Hundt: Ich warte ab, wer auf mich zukommt und werde weiterhin ganz große Bedenken gegen jede Art eines Mindestlohns haben. Ich meine, damit werden in beträchtlichem Umfang Arbeitsplätze gefährdet und im Falle einer Einführung eines Mindestlohns sogar aufgegeben. Ich denke, gerade die Entwicklung der letzten eineinhalb Jahre zeigt, dass unsere Regelungen sehr günstig waren, es haben sehr viele Nicht- und Geringstqualifizierte und auch Langzeitarbeitslose jetzt wieder den Einstieg in Arbeit geschafft und der Einstieg ist nun mal die Voraussetzung für eine Weiterentwicklung, für einen Aufstieg.

Und diese Möglichkeit würde mit einem wie auch immer gearteten Mindestlohn dann gefährdet. Und bitte, es möge niemand vergessen, dass in Ländern mit Mindestlöhnen die Jugendarbeitslosigkeit wesentlich höher liegt, als wir sie erfreulicherweise in Deutschland haben.

Wuttke: Sollte die CDU aber auf ihrem Parteitag im November diesen Antrag - wir kennen ihn nur in Teilen - annehmen, rückt sie dann weiter nach links?

Hundt: Die CDU würde, wenn sie diesem Antrag zustimmt, in die falsche Weise bewegen. Und das wäre zum Nachteil gerade dieser betroffenen Menschen, Langzeitarbeitslosen und Gering- und Nichtqualifizierten. Deshalb werde ich versuchen mit einer entsprechenden Argumentation, diesen Schaden von Deutschland abzuwenden.

Wuttke: Wäre es eine Erklärung für Sie, dass dies bereits der Vorbote für den nächsten Bundestagswahlkampf ist?

Hundt: So weit will ich im Moment noch nicht gehen. Aber eine derartige Veränderung der Position der CDU wäre für mich schon außerordentlich bedenklich und möglicherweise auch ein bisschen der Stimmung in der Öffentlichkeit geschuldet.

Wuttke: Überrascht und besorgt über einen allgemeinen Mindestlohn in Deutschland der BDA-Präsident Dieter Hundt in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur, ich danke Ihnen sehr!

Hundt: Danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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