Bürokratie

Leichter heiraten

Sogenannte "Liebesschlösser" hängen am Geländer der Fußgängerbrücke "Eiserner Steg" in Frankfurt am Main
Auf den "schönsten Tag im Leben" müssen manche Paare Monate warten - wegen der Bürokratie. © picture alliance / dpa
Von Ariane von Dewitz · 29.06.2014
Weil deutsche Behörden zu bürokratisch und langsam sind, gehen jedes Jahr über 2000 Paare zum Heiraten über die Grenze nach Dänemark, Tendenz steigend. Das Städtchen Tønder hat sich regelrecht zu einer "Heiratsfabrik" entwickelt.
"Oh Gott oh Gott, das müssen wir auch jetzt noch ausfüllen. Viel Spaß. Aber das dauert mir irgendwie zu lang. 13 Uhr haben sie gesagt. Komisch. Oder wurden wir schon aufgerufen – und wir haben das nicht gemerkt?"
Florence klickt nervös mit ihrem Kugelschreiber, blickt dabei immer wieder auf die große Uhr im Wartesaal des dänischen Standesamtes. Vor ihr auf dem Tisch: Ein Stapel Papiere und ein Plastikbecher mit Filterkaffee. Ihr Verlobter Najib, der Schwager und ein Freund sitzen neben ihr.
Die junge Deutsch-Afghanin mit dem streng gebundenen Kopftuch und dunkelrot geschminkten Lippen, möchte gleich ihre Hochzeit mit Najib anmelden – hier in Tønder, einem unscheinbaren Ort an der deutsch-dänischen Grenze. So will das Paar einen monatelangen Hürdenlauf durch deutsche Amtsstuben vermeiden. Denn: Dänemark fordert weniger Papiere für eine Vermählung als sein Nachbarland – aber dennoch ist die dänische Heiratsurkunde in der Bundesrepublik anerkannt. Für Najib und Florence ein Glücksfall, denn momentan können sich die beiden nur selten sehen.
"Er darf ja nicht nach Deutschland kommen, mit seinem Visum, Das heißt : Wenn wir bald heiraten, hoffe ich, dass er nach Hamburg zieht. Und dann wird groß gefeiert. Sprich: Afghanisch, islamisch. Und dann können wir zusammen einziehen. Also das ist so unser Traum, warum wir jetzt hier heiraten wollen, dass alles gesetzlich wird – das ist so ein Schritt in die Zukunft."
Es war ihre deutsche Anwältin, die Florence den Tipp gab, zur Hochzeit nach Tønder zu fahren. Der Ort ist mit 1800 Eheschließungen im Jahr mittlerweile Spitzenreiter unter den europäischen Hochzeitsschmieden.
Doch obwohl Tønder für viele Menschen die Bühne für den glücklichsten Moment ihres Lebens darstellt, bleibt die Stadt merkwürdig unscheinbar. Es gibt viele rot geklinkerte Wohnhäuser, eine kleine Altstadt mit Mode-Ketten, exquisiten Möbel-Läden, Sportgeschäften – und ein paar Hotels und Fremdenzimmer, in denen Hochzeitsgäste für ein paar Tage unterkommen können. Die Stadt macht nicht viel Wirbel um ihre vielen Kurzzeit-Touristen, obwohl schon nach dem zweiten Weltkrieg viele deutsch-amerikanische Paare in Dänemark heiraten und der Hochzeitstourismus seit einigen Jahren wieder auflebt: Einerseits weil immer mehr Ehen zwischen Deutschen und Ausländern geschlossen werden, andererseits aber auch, weil die Bundesbürger die Bürokratie satt haben und der großen Hochzeitsfeier zu Hause entfliehen wollen.
Für ihre Trauung in ein paar Tagen haben Florence und Najib alles fertig organisiert – nur eine wichtige Frage müssen sie jetzt noch klären: Wer wird Trauzeuge? Falls gewünscht stellt das Standesamt kostenlos eigene Mitarbeiter für dieses ehrwürdige Amt bereit – doch wie viele andere Brautpaare bitten Florence und Najib lieber Freunde oder Verwandte um eine Signatur auf ihrer Heiratsurkunde.
