Bürger-Wünsche an künftige Regierung

Zum Mithören für Union, FDP und Grüne

Ein Parteimitarbeiterin arrangiert am 14.06.2017 in Kiel (Schleswig-Holstein), vor einer Pressekonferenz im Landeshaus den Aufsteller der FDP. Zu sehen sind die Aufsteller der Parteien CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP .
Was wünschen sich die Bürger von einer Koalition aus Union, FDP und Grünen? © picture alliance / dpa / Carsten Rehder
Von Vera Preiss, Almuth Knigge und Bastian Brandau · 02.10.2017
Eine Erkenntnis der Wahl: Die politische Landkarte Deutschlands ist bunter geworden. Jede Partei im Bundestag hat eigene regionale Hochburgen. Drei dieser realen "Filterblasen" haben wir besucht, um zu hören, was sich die Menschen dort erhoffen.
Die Grünen holen in Freiburg mit rund 21 Prozent ihr bestes Zweitstimmenergebnis. Die FDP freut sich in Düsseldorf über knapp 20 Prozent und die SPD erhält an der Nordseeküste in Aurich-Emden fast 38 Prozent der Stimmen. Die Republik ist vielfältig, die Wünsche der Wähler an die künftige Regierung auch.

35 Prozent Linkspartei im Ost-Berliner Wahlkreis

In der "Begegnungsstätte Warnitzer Straße" in Hohenschönhausen ist die Stimmung ähnlich wie im gesamten Wahlkreis Berlin-Lichtenberg, wo Gesine Lötzsch mit rund 35 Prozent erneut das Direktmandat holte.
Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch
Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch© dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Die Linkspartei ist beliebt, weil es ihr noch "um das Volk und nicht um die Reichen" gehe, meint die 76-jährige Christa. Sie hält das Anheben des Rentenalters für falsch und wünscht sich die Angleichung der Rente in Ost und West - "nicht erst 2025", außerdem eine Reichensteuer und, dass "alle" in die Kranken- und Rentenkasse einzahlen. Von den Grünen solle es Impulsve im Bereich Umweltschutz geben, weil hier vieles "im Argen" liege.
Der 67-jährige Wolfgang nennt sich selbst "Armutsrentner". Er war selbstständig, ging 1995 pleite und muss heute von 690 Euro Rente leben. Hartz IV hält er für "statistischen Betrug".
Luzi wird 73 und hofft, dass die Miete für die gemeinsame Wohnung mit ihrem Mann weiterhin erträglich bleibt. Und Detlef, 69, Schauwerbegestalter, hat eine Rente von 650 Euro, die mit Grundsicherung ergänzt wird, damit er "existieren" kann. "Das belastet ungemein." Er wünscht sich eine höhere Grundrente für jeden.

53 Prozent CDU in Cloppenburg-Vechta dank Landfrauen

Im ländlichen Niedersachsen hat die CDU viele Anhänger. Im Wahlkreis Cloppenburg–Vechta gaben ihr 53 Prozent der Wähler ihre Zweitstimme. Das beste Ergebnis bundesweit, was auch den Bakumer Landfrauen zu verdanken ist. In ihrer Gemeinde holte die CDU gleich 65 Prozent der Zweitstimmen.
"Uns geht es doch gut hier", ist beim Herbstkränze basteln zu hören. Ein gewisser Wohlstand, gute Infrastruktur, starker Zusammenhalt - mehr als 40 Vereine alleine in Bakum, da brauchen die Landfrauen keine Veränderungen oder Protest. Sie tauschen alte Rezepte aus, Flüchtlinge gebe es, die sollten arbeiten dürfen, sonst kämen junge Männer auf dumme Gedanken. Mit Angela Merkel seien wir sehr gut bediehnt, "wenn man sich so in der Welt umhöre".
Zu beklagen gibt es aber auch etwas: Zu viel Unterrichtsausfall an Schulen, langsames Internet, zu viele Auflagen für die Landwirtschaft und zu wenig Personal in Krankenhäusern und Altenheimen. Und Ausbeutung von osteuropäischen Arbeitern in den Schlachthöfen, "das ist schlimm".

33 Prozent AfD in Görlitz und nun?

Im Wahlkreis Görlitz im Osten Sachsens hat die AfD mit rund 51.000 Zweitstimmen 32,9 Prozent erreicht. In der kleinen Gemeinde Oppach waren es 46 Prozent.
Ein Besuch vor Ort zeigt: Viele sind unzufrieden, wünschen sich mehr "soziale Gerechtigkeit gegenüber den kleinen Leuten", "endlich schnelles Internet", "das Bildungsniveau müsse wieder steigen", der Lehrermangel bekämpft werden, die Arbeitslosigkeit liege noch immer bei neun Prozent, Jobs seien schlecht bezahlt, auch Renter müssten Sozialhilfe beantragen.
Und es gebe den Eindruck, dass geflüchtete Menschen "hoch bezuschusst" werden "ohne genaue Prüfung" und beim "einfachen Mensch, der seine Arbeit verloren hat, alles zehnfach geprüft" werde. Das sei nicht in Ordnung. Wobei es in Oppach keine Geflüchteten gibt. Im gesamten Landkreis Görlitz mit seinen 250.000 Einwohnern leben rund 1300 Asylsuchende.
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