Bürgerbeteiligung

Wie funktioniert moderne Stadtplanung?

Hamburg: Stadtübersicht von der Hauptkirche Sankt Michaelis.
Hamburg: Stadtübersicht von der Hauptkirche Sankt Michaelis. © imago/xim.gs
Von Dorothea Heintze · 26.09.2016
Stadtplanung geht heute kaum mehr ohne die Betroffenen - alle wollen mitreden, alle wollen gehört werden. Doch wann mündet gut gemeinte Partizipation in kompletter Lähmung? Ein Besuch in Hamburg.
"Ja, also wir stehen hier vor dem Baufeld, und da hinten, was der See ist, ich glaub, das ist eine Ente, die da drauf schwimmt, da wird unser Haus stehen, das wir Ende 2018 beziehen werden. Wir sind eine Baugemeinschaft, und wir bestehen aus 80 Leuten, davon 30 Kinder."
An einem regnerischen Sommertag stehen Mirco Beth, Jan und Maris Roever vor einem großen Bauzaun der (Neuen)Mitte Altona – Hamburgs zweitem Großbauprojekt nach der HafenCity. Wo jetzt noch eine Ente schwimmt, soll später das Haus der Baugemeinschaft "Möwe.Altonah" stehen: mit Platz für Singles, Familien, Wohngemeinschaften und viele Kinder – so wie Maris, fünf Jahre alt:
"Wir haben einen größeren Innenhof, da kann ich ganz verschiedene Sachen bauen mit dem Lehm, einmal hab ich einen Teller gebaut mit einer Tonblume obendrauf."

Bunte Vielfalt ist politisch gewünscht

Während sich Maris auf den neuen Innenhof und viele Spielkameraden freut, erinnert sich Vater Jan Roever noch einmal an die Anfangszeit und die erste Idee zur Gründung der Baugemeinschaft:
"Wir wollten ja als Inklusionsprojekt unbegleitete Flüchtlinge nehmen, da haben sich Behörden innerstädtisch nicht einigen können, oder rechtzeitig für uns nicht einigen können. Baugemeinschaften nach uns, die können das jetzt machen, die können jetzt unbegleitete Flüchtlinge nehmen, da haben sich die Behörden geeinigt, wie man das finanziert."
Was die "Möwe.Altonah" hier erlebt hat, ist kein Einzelfall. In vielen deutschen Städten gehören Baugemeinschaften zu den Vorreitern, wenn es darum geht, innovative Lebens- und Wohnformen umzusetzen: Wohnen ohne Autos, Mehrgenerationenhäuser oder eben auch Zusammenleben mit unbegleiteten Flüchtlingskindern.
Was auf den ersten Blick aussehen mag wie die Durchsetzung von Partikularinteressen, ist tatsächlich nichts anderes als Stadtplanung. Denn die bunte Vielfalt gerade von neuen Stadtteilen ist politisch gewünscht. Das teure Loft neben der Sozialwohnung, der Sportverein gegenüber vom Stadtteilcafé. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Engagement gegen Bauplatz.

"Entscheidungen treffen, die man nicht überblickt"

In der Theorie hört sich das schön an - in der Realität ist es sehr viel komplizierter. Laien sitzen an einem Tisch mit Generalunternehmern und Architekten, ackern sich durch Aktenberge und Bauvorschriften. Für Profis ist das Alltag, für die meisten Baugruppenmitglieder der pure Stress.
"Baugemeinschaft bauen ist Überforderung, die nicht weggeht. Man macht ständig Sachen, wo man keine Ahnung von hat, auf Zeitdruck, wo man eine Entscheidung treffen muss, die man nicht überblickt."
Längst gibt es Firmen, sogenannte Projektentwickler, die sich auf die Betreuung von Baugemeinschaften spezialisiert haben. Auch die Möwe.Altonah hat ein Hamburger Unternehmen an der Seite. Doch die Idee von Baugemeinschaften ist es, möglichst günstig zu bauen. Und Profis sind teuer. Also spart man, wo es geht, und macht die Arbeit selbst, berichtet Mirco Beth:
"Es klappt bei uns sehr viel über Spezialisierung, also wir haben AGs gegründet, wir sind eigentlich alle hoch spezialisiert... und so die Kompetenzen zu verteilen, das ist natürlich ein guter Trick."
Fazit Nr. 1 - die Bewohner: Stadtplanung heute braucht engagierte Bürger, die sich für ihr Wohnquartier einsetzen. Doch diese Laien darf man nicht überfordern.