Florence: "So Leute, das ist sehr wichtig. Hier steht: Wir bringen eigene Trauzeugen. Wie viele müssen das sein? Also zwei. Du? Ich brauche Deinen Namen und vollständige Adresse. Und Du. Du kommst auf jeden Fall mit. Dann nehme ich Dich als Trauzeuge. Oder soll ich meine Schwester nehmen? Ich nehm dich, weil Du jetzt hier bist."
Trauzeuge: "Jawoll."
Florence: "Aye aye Captain... Und wehe du kommst nicht, ne, dann wirst du alles versauen."
Trauzeuge: "Neeeein, ich komm auf jeden Fall!"
Florence: "Man hat echt sone Angst, also dass irgendwas schief läuft oder auch als wir hier nach Dänemark gefahren sind: Ich hatte sone Angst, dass wir im Stau stecken oder zu spät kommen."
(Aufruf der Namen)
"Ja, das sind wir."
Florence und Najib blicken auf, es ist soweit: Die Nachnamen der beiden jungen Afghanen werden aufgerufen. Najib nimmt noch einen Schluck Wasser, klemmt sich hastig die Dokumente unter den Arm. Gemeinsam laufen sie in das große, helle Büro von Heike Jensen, einer der vier Sachbearbeiterinnen im Standesamt Tønder.
"Guten Tag, Heike Jensen, hallo"
Florence: "Endlich."
Ohne Geburtsurkunde heiraten
Die Standesbeamtin, leger gekleidet in T-Shirt und Jeans, prüft die Pässe, sortiert Formulare, macht Kopien, kassiert die Bearbeitungsgebühr von 500 dänischen Kronen –rund 70 Euro - , setzt hie und da einen Stempel auf, lächelt stets freundlich. Vom Hochzeits-Paar braucht sie nur: Einen gültigen Reisepass, eine Aufenthaltsgenehmigung und einen beglaubigten Ledigkeits-Nachweis. Der wichtigste Unterschied zu Deutschland: in Dänemark müssen heiratswillige Paare keine Geburtsurkunde vorlegen.
Beamtin: "Sie kriegen dann diesen Zettel von mir, mit Uhrzeit: 14.30."
Florence: "Das wars?"
Beamtin: "Das wars. Haben Sie noch Fragen?"
Florence: "Nein, danke. Alles gut."
Beamtin: "Alles ist schon geklärt."
Florence: "Oh bin ich erleichtert! Gott ich bin aufgeregt."
Beamtin: "Bis Donnerstag, ich wünsche ihnen einen schönen Tag noch."
Es ist kurz vor zwei, das Standesamt schließt bald seine schweren Holzpforten. Nur ein Paar wartet jetzt noch in der Empfangshalle, mit Blick auf die gewaltigen Malereien an der Wand. Es sind Mageritha aus Russland und Dennis, der in Lettland geboren wurde. Beide leben in Deutschland, doch Dennis‘ Aufenthaltsgenehmigung ist zeitlich begrenzt.
Mageritha: "Wir haben versucht, in Deutschland zu heiraten, aber wegen seinem Pass gibt es Probleme. Die wissen gar nicht, was die mit uns anstellen sollen. Ja und deswegen... ich bin schwanger... und deswegen möchte ich schon so lange ich noch schlank bin noch heiraten... und nicht, wenn ich schon so einen Bauch habe."
Dennis hat keine Staatsangehörigkeit. Er ist zwar in Lettland geboren, aber weil seine Eltern keine lettischen Staatsbürger sind, bekam Dennis auch keinen lettischen Pass. Magerithas deutscher Anwalt hat den beiden versprochen: In Dänemark wird das mit dem Heiraten trotzdem gehen. Voller Hoffnung ist das Paar darum heute früh spontan nach Toender gereist. Standesbeamtin Bente Skipper holt die zarte, junge Frau und ihren Verlobten, der etwas eingeschüchtert wirkt, jetzt in ihr Büro.
Beamtin: "Sie haben so lange gewartet."
Mageritha: "Das ist ok so."
Beamtin: "Haben Sie den Fragebogen ausgefüllt?"
Mageritha: "Ja haben wir – hier bitte sehr."
Bente Skipper prüft Magerithas Unterlagen, sie nickt zufrieden, alles da, alles in Ordnung, Stempel drauf. Dann kommt Dennis an die Reihe, der kaum deutsch versteht und darum Mageritha das Reden überlässt.
