Buchmesse-Splitter #fbm15

Buchhelden auf der Frühstücksdose

Jugendliche finden auf der Frankfurter Buchmesse genügend Lesestoff.
Jugendliche finden auf der Frankfurter Buchmesse genügend Lesestoff. © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Kim Kindermann · 17.10.2015
Das Angebot an Jugendliteratur ist fast schon erdrückend: 9000 Erstauflagen werben dieses Jahr um die Gunst der jungen Leserinnen und Leser. Nicht alle Verlage können dem Vermarkungswahn widerstehen.
Das ist der Wahnsinn, die Kinder- und Jugendbuchhalle platzt aus allen Nähten. "Masse statt Klasse", hat schon ein Fachblatt geunkt. 9000 Erstauflagen werben dieses Jahr um die Gunst der jungen Leserinnen und Leser und ich mittendrin: neugierig, auf der Suche nach Neuem. Doch nach dem ersten Rundgang bin ich enttäuscht, kenn ich doch alles schon, irgendwie: Star Wars, Bibi und Tina, der Grüffelo geben sich ein Stelldichein. Und das ist seit Jahren so.
Schade, ich erinnere mich noch, als Alex Scheffler vor Jahren zum Interview zu mir nach Hause kam, weil ich als junge Mutter keine andere Möglichkeit hatte, das Kind zu betreuen. Da saß dieser überaus sympathische Mann auf meinem roten Sofa, erzählte mitreißend von seiner Geschichte und der kleinen, schlauen Maus, die den fiesen Grüffelo austrickst. Kinderbuchkult ist das heute. Bei der Frage, ob er seine Maus und den Grüffelo zur Vermarktung freigeben würde, schüttelte er erschrocken den Kopf. Nee, auf Frühstücksdosen sein Monster, seine Maus? Geht gar nicht!
Geht aber doch. Die Messe zeigt's. Und so verkommt ein geniales Kinderbuch zum Mainstream.
Ein Verlag, der dem Vermarktungswahn widersteht
Gut, dass es da so Verlage wie den Moritz Verlag gibt. Der rettet mich jedes Jahr auf Neue, wenn mich die Masse zu erschlagen droht. Der Moritz Verlag also, mein Messeretter, hat nicht nur tolle Bücher, sondern auch ein Urgestein von Verleger, der so begeistert von seinem eigenem Programm ist, dass er einem die Bücher immer selber vorliest. Fabelhaft. Beste Unterhaltung auch dieses Mal. Ich bin verzückt. Nicht zuletzt weil man hier trotz vieler Preise und Auszeichnungen dem Vermarktungswahn widerstanden hat.
Dieses Jahr sind es übrigens die Ausmalbücher, denen man kaum entkommen kann. Zugebenermaßen wunderschön gestaltet Bücher, denen Kinder Farbe einhauchen sollen. Viele eigentlich zu schön dafür. Aber seit die Hochschule der Medien in Stuttgart herausgefunden hat, dass 75 Prozent der Spontankäufe durch das Aussehen eines Buches beeinflusst werden, wundert es nicht. Das passt. Auch dazu, dass das schön illustrierte Buch fast zur eigenen Sparte geworden ist.
Was, wenn der Favorit den Jugendliteraturpreis gewinnt?
Und da kommt mein diesjähriger Favorit für den Jugendliteraturpreis ins Spiel: "Lindbergh" von Torben Kuhlmann. Held der Geschichte: eine Maus. Wieder eine kluge, blitzgescheite. Diesmal eine, die ein Flugzeug baut, um auszuwandern. Genial detailreich illustriert, in braun- grauen Tönen gehalten, ist diese Mischung aus Mutmach-Geschichte und Techniksachbuch ein echtes Highlight aus dem letzten Jahr. Klarer Fall: Ich drücke Torben Kuhlmann auch schon deshalb die Daumen, weil das Buch seine Studienabschlussarbeit ist, an der er zwei Jahre gearbeitet hat. Und das merkt man diesem tollen Buch Seite für Seite an.
Was aber, wenn er tatsächlich gewinnt? Wird mich dann die nächsten Messejahre eine riesige Maus auf Flugzeugen sitzend verfolgen? Hoffentlich nicht. Aber wer weiß? Vielleicht sollte ich das Daumen drücken sein lassen und lieber ganz objektiv, profimäßig heute Abend zur Verleihung gehen. Halt so ganz die coole Redakteurin sein. Jawohl, mach ich. Aber ehrlich: Das geht nicht. Ohne Herzblut hält so eine Messe keiner aus. Dann lieber fliegende Mäuse.
P.S. Der Jugendliteraturpreis ging in der Kategorie Bilderbuch an "Herr Schnuffels". Das ist ein Kater und die fressen ja bekanntlich Mäuse. Glück gehabt!
Mehr zum Thema