Was bleibt erhalten, was muss weichen?

Häufig sind es auch die Stadtpolitiker selbst, die neue Dinge ausprobieren:
"Ja, also hier sieht man noch ein altes Bauernhaus, was natürlich genau zwischen dem Kulturzentrum und der neu errichteten Einkaufsgalerie steht und man erahnt, wie der Maßstab der Stadt auch mal gewesen ist, und genau in diesem Konflikt bewegt man sich eigentlich auch in der Stadtentwicklung."
Doris Grondke ist Stadtbaurätin in Buchholz in der Nordheide, direkt vor den Toren Hamburgs. Fast 50.000 Menschen leben hier heute, seit Kriegsende ist die Bevölkerung um sagenhafte 500 Prozent gewachsen. Dementsprechend hat sich auch das Stadtbild gewandelt.
Sichtbar ist dies noch heute mitten im Zentrum von Buchholz, wo ein altes Bauernhaus aus Rotklinker mit kleinem Vorgarten und Gartenhecke steht – in direkter Nachbarschaft zum Einkaufszentrum mit gut 11.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und dem städtischen Kulturforum. Dorf oder Stadt? Was bleibt erhalten, was muss weichen? Für viele Buchholzer, ob Alt- oder Neubürger, eine existentielle Frage. Doris Grondke:
"Ich persönlich habe immer gesagt, als ich in Buchholz anfing, Buchholz ist in der Pubertät, weil das ist so, wie nicht entschieden, will man jetzt noch eher kleiner bleiben, klein und behütet, oder möchte man sich auch den Aufgaben der Zeit stellen?"

"Ich will ja mündige Bürger"

"Buchholzer Dialoge" nennt Doris Grondke eine von ihr ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe. Alle drei Monate lädt sie ins Kulturforum, es kommen Referenten aus Politik, Wissenschaft, Kirche oder Kultur. Wer darf, wer soll mitbestimmen? Was bedeutet Wachstum für die städtische Gesellschaft? Wie integriert eine Stadt ihre Neubürger? Auch mit Fehlern in der Stadtplanung geht Doris Grondke offensiv um.
So ärgerten sich viele Buchholzer und Buchholzerinnen, als vor einigen Jahren mitten im alten Stadtkern ein großer steinerner Platz entstand, fast ohne Bäume und Grün. Doris Grondke lud Bürger, Architekten und Planer zu einem Spaziergang ein, jeder musste sich für einen Rollenspiel den Hut des anderen aufsetzen und so die Sichtweise wechseln. Wichtig für die Stadtbaurätin ist immer: Wer den Dialog sucht, muss mit Gegenargumenten rechnen und diese akzeptieren:
"Ich will ja mündige Bürger. Ich will ja natürlich Bürger, die sich mit der Stadt auseinandersetzen, nichts anderes würde ich auch erwarten, dafür mache ich Bürgerbeteiligung. Es geht ja nicht darum, die Leute immer nur davon zu überzeugen, was man selber meint, was das richtige ist. Die Auseinandersetzung lebt natürlich davon, dass man vielleicht dann auch den Kompromiss findet. Und der Kompromiss ist mir allemal lieber, als wenn eine Partei versucht, sich irgendwie durchzusetzen."
Fazit Nr. 2 - die Stadtbaurätin: Der Wunsch nach Beteiligung kommt nicht nur von unten, von den Bewohnern, sondern auch von oben. Von engagierten und kreativ denkenden Stadtpolitikern. Doris Grondke hat vor ihrem Studium der Architektur und Stadtplanung einige Jahre als Intensivkrankenschwester gearbeitet – und hat vielleicht auch deshalb einen etwas anderen Blick auf das Leben in der Stadt als viele ihrer Kollegen.