Beamtin: "Dann der Mann – Reisepass bitte."
Mageritha: "Reisepass... hier ist der Reisepass..."
Beamtin: "Sie haben ´staatenlos`geschrieben als Staatsangehörigkeit."
Anruf bei der Grenzpolizei
Die Standesbeamtin richtet sich jetzt auf, streicht mit der Hand durch ihre kurzen braunen Haare, runzelt die Stirn und erklärt dem Paar, warum sie Bedenken hegt und leider erst einmal die Grenzpolizei anrufen muss, die eng mit dem Standesamt zusammen arbeitet.
Beamtin: "... weil eine Voraussetzung ist, dass man legalen Aufenthalt hat. Und wenn die sagen, das ist nicht der Fall mit das hier und das: Dann kann man nicht heiraten. Und das gilt überall so in Dänemark. Ja. Aber vielleicht kriegen wir ja eine gute Antwort. Nicht traurig sein! Ich hoffe, dass wir eine gute Nachricht bekommen. Aber wenn wir es machen und es nicht richtig ist, dann können wir unsere Arbeit verlieren. Das müssen Sie auch verstehen können, ja?"
Das Paar geht vor die Tür. Bis der entscheidende Rückruf der Grenzpolizei kommt, wollen sie erst mal allein sein.
Beamtin: "Die Bente. Ja, hi Lars. Ja? Spricht dänisch... Die wollen es akzeptieren! Ich hole das Paar. Sie können ruhig kommen!"
Mageritha: "Echt?"
Beamtin: "Die haben das akzeptiert!"
Mageritha: "Oh mein Gott! Ich krieg die Krise!"
Beamtin: "Das war doch eine gute Nachricht!"
Mageritha: "Ich weiß!"
Beamtin: "Und ich kann sagen: Sie können hier bei uns heiraten."
Mageritha: "Oh super!"
Beamtin: "Sind Sie jetzt froh?"
Mageritha: "Ja!"
Beamtin: "Das ist gut."
Das Standesamt hat jetzt geschlossen, alle Anmeldungen für insgesamt 31 Hochzeiten am Donnerstag sind dokumentiert. Bentes Kollegin Heidi bleibt heute länger im Büro. Die Russin und der Lette - echte große Liebe war das, sagt sie. So etwas zu sehen – das hat sie gern an ihrem Beruf. Schlimm findet die Standesbeamtin hingegen, wenn sie Scheinehen bewilligen muss, hinter denen manchmal auch Prostitution steckt.
Beamtin: "Sehr selten denken wir: Hm. War das ganz echt? Sie wollen sich dann vielleicht nicht küssen oder sie sitzen so und kucken nicht aufeinander. Oder, ja, sie wollen nicht so viel sprechen, sie wollen lieber ganz schnell wieder nach Hause – so was. Aber... wenn die Unterlagen in Ordnung sind, dann können wir gar nichts machen. Das ist ja eigentlich auch nicht unsere Aufgabe, finde ich."
Ein Tag später, halb neun Uhr morgens im Hotel Tønder Hus. Von hier aus blicken die Gäste direkt auf das Standesamt, ein imposantes rotes Altbaugebäude. Regine Timm und Simon Crompton essen zum Frühstück Ei und Brötchen im Wintergarten, an den Nebentischen sitzen vereinzelte Geschäftsreisende und trinken Kaffee. Die meisten Brautpaare sind nach der Anmeldung nach Hause gefahren, kommen erst am Tag der Hochzeit wieder zurück nach Toender. Regine und Simon gehören zu den wenigen, die lieber hier geblieben sind. Sie wollen die drei Tage für Ausflüge nutzen – zu Schloss Schackenburg, dem Wohnsitz eines dänischen Prinzen und nach Ribe, einer mittelalterlichen Stadt mit mächtigem Dom.
Alkohol und Entzug
Weil Simon Engländer ist und in Libyen geboren, bekommt er keine Geburtsurkunde, die Botschaft in Bengasi sei zu solchen bürokratischen Kunststücken momentan nicht in der Lage, sagt Simon. In Deutschland ist eine Trauung darum nicht möglich. Simon, 54 Jahre alt und Regine, neun Jahre älter, kennen den kleinen Ort Tønder, bereits. Der Koch und die Altenpflegerin wollten eigentlich schon vor einem Jahr hier heiraten, machten aber dann einen Rückzieher. Simon kämpft damals mit einem Alkoholproblem und entschließt sich erst einmal zu einer Entzugskur.
