Britische Untersuchung

Risiken und Nebenwirkungen führerloser Autos

Das kleine graue zweisitzige Auto steht auf einer Straße. Auf dem Dach sind Kameras montiert.
Ein Versuchs-Auto von Google fährt ohne Fahrer © Google / dpa
Von Dirk Asendorpf · 09.07.2015
Schon heute bewegen sich Autos selbstständig durch Staus. In den nächsten Jahrzehnten werden sie weitaus mehr alleine können. Ob das für die Passagiere wirklich Vorteile bringt, untersucht ein großes britisches Forschungsprogramm. Es ist bereits auf überraschende Effekte gestoßen.
Schon heute bewegen sich Autos selbstständig durch Staus. Bald werden sie sich alleine einen Parkplatz suchen und lange Strecken auf der Autobahn ohne Zutun des Fahrers zurücklegen. In den nächsten Jahrzehnten wird die Automatisierung den Straßenverkehr gründlich verändern. Das wird Vorteile mit sich bringen – und neue Gefahren. Welche das sind, untersucht ein großes britisches Forschungsprogramm schon heute.
Ich steige in einen blauen Honda Civic. Der Fahrersitz ist auf der rechten Seite, und das Auto parkt am linken Straßenrand. Kein Wunder, ich bin ja schließlich in England.
Durch die Windschutzscheibe sehe ich eine Küstenlandschaft, die Straße schlängelt sich am Ufer entlang. Ich gebe Gas, sanft legt sich das Auto in die Kurve und holpert über ein Schlagloch. Doch das ist eine Illusion. Der Honda ist zwar echt, die Landschaft außenrum aber eine ziemlich perfekte Videoprojektion. Das Auto steht in einer Halle des Transport and Research Council in Wokingham, dem britischen Pendant des Bundesamts für Straßenwesen.
Für das Geruckel sorgen Vibratoren unter den Reifen. Neben mir sitzt der Psychologe Nick Reed. Er leitet ein Forschungsprojekt, das mit dem Simulator erkundet, wie selbstfahrende Autos den Straßenverkehr verändern werden.
Mit einem Tipp auf seinen Tablet-Computer hat Nick Reed die Selbststeuerung angestellt. Das Lenkrad vor mir bewegt sich jetzt von alleine, am Ende der Kurve gibt die Automatik ordentlich Gas – obwohl ich meinen Fuß vom Pedal genommen habe.
"Wir untersuchen zum Beispiel, welchen Fahrstil die Leute akzeptieren, welche Geschwindigkeit, welchen Grad an Beschleunigung und Bremsen. Es könnte nämlich sein, dass rasante Manöver, die vom System kommen, auf geringere Akzeptanz stoßen, als wenn der Fahrer sie selber ausgeführt hätte."
Plötzlich einsetzender Schneefall könnte die Technik überfordern
Der Psychologe Graham Parkhurst geht der Frage nach, was die Autofahrer eigentlich tun werden, wenn Steuer, Gaspedal und Bremse künftig vom Computer bedient werden.
"Kann die Fahrzeit produktiv genutzt werden, wenn der Fahrer nicht mehr fahren muss? Das ist wohl eine der ökonomischen Schlüsselfragen. Wird der Fahrer seine Aufmerksamkeit wirklich von der Straße abwenden? Schon heute gibt es ja Beifahrer, die sich wie Co-Piloten benehmen und jede Bewegung des Fahrers beobachten. Andere entspannen sich, hören Musik oder lesen ein Buch – solange ihnen dabei nicht übel wird. Auch das ist wichtig: Kann die autonome Steuerung so eingestellt werden, dass eine Fahrt im Auto so sanft wird wie im Zug?"
Am Armaturenbrett und auf der Innenseite des Rückspiegels ist das Simulator-Auto mit kleinen Videokameras bestückt. Sie zeichnen meine Augenbewegungen auf. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den Grad meiner Aufmerksamkeit ziehen. Im ersten Moment ist es aufregend von Geisterhand gefahren zu werden, doch auf Dauer macht es womöglich schläfrig.
Das könnte äußerst gefährlich werden, wenn das automatische System in eine Verkehrssituation geriete, die die Technik überfordert. Das könnte zum Beispiel plötzlich einsetzender Schneefall sein, der Seitenlinien und Verkehrschilder verdeckt.
"Wir können uns hier den Grad der Wachsamkeit auf verschiedenen Stufen der Automatisierung ansehen und haben festgestellt: Wenn man das Fahren weniger anspruchsvoll macht, dann wird der Mensch hinter dem Steuer irgendwann unaufmerksam."
Rechtzeitig über die gesellschaftlichen Konsequenzen nachdenken
Das Team um Nick Reed hat auch schon untersucht, was mit menschlichen Fahrern passiert, wenn sie automatisch gesteuerten Autos auf der Straße begegnen. Dabei sind die Forscher auf einen überraschenden Nachahm-Effekt gestoßen.
"Die Leute fuhren selber enger auf, wenn sie eine Kette dicht hintereinander herfahrender automatischer Fahrzeuge sahen. Sie haben also ihr eigenes Risiko erhöht. Das ist ein interessanter Nebeneffekt selbstfahrender Autos, den niemand vorhergesehen hat."
Am Ende der Fahrt im Simulator ist mir zwar etwas mulmig. Doch das Auto ist auch ohne mein Zutun unfallfrei ans Ziel gekommen. Auf echten Straßen gibt es so etwas heute noch nicht. Doch das wird sich ändern. Davon sind die britischen Forscher überzeugt. Deshalb sei es so wichtig, dass wir rechtzeitig über die gesellschaftlichen Konsequenzen nachdenken, die ein automatischer Autoverkehr hätte, meint der Psychologe Graham Parkhurst.
"Wir müssen wissen, ob das eine Technologie ist, die echte Probleme löst – oder nur ein Trick, um uns etwas zu verkaufen, das wir gar nicht wirklich brauchen. Und dann müssen wir einen Plan dafür entwerfen, wie wir die Vorteile maximieren, die ungewollten Risiken und Nebenwirkungen aber minimieren können."
Mehr zum Thema