Hamburg als Vorreiter bei Bürgerbeteiligung

"Wenn man sich anschaut, wie Stadtplaner ausgebildet wurden, dass der Fokus einfach sehr stark auf Planungaspekten lag, auf Recht, und auf Flächen, auf diesen klassischen Planungsfragen, und dass man im Grunde genommen so Sachen wie Kommunikation, soziale Struktur eines Stadtteils, auch kulturell, das sind alles Dinge, die man heute in der Stadtplanung lernen muss, und das wird auch immer mehr gemacht."
"Kultur der Metropole" lautet der Studiengang von Gesa Ziemer an der HafenCity Universität in Hamburg. Von ihrem Arbeitsplatz aus hat die Vizepräsidentin einen spektakulären Blick über die Elbe, die Schiffe und die neue HafenCity. Gerade im Zusammenhang mit diesem Stadtteil ist oft der Vorwurf zu hören, er sei fern der Bedürfnisse seiner zukünftigen Bewohner geplant worden.
Gesa Ziemer kann dem nicht zustimmen. Schließlich sei Hamburg ein Vorreiter, was die Bürgerbeteiligung angehe – wie ein Beispiel von der Reeperbahn in St. Pauli zeige:
"In Hamburg hat sich die Planbude gegründet, in Bezug auf die Essohäuser, da war es ja so, dass ein Investor eigentlich bereits ein Areal gekauft hatte, und die Menschen auf St. Pauli sich gewehrt haben. Sie sind vor Ort gewesen, sie haben ja wirklich die Bude aufgebaut, deshalb heißt die ja auch so, direkt am Areal der Essohäuser, und haben über extrem witzige und spielerische und letztendlich kreative Arten und Weisen sehr viele unterschiedliche Leute mit einbezogen, von Kleinkindern bis hin zu alten Menschen. Und das, glaube ich schon, hat sehr viele gute Vorschläge hervorgebracht. Und am Beispiel der Planbude kann man auch sehen, dass der Investor tatsächlich seine Pläne ändern musste."

Partizipation muss kreativ gestaltet werden

Die promovierte Philosophin und Kulturtheoretikerin stammt aus der Schweiz. Dort gehören Volksbefragungen zum politischen Alltag:
"Ich komme ja aus der Schweiz und deshalb bin ich sehr partizipationserfahren. Und natürlich erlebt man das immer wieder, dass über Dinge abgestimmt wird und man erschrickt sich über das Ergebnis. Und was man in der Schweiz zum Beispiel tut, dass man Dinge vorprüft, bei denen man schon von vorneherein weiß, die lassen sich rechtlich nicht durchsetzen, weil man dafür die Verfassung ändern muss – zum Beispiel. Dann kommen sie natürlich gar nicht erst zur Abstimmung."
Fazit Nr. 3 - die Wissenschaftlerin: Partizipation muss kreativ gestaltet werden und die Ergebnisse müssen von der Politik akzeptiert werden. Doch was, wenn es einfach zu viel Mitsprache gibt?
"Das ist wirklich eine spannende Frage, eine gesellschaftliche Frage, die Frage muss man sich tatsächlich stellen. Ob es irgendwann einfach so weit übertrieben wird, dass man sich selber lahmlegt. Trotz bester Absichten, die ich nie und auch keiner Institution absprechen würde. Aber dass man tatsächlich, weil man versucht, es allen recht zu machen, sich irgendwann tatsächlich selber lähmt."
Sönke Selk ist Vorstand der Baugenossenschaft Hamburger Wohnen: Er ist mitverantwortlich für über viereinhalbtausend Wohnungen, in denen weit mehr als 9.000 Menschen wohnen. Tag für Tag erreichen ihn Briefe und Wünsche der Bewohner, die mitentscheiden wollen, wenn beispielsweise im bestehenden Bestand nachverdichtet wird: Dachgeschossausbau oder neue Wohnungen neben alten. Partizipation liegt sozusagen in der DNA von Sönke Selk. Insofern verdient seine Stimme besonderes Gehör, wenn sie vor Auswüchsen warnt:
"Wir haben ein neues Baugebiet sozusagen, wie beispielsweise Mitte Altona, es können aber auch kleinere sein, es müssen nicht immer diese Riesenprojekte sein – auch da ist natürlich Beteiligung eine ganz, ganz wichtig Sache, dass man das Umfeld, dass man die Bewohner in irgendeiner Form in Entscheidungsprozesse auch mit einbezieht und auch erfragt, wo die Wünsche sind, wo die Bedürfnisse liegen. Und trotzdem glaube ich, das ist schwer und eine Patentlösung hab ich auch nicht, ich glaube aber trotzdem, dass ab einem gewissen Punkt es nicht weiter förderlich ist, wenn man diese Beteiligungsrunden zu weit aufbohrt, weil die Interessenlagen in unserer Gesellschaft einfach zu unterschiedlich sind."

