Bsirske und die Braunkohle

Basis fordert grünere Perspektiven

Verdi-Chef Frank Bsirske bei einer Kundgebung in Potsdam am 13.03.2014
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi: Frank Bsirske © picture alliance / dpa / Bernd Settnik
Von Susanne Arlt  · 08.06.2015
Verdi-Chef Frank Bsirske hat zwar ein grünes Parteibuch, ist aber auch stellvertretender Aufsichtsratschef beim Energiekonzern RWE. Vor wenigen Wochen nun drohte er mit Protesten gegen die geplante Sonderabgabe auf Kohlekraftwerke. Doch viele junge Gewerkschaftler wollen diese "Kohle-Politik" nicht mittragen und sammeln Unterschriften im Internet.
Hendrik Huyskens klappt seinen Laptop auf. Obwohl der 29-Jährige gerade in Elternzeit ist, klickt er sich in fast jeder freien Minute ins Netz.
"Wo haben wir es, hier ist es ... ja genau, bei 11.207 Unterschriften sind wir jetzt ..."
Nicht schlecht. Innerhalb von sieben Wochen sind mehr als 11.000 Menschen seinem Aufruf gefolgt. Der vorerst letzte, Rainer S. vor gerade mal einer Stunde.
Als Verdimitglieder fühlen sie alle sich nicht mehr vertreten von ihrer Gewerkschaft. Denn ihr Vorsitzender, Frank Bsirske, wettert seit Wochen gegen die geplante
Klimaabgabe auf Braunkohlekraftwerke. Damit Deutschland sein Klimaschutzziel erreicht, möchte Wirtschaftsminister Gabriel vor allem alte Braunkohlekraftwerke mit einer Sonderabgabe belangen. ver.di-Chef Bsirkse ist strikt dagegen und mobilisiert seitdem zu Gegendemos.
"Das hat mich erst mal so ein bisschen schockiert."
Verdi-Mitglied Hendrik Huyskens setzt deshalb zum Gegenangriff und startet seine Petition im Internet.
"Trommeln gegen den Kohleausstieg? Das ist nicht mein ver.di ... die Petition, die Unterschriften sollen an den ver.di-Chef Frank Bsirkse gehen."
Als Frank Bsirkse 2001 zum ver.di-Vorsitzenden gewählt wurde, stellte er schon damals klar, dass aus ihm nie der klassische Arbeiterführer werden würde. Nein, ihm schwebte eine neue Form der Gewerkschaftsarbeit vor. Mehr Greenpeace als Streikmacht, beschrieb er seinen Stil in der "Süddeutschen Zeitung". Mit seiner Wahl rückte zudem erstmals ein grünes Parteimitglied an die Spitze einer Einzelgewerkschaft und somit in das Machtzentrum des Deutschen
Gewerkschaftsbundes. Den Skeptikern sagte Frank Bsirkse vor seiner Wahl.
"Das Parteibuch, das wissen wir doch nun wirklich seit jahrzehntelangen eigenen Erfahrungen, sagt zunächst mal wenig darüber aus, ob derjenige oder diejenige eine Meise hat oder nicht."
Was damals kokett gemeint war, klingt jetzt für viele Verdi-Mitglieder wie eine böse Prophezeiung. Über Gabriels-Sonderabgabe auf alte Kohlekraftwerke sagt nämlich Grünen-Mitglied und ver.di-Chef Bsirkse: Bis zu 100.000 Arbeitsplätze könnten in den Revieren verloren gehen. Ein tiefgehender Strukturbruch sei die Folge. Hendrik Huyskens sieht das anders.
"So viele Punkte sprechen gegen die Kohle. Die Arbeitsplätze, ja klar, die muss man auch beleuchten. Ich habe immer die Angst, dass ich da unsolidarisch klinge, aber andersherum gefragt ist natürlich die Sache, was mit diesen Arbeitsplätzen in näherer Zukunft passiert? Irgendwann soll ja die Energiewende umgesetzt werden, dann spätestens müssen die Kohlewerke ja dicht gemacht werden und spätestens dann stehen die Betroffenen dann vor der Entscheidung. Also ich habe quasi das Gefühl, dass sie jetzt schon im Stich gelassen werden, weil keine Umstrukturierungsmaßnahmen für die Betroffenen stattfinden."
Seit vierzehn Jahren unangefochten Vorsitzender
Jetzt also: Hendrik Huyskens versus Frank Bsirkse. Klingt irgendwie wie David gegen Goliath. Huyskens ist seit einem Jahr Mitglied bei ver.di. Bsirske seit vierzehn Jahren unangefochten Vorsitzender der größten Einzelgewerkschaft der Welt, mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern im Rücken.
"12.000 Unterschriften, das ist jetzt so gegen die Anzahl der ver.di-Mitglieder noch nicht so das Ding."
gibt Hendrik Huyskens offen zu. Trotzdem sieht sich der 29-jährige durch seine Petition nicht geschwächt, sondern gestärkt. Was wohl an den Kommentaren liegt,
die viele Verdi-Mitglieder im Netz hinterlassen.
"Ich bin seit 40 Jahren loyales, treues Mitglied von Verdi. Es ist das erste Mal in diesem besonderen Fall, Frank Bsirske zu wiedersprechen. Da gibt es einige: Ich bin seit 42 Jahren ver.di-Mitglied, ich bin seit 50 Jahren ver.di-Mitglied, also da sind wirklich Leute, die jetzt quasi von diesem Kurs enttäuscht sind."
Torsten W. bringt es auf den Punkt. Zitatanfang: Die Beschäftigten der Erneuerbaren brauchen eine starke Gewerkschaft, um auch dort endlich gute Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Kohlbeschäftigten brauchen eine schlaue Gewerkschaft, die jetzt für Konversion streitet und dafür die Energiekonzerne mit ihren jahrzehntelangen Gewinnen in Haftung nimmt. Und alle brauchen eine Gewerkschaft, die sich nicht von RWE und Co. vor den Karren spannen lässt. Zitatende.
Hendrik Huyskens findet das auch. Viele Kommentatoren sähen es kritisch, dass Gewerkschaftschef Bsirkse als Arbeitnehmervertreter auch stellvertretender Aufsichtsratschef beim Energiekonzern RWE sei. Sie sprechen von einem Geschmäckle. So weit will Hendrik Huyskens nicht gehen, aber diese Verbindung lasse Fragen offen, sagt er. Nach außen hin wünscht er sich einen starken Gewerkschaftschef, nach innen einen Vorsitzenden, der mehr Kommunikation und Diskussion zulässt. Darum hat er seine Petition ins Netz gestellt.
"Wenn man die jetzt noch einmal ver.di-intern stellen würde, dann wäre die Resonanz dann vielleicht auch dementsprechend höher. Wäre doch mal ne Maßnahme. Dass es auch intern mehr diskutiert wird, also unter den Verdi-Mitgliedern."
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