Simon: "Ich bereue nicht eine Minute, dass ich das gemacht habe. Bin froh darüber. Bin auch froh, dass wir das ein Jahr verschoben haben. Jetzt sitzen wir hier, ne, so..."
Regine: "... wo auch Freunde gesagt haben, was willst Du mit ihm. Und... warum tust Du Dir das an? Und sagten: Ich würde den aufgeben! In Deinem Alter noch, musst du doch nicht mit nem Alkoholiker zusammen leben. Und ich sag: Ich liebe ihn, von Anfang an, das stehen wir beide durch. Also in guten wie in schlechten Zeiten, ne? Und das haben wir so toll überstanden."
13 Jahre ist es her - da lernt Regine nach einer bereits gescheiterten Ehe Simon auf einer Hochzeit kennen. Es ist eine Zeit, in der Regine eigentlich kaum unter Menschen geht, weil sie den Tod ihrer Schwester verwinden muss.
Simon: "Da sagte meine Nichte: Bitte Tantchen, komm doch. Wir heiraten. Gut, dann fahr ich doch hin. Und dann war ein schöner Empfang, gabs Zwiebelkuchen. Und dann sah ich da einen jungen Mann und dann sag ich: Mögen Sie auch Zwiebelkuchen? Ja gerne, sagt er. Und dann hab ich ihm Zwiebelkuchen gegeben, und dann dacht ich: Der is aber nett. Und dann haben wir auch mal getanzt – und dann standen wir draußen an der Reling; und dann haben sich unsere kleinen Finger irgendwie berührt. Ich hab gesagt: Das hat meine Schwester gemacht."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Simon und Regine Crompton kurz nach der Trauung im dänischen Tonder.© Deutschlandradio / Ariane von Dewitz
Regine schaut Simon versonnen an, denkt kurz nach – und erzählt dann noch von ihrer Verlobung.
"Wir waren richtig doll verliebt, also das kann man sich nicht vorstellen. Der Antrag kam erst nach zehn Jahren... Dann nimmt der einen Zwiebelring, die man so essen kann, so Art Chips und setzte mir einen Zwiebelring auf, nahm ein Glas Wein. Und in dem Moment ging das Telefon, meine Tochter, dann hab ich ihm den Wein noch aus der Hand gehauen – er sagte: Willst Du meine Frau werden? Ich sagte: Wie? Mit nem Zwiebelring? Ja... Und ich hab gesagt: Ja, möchte ich."
Simon schaut auf die Uhr, drängt jetzt zum Aufbruch. Das Paar hat Hochzeitsvorbereitungen zu erledigen. Die Kaugummi kauende Friseurin, taillierter schwarzer Blazer und wasserstoff-blonder Pferdeschwanz, erzählt Regine: Alle hier im Laden sind voll und ganz auf Bräute eingestellt. Schließlich sind das hier die häufigsten Kundinnen. Oft kämen die Damen schon in Festrobe gehüllt, seien meist anspruchsvoll und nervös.
Friseurin: "Wir können das! Make-Up und auch Haare, und... manche haben auch ein Bild mit hier drin!"
Regine: "Ach so. Das ist auch eine Idee. Wenn man ein Bild hat und sagt: Diese Frisur möchte ich haben... Das find ich ja toll, ne? Man stellt sich das ja manchmal vor, wie schön man aussehen will... Aber ich denke, das sind mehr jüngere Frauen. Also mir ist das nicht mehr so wichtig, denke ich."
Simon und Regine entdecken den Blumenladen
Die Friseurin ist geschäftstüchtig, der Termin vereinbart. Sie hat Regine von Schnitt und Dauerwelle überzeugt und sogar vom ersten Rundum-Make-Up ihres Lebens – so richtig mit Mascara, Rouge und Lipgloss. Regine strahlt, Simon ächzt über den Preis. Die beiden ziehen jetzt weiter, durch die Fußgänger-Gasse in der Altstadt von Tønder, laufen vorbei an schmucken, bunten Häusern, Cafés, Souvenirgeschäften und Restaurants in Kellern alter Fachwerkbauten. Ein paar bummelnde Rentner, die in Schaufenster gucken, ein paar Eis essende Teenager auf Bänken. Simon und Regine entdecken den Blumenladen.