Preiswerter Wohnraum ist Mangelware

Wohnungsnot gehört zu den größten Problemen deutscher Großstädte. Preiswerter Wohnraum ist überall Mangelware. Auch Sönke Selk spürt diesen Druck. Er soll bauen und bauen. Doch die Auflagen werden immer größer, die Prozesse komplexer, die Stimmen derer, die Gehör verlangen, lauter. Und so wünscht sich Sönke Selk an bestimmten Stellen ein Machtwort:
"Es gibt auch, so was wie, ja, wie gewählte Obrigkeit in Anführungszeichen. Und irgendwo gibt man das Thema dann auch ein Stück weit ab. Dafür haben wir, ja, eine demokratisch legitimierte Grundlage. Und übertragen irgendwann Entscheidungsgewalt einfach auch an nächste oder höhere Instanzen."
Fazit Nr. 4 - der Immobilienkaufmann und Bauherr: Beteiligung muss sein, aber sie hat auch ihre Grenze. Jörn Walter ist Oberbaudirektor in Hamburg, ein Amt mit großer Machtfülle, das es in dieser Form nur in wenigen anderen deutschen Städten gibt. Walter selbst relativiert das:
"Ich bin ein Faktor in diesem, und natürlich jetzt auch kein ganz schwacher, weil Hamburg da immer einen gewissen Wert drauf gelegt hat, dass die Rolle des Oberbaudirektors, auch was die gestalterischen Gesamtinteressen der Stadt anbetrifft, eine wichtige und bedeutende ist."
Oberbaudirektor in Hamburg zu sein, heißt auf eine lange Tradition zurückzublicken. Der Architekt und Stadtplaner Fritz Schumacher prägte Amt und Bild der Stadt Anfang des vorigen Jahrhunderts für alle seine Nachfolger – bis heute übrigens nur Männer. Jörn Walter erinnert sich fast etwas wehmütig an die Zeit, als ein Oberbaudirektor noch freier schalten und walten konnte.

Stadtplanung als öffentliche Angelegenheit

"Heute muss man überzeugen, man muss Mehrheiten gewinnen. Auch für seine Auffassungen, selbst wenn es eine persönliche ist und sie vielleicht nicht von allen geteilt wird, und man braucht Mehrheiten. Und die Aufgabe ist deswegen schon, in einem höheren Maße heute eben Überzeugungsarbeit zu leisten, und ich glaube, auch wenn man schon die letzten 100 Jahre wahrnimmt, und die zwanziger Jahre, und sie mit den 10ern in diesem Jahrhundert vergleicht. Schumacher, wenn ich da zurückdenke, musste auch, glaube ich, noch nicht mit so vielen Menschen reden, mit denen ich heute reden muss, um sie von irgendetwas zu überzeugen."
Stadtplanung, so betont Jörn Walter immer wieder, sei keine private, sondern eine öffentliche Angelegenheit. Stadt gehe alle an, und so begrüßt er Bürgerinitiativen und andere Formen der Partizipation ausdrücklich. Am Ende jedoch müsse einer die Fäden zusammenführen, entscheiden, und für diese Entscheidung die Verantwortung übernehmen:
"Das ist auch so, das ist auch die Rolle des Amtes, und dafür gönnt man sich das und dafür muss es auch Verantwortlichkeit geben, das ist streitbar, dafür muss man ringen und kämpfen und das tue ich auch und dafür steht man dann auch häufig in der Kritik, und natürlich auch immer in der Auseinandersetzung… Aber ich denke, es hat, wenn man es sich im Rückblick anschaut, der Stadt sehr geholfen, ein Bild zu wahren, das macht nämlich Hamburg auch schöner als andere Großstädte."

Droht der Ausverkauf der Stadt?

