"Brüderle gehört zur Kernmarke der FDP"

Lars Friedrich Lindemann im Gespräch mit Nana Brink · 10.05.2011
Der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Friedrich Lindemann hält es für richtig und wichtig, dass Bundeswirtschaftsminister Brüderle weiter eine Rolle bei den Liberalen spielt. Zu einer Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz werde es nicht kommen.
Nana Brink: Die Personaldebatten bei der FDP nehmen kein Ende, eher im Gegenteil. In den Tagen vor dem Parteitag – der beginnt ja am Freitag dieser Woche in Rostock – ringt die FDP um ihre personelle Aufstellung. Immerhin wurde gestern klar, Wirtschaftsminister Brüderle bewirbt sich um den Fraktionsvorsitz, der soll ja heute neu gewählt werden, und der designierte Parteichef Rösler soll ihm dann im Wirtschaftsministerium nachfolgen.

Bis zur Stunde wissen wir aber noch nicht, ob die amtierende Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger ungeachtet ihres knappen Abschneidens bei der Wahl zur Parteivorsitzenden in Baden-Württemberg auch wieder antreten wird. Anscheinend wird hinter den Kulissen heftig um einen Ausgleichsposten für sie geschachert, anders kann man das wohl nicht mehr nennen, was da gerade bei der FDP passiert. Und am Telefon ist jetzt der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Friedrich Lindemann, einen schönen guten Morgen, Herr Lindemann!

Lars Friedrich Lindemann: Schönen guten Morgen!

Brink: Wer führt die Fraktion heute Abend?

Lindemann: Wir werden heute Abend einen Fraktionsvorsitzenden oder eine Fraktionsvorsitzende haben, die die Fraktion dann bis zum Ende der Legislatur führen wird. Diese Frage zielt ja darauf, dass ich Ihnen jetzt schon sagen kann, ob Birgit Homburger wieder antreten wird und dann auch gewählt wird …

Brink: … und das können Sie nicht sagen?

Lindemann: Nein, im Moment ist ja genau das, was Sie im Vorspann gesagt haben, richtig: Rainer Brüderle hat sich bereit erklärt, für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, aber es steht eben noch nicht fest, ob er das wirklich tun wird, weil das eben davon abhängt, ob Birgit Homburger wieder antritt. Und das ist noch nicht entschieden.

Brink: Kommt es dann zu einer Kampfkandidatur, halten Sie das für möglich?

Lindemann: Davon gehe ich nicht aus.

Brink: Das heißt, Sie tagen eigentlich seit Tagen in der FDP-Fraktion – gestern gab es eine Klausurtagung, – was passiert denn da?

Lindemann: Also, wir werden heute einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende wählen, das steht auf der Tagesordnung. Aber es ist eben auch die Zuständigkeit und auch das Recht von Philipp Rösler, im Vorfeld das zu machen, was er für sich reklamiert hat und wozu ihn die Fraktion ja auch aufgefordert hat. Er soll sein Personaltableau benennen und das geht nun mal nur so, dass man eben auch Gespräche im Hintergrund führt, auch, wenn das der Allgemeinheit so manchmal nicht gefällt.

Brink: Und wie fühlen Sie sich dann als Abgeordneter in der Fraktion, geht das über Ihren Kopf hinweg?

Lindemann: Also, ich muss Ihnen erst mal sagen, ich bin gestern 40 Jahre alt geworden, habe drei gesunde Kinder …

Brink: … herzlichen Glückwunsch …

Lindemann: … und persönlich fühle ich mich sehr, sehr wohl mit meinem Mandat und auch sonst auf dieser Welt. Dass das nicht einfach ist, die Situation, in der wir im Moment stehen, das ist völlig klar, die Partei steht unter einem enormen Zeit- und Erfolgsdruck, und wir wollen natürlich sehen, dass die Personaldebatte dann auch endgültig beendet ist mit dem Parteitag in Rostock. Und dann muss man eben auch diese Dinge im Vorfeld aushalten.

Brink: Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Sie sich wohlfühlen, weil Sie doch an diesem Prozess eigentlich gar nicht beteiligt sind?

Lindemann: An dem Prozess der Absprachen bin ich so natürlich nicht beteiligt, das habe ich schon gesagt, das hat Philipp Rösler im Wesentlichen mit den großen Landesverbänden der Partei zu besprechen. Dennoch ist es so, dass man natürlich nicht ganz unbeteiligt ist, weil all die Gespräche ja immer Außenwirkung haben und man auch zu Dingen befragt wird, und das nimmt einen dann schon mit. Ich habe ja gerade schon gesagt, der Erfolgsdruck und auch der Zeitdruck, der wirkt auf jeden in dieser Fraktion, und der Wille ist schon da, dass wir am Ende ein Ergebnis haben wollen, mit dem wir dann arbeiten können.