"Aber sag nicht Kakteen, Du!“ / Einen Kaktus, noch besser! / Einen Kaktus, ja genau. Nein, mal kucken, ob wir was Schönes zusammenstellen können."
Das Paar betritt das Geschäft und blickt auf zahllose bereits gebundene Sträuße.
Regine, seit dem Friseur-Besuch im Planungsfieber, möchte eine richtig professionelle Blumen-Beratung. Simon ist überfordert.
Simon: "Ich überlass das den Frauen, ich halt mich da raus."
Regine: "Guten Morgen, ich möchte am Donnerstag heiraten. Und da möchte ich gerne so einen kleinen Strauß, dass sie mir den zusammen stellen, ja?"
Verkäuferin: "Ja. Wollen wir ein paar Bilder gucken?"
Regine: "Ja! Haben Sie Bilder? Das ist ja noch besser. Das finde ich ja toll."
Verkäuferin: "Ich zeig dir mal, was du eigentlich haben musst. Eigentlich brauchst Du so was. Aber nicht zu groß. Man kuckt immer: Wie groß ist die Braut? Und danach macht man den Strauß. Eine große Braut braucht einen großen Strauß. Und eine kleinere nicht so einen großen. Auch wenn eine Frau sehr korpulent ist, muss er auch ein bisschen größer sein. Das ist ganz wichtig."
Regine: "Ach so. Ich bin gar nicht so schlank."
Verkäuferin: "Na, aber nicht dick, nein, nein! Und möchte Dein Mann einen Anstecker haben?"
Regine: "Möchtest Du einen Anstecker haben für Deinen Anzug?"
Simon: "Jo! Eins, zwei, drei – das ist unfair!"
Regine: "Sieht doch auch schöner aus!"
Verkäuferin: "Das ist doch nur so klein. Und einmal kann man das ja mal machen!"
Regine lächelt, ist angesteckt von so viel Romantik, will den Laden eigentlich gar nicht mehr verlassen.
"Ist das schön hier. Ich muss grad noch mal kucken. Schön... Danke! Tschüß!"
Hochzeitstag mit 31 Paaren
Zwei Tage später. Ein Donnerstag im Mai, die Sonne strahlt, keine Wolke am Himmel – ideales Wetter für den Hochzeits-Tag von 31 Paaren. Heute werden sie im Rathaus Tønder getraut, in Blitz-Zeremonien, die nicht länger als eine viertel Stunde dauern werden. Darunter sind Regine und Simon sowie die Russin Mageritha und der Lette Dennis – die sich nach dem großen Schreck bei der Anmeldung nun nicht mehr vor das Mikrofon trauen.
Aus Hamburg früh morgens angereist sind auch die Afghanen: Florence und Najib. Der Bräutigam trägt einen neuen Anzug, Florence ein knöchellanges Braut-Kleid im Empire-Stil – geschmückt von einer riesengroßen funkelnden Brosche. Die Haare verbirgt sie unter einem weißen Kopftuch. Zehn Paare sitzen in der großen Aula und warten, bis ihre Nummer auf einem Flat-Screen aufleuchtet.
In hohen Gold-Sandaletten stöckelt Florence am Arm ihres Verlobten auf und ab, blickt auf ein Brautpaar aus Ghana, das zum Festtag in bodenlange, bunte Gewänder gehüllt ist – und feixt zum Zeitvertreib noch ein bisschen mit Najib.
Florence: "Bist Du auch aufgeregt?"
Najib: "Ich bin ein bisschen nervös, ich weiß nicht, was ich muss sagen."
Florence: "Du sollst ´ja` sagen! Was soll das denn heißen? Was soll ich sagen? Ja!"
Najib: "Ja, ich will!"
Florence: "Hoffentlich."
Dann kommt der Moment, auf den das Paar aus Afghanistan seit langer Zeit wartet. Ihre Nummer blinkt auf dem Bildschirm, jetzt werden sie heiraten. Mit ein paar Verwandten und den beiden Trauzeugen laufen sie zügig in den Trauungssaal. Dort wartet schon, dezent geschminkt und im Kostüm, Standesbeamtin Bente Stenger mit feierlicher Miene hinter einem Pult – rechts und links davon brennen zwei große Kerzen. Man schließt die Türen, die Trauung beginnt.
