Buch über Medikamentenhersteller

Pharma-Firmen haben kaum Skrupel

Pillenbehälter von Sonntag bis Samstag.
Viele Pillen wirken nicht besser oder schlechter als Placebos. © imago
Von Christian Rabhansl · 25.07.2015
Seit die Pharmahersteller in den USA die klinischen Studien zu ihren Produkten offenlegen müssen, wird deutlich, dass viele Medikamente wirkungslos sind. Mikkel Borch-Jacobsens Buch "Big Pharma" beschreibt, wie wenig in dem Millionengeschäft ethische Bedenken zählen.
Antidepressiva wirken, keine Frage. Und zwar meist genauso gut wie – Placebos. Diese ernüchternde Erkenntnis macht sich breit, seitdem in den USA die Hersteller alle ihre klinischen Studien offenlegen müssen – und nicht nur jene Studien, die der Marketing-Abteilung passen. Seither zeigen unabhängige Überblicksstudien die relative Wirkungslosigkeit vieler Medikamente, die trotzdem massenhaft verschrieben und verkauft werden.
Mikkel Borch-Jacobsen, Professor an der University of Washington in Seattle, hat ein Buch voll drastischer Vorwürfe an die Gesundheits-Industrie herausgegeben. Titel: "Big Pharma. Wie profitgierige Unternehmen unsere Gesundheit aufs Spiel setzen."
Hersteller verschweigen Suizide
Zum Beispiel belegten Studien, dass sich immer wieder Menschen töten, nachdem sie das berühmt-berüchtigte Prozac genommen haben - deutscher Handelsname Fluctin. Doch solche Studienergebnisse verschweigen Hersteller allzu gerne.
"Big Pharma" von Mikkel Borch-Jacobsen (Buchcover)
"Big Pharma" von Mikkel Borch-Jacobsen (Buchcover)© Piper Verlag
Auf knapp 500 Seiten hat Borch-Jacobsen zwölf internationale Co-Autoren versammelt, Wissenschaftler, Pharma-Experten, Journalisten. Ein Kapitel widmen sich auch deutschen und österreichischen Ärzten: Wie groß sind deren Skrupel, erkennbar zweifelhafte Studien durchzuführen? Das Ergebnis: sehr gering, wenn nur das Geld stimmt.
Ohnehin scheinen ethische Bedenken beim Geschäft mit der Gesundheit vor allem zu stören: Wenn etwa ein gefährlicher Appetit-Zügler in Frankreich weit mehr als 1000 Menschen tötet, wenn ein Neuroleptikum gezielt für Kinder beworben wird, obwohl es sie schwer schädigt, wenn womöglich ganze Krankheiten erst definiert und erfunden werden, um Millionengeschäfte zu ermöglichen.
"Das Leben ist keine Krankheit"
Dies ist ein klares, hartes Buch mit durchaus streitbaren Standpunkten.
Beispiel Alzheimer. Dies sei keine singuläre Krankheit, sagen die Autoren, sondern eine Sammlung von Symptomen und Alterserscheinungen. Sie schreiben: "Wer würde den Niedergang im hohen Alter nicht fürchten? Doch ist das ein Grund, darin eine Krankheit zu sehen, als könnten wir diesem Zustand mit einer kleinen Pille abhelfen? Das Leben ist keine Krankheit."

Mikkel Borch-Jacobsen: Big Pharma
Wie profitgierige Unternehmen unsere Gesundheit aufs Spiel setzen
Piper Verlag, München/Berlin 2015
480 Seiten, Hardcover: 24,99 Euro, Ebook: 16,99 Euro

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