Brink: Warum denn diese eilige Neuwahl des Fraktionsvorsitzes, für die man sogar die Geschäftsordnung außer Acht lässt, die ja einen vierwöchigen Vorlauf sieht?

Lindemann: Also ich habe ja schon gesagt, wir empfinden natürlich im Moment schon alle gemeinsam das Bedürfnis, dass wir jetzt zu einem Ende kommen müssen. Ich glaube nicht, dass man hätte abwarten können bis in den Herbst, wo ja regulär Neuwahlen des Fraktionsvorstandes dran gewesen wären. Das hat Birgit Homburger auch so mit entschieden und das finde ich zunächst erst mal eine sehr mutige Entscheidung von ihr, zu sagen, ich verkürze für mich selbst, aber eben auch für den gesamten Fraktionsvorstand die Legislatur. Damit stellen sich alle Beteiligten ja einem neuen Votum ihres Gremiums, und das, denke ich, wäre auch notwendig, dass alle anderen, die nach dem Parteitag, also ab Montag, Verantwortung in dieser Fraktion und auch in der Bundesregierung übernehmen wollen, sich einem solchen Votum stellen.

Brink: Darf ich Ihnen mal ein Zitat von Ihnen vorlesen zum Thema Erneuerung Ihrer Partei: "Das Wichtigste ist, dass wir unsere Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, eine klare Haltung haben und Rückgrat zeigen." – Haben Sie den Eindruck, dass das gerade in der Fraktion passiert?

Lindemann: Also wenn das Rückgrat nicht mehr ganz gerade war und man macht es dann wieder gerade, das kennen wir ja alle, das tut ein bisschen weh. Und den Prozess durchlaufen wir gerade. Ich denke schon, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind, und ich gehöre auch zu denen, die daran glauben, dass wir das am Wochenende zu Ende bringen.

Brink: Also ist dann doch die richtige Wahl Rainer Brüderle?

Lindemann: Also meine ganz persönliche Entscheidung treffe ich nachher in der Fraktion. Das hängt auch davon ab, wenn ein neuer Fraktionsvorsitzender gewählt wird, wird er einige Dinge dazu sagen, die er sich vorstellt, die Fraktion strategisch aufzustellen, und wie seine Vorstellungen aussehen, wie wir da wieder hinkommen, was Sie mir gerade auch vorgelesen haben, was ich selbst schon gesagt habe. Das ist für mich essenziell.

Brink: Also kann er für Glaubwürdigkeit stehen, für neue, obwohl er zu den Alten gehört?

Lindemann: Also Rainer Brüderle gehört mit dem, was er an Politik in den letzten Monaten vertreten hat, zur Kernmarke der FDP. Ich denke schon, dass es richtig und wichtig ist, dass Rainer Brüderle eine Rolle spielt, und man kann von ihm nicht sagen, dass er nicht auch für Aufbruch stehen kann.

Brink: Sie sind Schatzmeister Ihrer Partei in Berlin. Da wird im September gewählt, und die FDP liegt bei zwei Prozent. Was erzählen Sie denn Ihren Leuten momentan da an der Basis?

Lindemann: An der Basis werden die gleichen Dinge besprochen, wie wir sie jetzt auch auf der Bundesebene besprechen. Es geht darum, dass wir uns als Partei entscheiden müssen, wie wir uns aufstellen wollen, und dazu gehört für mich zunächst erst einmal nicht, dass wir uns neue Inhalte suchen müssen. Wir sind im Jahr 2009 auf Bundesebene mit einem sehr überzeugenden Ergebnis gewählt worden, da standen Themen im Vordergrund, die sind allseits bekannt. Wir waren nur nicht so erfolgreich, bei den Dingen dann auch wirklich zu liefern auf Bundesebene, und das ist nachzuholen. Und das ist auch das, was die Basis interessiert. Die Basis interessiert nicht so sehr, wer der zweite Stellvertreter in der Fraktion auf Bundesebene ist, sondern die wollen sehen, dass wir bei den Themen, für die sich die Basis auch an den Wahlkampfstand gestellt hat, auf Bundesebene erfolgreich sind.

Brink: Aber die wollen doch eigentlich auch, dass es um Inhalte geht, und nicht nur um Personen. Und momentan geht es doch nur noch um Personen?

Lindemann: Ja, gut, aber das ist nun mal die Voraussetzung. Wenn Sie an der Spitze jemanden haben wollen, der dann auch wieder dafür steht, dass Sie diese Dinge austragen müssen. Ich weiß, dass das für Sie sehr interessant ist, genau zu wissen, warum, weshalb, weswegen, wer und wann, aber die Dinge müssen eben ausgetragen werden.

Brink: Der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Friedrich Lindemann, und heute wird ein neuer FDP-Fraktionsvorsitzender oder eine Fraktionsvorsitzende gewählt. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Lindemann!

Lindemann: Gerne!
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