Bente Steger: "Also, bitte aufstehen! Liebes Brautpaar. Der heutige Tag ist für euch ein Freudentag. Ehe die Trauung stattfindet, wünscht die Gemeindevertretung sie an der Bedeutung und Wichtigkeit des Gelöbnis zu erinnern, vor deren Ablegung einander gegenüber Sie jetzt stehen."
Najib ergreift nun die Hand von Florence, blickt sie von der Seite an.
Standesbeamtin: "Dann frage ich Sie, Najib ob Sie Florence als Gattin wünschen."
Najib: „Ja, ich will."
Standesbeamtin: "Ebenso frage ich Sie, Florence ob Sie Najib als Gatten wünschen.“
Florence: "Ja, ich will."
Standesbeamtin: "Nachdem Sie jetzt erklärt haben, einander heiraten zu wollen, verkünde ich Ihnen hierdurch, Ehegatten zu sein... Und jetzt kommt die Ring-Wechslung!"
Seit wenigen Minuten verheiratet
Während Najib seiner Florence den Ring überstreift, stehen Regine und Simon draußen vor der Tür – die Deutsche und der Engländer sind seit wenigen Minuten verheiratet. Freundin und Schwiegertochter knipsen ein paar Fotos vom frisch getrauten Paar, das vor dem flachen Rathaus-Neubau posiert. Alle freuen sich, fallen einander in die Arme.
Verwandte: "Komm her, lass Dich knuddeln!"
Simon: “Ja Du auch!"
Regine: "Ja mein Schatz, jetzt haben wir’s geschafft. Jetzt bin ich Deine Frau.
Simon: „Und ich Dein Alder! In Dänemark gesetzlich anerkannt als Ehepaar und in Deutschland, hat sie gesagt, ist es auch anerkannt – müssen nur den Namen ändern..."
Regine: "Es wird sich nichts ändern. Ne?"
Simon: "Wir bleiben wie von Anfang an, wie vor 13 Jahren."
Verwandte: "Dann feiern sie ihre goldene Hochzeit noch hier."
Regine: "Ja, vielleicht schaffen wir das ja noch."
Im Trauungs-Saal bei Najib und Florence ist der offizielle Teil der Zeremonie vorüber, nach nur 15 Minuten ist das verlobte Paar bereits Mann und Frau. Bente Steger erlaubt jetzt noch ein kurzes Zeitfenster für Emotionen.
Beamtin: "Und jetzt dürfen Sie die Braut küssen oder umarmen – was Sie wollen."
Najib: "Umarmen, küssen..."
Beamtin: "Und als Vertreter der Stadt hier in Tønder möchte ich gern zu Ihrer Eheschließung herzlich gratulieren. Und Ihnen beiden recht viel Glück wünschen."
Florence und Najib: "Dankeschön."
Gekonnt höflich komplimentiert die Standesbeamtin die fröhliche Hochzeitsgesellschaft aus Afghanistan nun hinaus, das Paar aus Ghana wartet schon vor der Tür auf den Vermählungs-Akt. Bente Steger schleust es gleich samt Gästen hinein, zieht die Tür hinter sich zu. Florence und Najib stehen nun wieder in der Aula, schauen sich an, scheinen ein bisschen verdattert, weil alles so problemlos und schnell ging – und sie nun tatsächlich ein echtes Ehepaar sind.
Florence: "Hallo hier! Freude zeigen! Juhuu schreien! Ich sag doch: Irgendwas stimmt nicht mit ihm."
Najib: "Nein, das geht nicht so... aber... ich bin sehr glücklich! I am the top of the world!"
Florence: "Nein, Scherz. Also wir sind total glücklich. Ja."
Ariane von Dewitz: "Noch im Zug nach Dänemark dachte ich – auweia: Solche Hochzeiten am Fließband, wie wahnsinnig unromantisch. Doch dann hab ich die netten Standesbeamtinnen von Tønder kennengelernt – und mit Hochzeits-Paaren über ihre Wünsche, Hoffnungen und auch Ängste gesprochen. Und war dann bei den Trauungen ehrlich gesagt gar nicht mehr so abgeklärt – sondern hatte plötzlich vor Rührung die eine oder andere Träne in den Augen."
Ariane von Dewitz
Ariane von Dewitz© privat
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