Und welche Rollen spielen Investoren? Privatisierung des öffentlichen Raumes? Was in Hamburg "Business Improvement District" heißt, nennt sich in Flensburg und Elmshorn "PACT": "Partnerschaft zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen". Komplizierte Begriffe für die Tatsache, dass gleich ganze Straßen und Plätze teilprivatisiert wurden und jetzt von anliegenden Geschäftsleuten verwaltet werden. Private Sicherheitsdienste verteilen Knöllchen und vertreiben Obdachlose, Einheitsarchitektur finanzstarker Investoren prägt das Bild. Droht der Ausverkauf der Stadt, der öffentlichen Plätze? Jörn Walter widerspricht:
"Ich denke, es gibt heute eigentlich, zumindest in Deutschland, nur kleinere Areale, die ich noch kenne, die von Investoren sozusagen mit starker Hand, weil sie auch Eigentümer sind, vorangetrieben werden. Und die Phase, die wir auch noch in den fünfziger, sechziger Jahren kannten, dass ganz große Quartiere sozusagen in einer Hand gewesen sind, die hat spätestens in den siebziger Jahren abgebrochen. Das ist in anderen Teilen der Welt anders heute. Das kann man ja auch sehen, aber in Deutschland gibt es das nicht mehr so."
Fazit Nr. 5 - der Oberbaudirektor: Die Politik nimmt ihre Gestaltungshoheit wahr und sorgt für ein abgestimmtes Stadtbild – auch gegenüber privaten Investoren.
Johann Hinrich Clausen hat da so seine Zweifel:
"Der öffentliche Raum ist Raum, an dem Gesellschaft stattfindet, wo unterschiedliche Milieus, unterschiedliche Menschen zusammenkommen und Ungeplantes passiert. Dieser öffentliche Raum wird enger oder er wird verplanter, er ist ja auch sehr wertvoll, er ist teuer, damit kann man auch sehr viel Geld verdienen."

"Architektur ist Macht, geballter Machtraum"

Johann Hinrich Clausen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Alle gesellschaftlichen Gruppen sollen an Stadtplanungsprozessen beteiligt sein – und dazu gehört auch die Kirche. Vor seiner Zeit als Kulturbeauftragter war Clausen Hauptpastor an der St. Nikolaikirche in Hamburg und hat sich schon damals regelmäßig eingemischt, wenn es um die Weiterentwicklung der Stadt ging:
"Das ist ein echtes eigenes stadtpolitisches Thema der Kirche, weil unsere Räume, unsere Orte, unsere Gebäude gerade in den schwachen Stadtteilen oft genug die letzten öffentlichen, nicht kommerziell genutzten Orte sind."
Clausen will nicht skandalisieren. Im weltweiten Vergleich, so betont er, stehen deutsche Städte sehr gut da. Mit Mauern abgegrenzte Luxusquartiere, sogenannte Gated Communities, sind immer noch seltene Ausnahmen. Doch damit das so bleibt, braucht es eine starke und selbstbewusste Öffentlichkeit, die sich wehrt, wenn öffentliche Räume privatisiert oder mit protzigen Neubauten zugepflastert werden. Der Denkmalschutz allein ist viel zu schwach.
"Also, Architektur ist Macht, geballter Machtraum, und gerade in den wirklich attraktiven Lagen in den Innenstädten sieht man eben auch, wie mit Macht gebaut wird, und wie der öffentliche Raum auch in Beschlag genommen wird. Das sendet Signale in die Gesellschaft hinein, und es sendet auch viele Signale sozusagen an Bevölkerungsschichten hinein, dass sie nicht dazugehören, und das wird sehr, sehr genau wahrgenommen: Das ist kein Ort für uns, hier haben wir nicht zu sein."
Fazit Nr. 6 - der Kirchenmann: Ein prachtvolles Stadtbild ist das eine – eine buntes und vielseitiges Stadtleben auch für sozial schwache Gruppen das andere. Hier muss die Politik noch viel klarer eingreifen und gestalten, als sie es jetzt tut.

"Es geht um den Lebensraum der Menschen hier"

Stadtplanung heute ist eigentlich Stadtentwicklung, mit all ihren Aspekten. Neue Formen der Partizipation werden ausprobiert und sind erfolgreich.
Wie weit diese Partizipation gehen soll, darüber wird gestritten – ein wichtiger und notwendiger Streit. Dafür müssen die vielen Beteiligten im Gespräch bleiben und sich gegenseitig anhören. Zum Abschluss noch einmal Sönke Selk von Hamburger Wohnen:
"Es kann nur ein Kompromiss sein bei den unterschiedlichen gesellschaftlichen Anforderungen, die an das Thema Wohnen und Stadtentwicklung und Stadtplanung gestellt werden. Dass man immer wieder an diesem Kompromiss arbeitet. Auf der einen Seite die Planungszeiträume und all die Institutionen, die man daran beteiligt, nicht zu lang werden zu lassen. Und nicht zu viel werden zu lassen. Aber auf der anderen Seite natürlich beteiligt. Es geht schließlich um den Lebensraum der Menschen hier, und das ist auch deren Recht irgendwie, ein Stück weit mit zu gestalten und zu bestimmen, wie das aussehen soll."
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