"Brigitte" für Männer

21.05.2007
Im Buch geht es darum, den Männern zu zeigen, wie sie wieder "echte" Männer werden können. Die Brüder Andreas und Stephan Lebert, Ersterer ist Chefredakteur der Zeitschrift "Brigitte", versuchen mit Anweisungen und Anekdoten dem männlichen Geschlecht zu helfen, aus der Situation als Mann ohne Eigenschaften wieder herauszukommen.
Die "Anleitung zum Männlichsein" will Männern helfen zu verstehen, wie sie Männer sein können und sollen. Ein Thema, das ja derzeit (also ungefähr in den letzten 2400 Jahren ununterbrochen) allen unter den Nägeln brennt. Die Kennerin der langen und für Frauen - milde gesagt - oft nicht sehr vorteilhaften Debatte darf Neuerscheinungen in diesem normativen und normierenden Bereich natürlich mit einer gewissen Skepsis begegnen.

Um es aber gleich vorweg zu sagen: die Leberts meinen es, soweit man sehen kann, gut, ihnen scheint es nicht – wie etwa dem derzeit prominentesten Männlichkeitsfetischisten, dem furiosen und furaxen Norbert Bolz – um eine Wiedereinrichtung des Patriarchats oder nur schon der Hausfrauenehe zu gehen. Ihr Buch geht von einer gewissen Stufe der Emanzipation als Faktum aus und richtet sich an den arrivierten Softie, dem der Sinn seines eigenen Geschlechts abhanden gekommen ist. Er ist, so die Diagnose des Brüderpaars, zum Mann ohne Eigenschaften geworden, charakterarm und hilflos verschanzt in seinen letzten Machtbastionen der Büros und Bürokratien, während draußen die tüchtige Hausfrau-Mutter-Managerin das Leben im Griff hat.

Diesem verirrten Geschöpf, das in den letzten 30 Jahren Feminismus und weiblicher Nabelschau vergessen hat, auch mal über die eigene Position nachzudenken, wollen die Brüder den Weg weisen, in 19 knappen Anweisungen und unzähligen Anekdoten. Das ist ehrenhaft und die Diagnose eines Nachholbedarfs an Geschlechter-Selbstreflexion ist mehr als plausibel.

Trotzdem lässt sich nicht wirklich sagen, dass ihnen ihr Vorhaben gelingt. Das Buch liest sich flüssig und amüsant geschrieben und voller unterhaltsamer Anekdoten, es liest sich leicht. Aber es zeigt eben auch performativ, sozusagen am eigenen Leib, wie unmöglich es ist, normativ über Geschlecht zu reden, also positiv formulierte Regeln für eines der beiden Geschlechter aufzustellen, ohne sich in gehörige Widersprüche zu verstricken. Spricht man vom "Mann" biologisch – wozu braucht es da eine Anleitung? (Man wird als Mann geboren). Wenn andererseits das Männliche nicht biologisch ist – frei nach Beauvoir "man wird nicht als Mann geboren, man wird es" – was ist in diesem Fall das "es", zu dem man wird? Ist "es" so wie Männer sind? (Wie sind Männer?) Oder so wie Männer sein sollen? (Wie sollen Männer sein und gibt es auch nur schon zwei Menschen auf der Erde, die darin übereinkommen?)

Genauso verwirrend die "Männlichkeit". Handelt es sich bloß um den Besitz gewisser physischer Merkmale oder etwa um eine gemeinsame psychologische Eigenschaft von knapp der Hälfte aller Erdbewohner? Meint man damit ein überkommenes, negatives Stereotyp aus der nicht allzu entfernten Zeit des flächendeckenden Patriarchates oder aber denkt man bereits an den "neuen Mann".

Das Problem der Kategorien "männlich" und "weiblich" ist ja, soviel weiß jeder Student im ersten Semester "Gender Studies", dass sie keine eindeutige Definitionen haben, sondern nur changierende Konnotationen. Ein Versuch, sie positiv zu definieren, muss in Widersprüche führen.

Das kann man unter Umständen in Kauf nehmen. Und die Autoren Lebert – die ganz offensichtlich kein erstes Semester "Gender Studies" absolviert haben – tun das unbeschwert durch den entschlossenen Griff zum Anekdotischen. Sie erzählen von scheiternden Vätern und von solchen, denen etwas Emotionales gelingt, von Geschäftsmännern, die sich dennoch eine innere Selbständigkeit bewahren und von solchen, die sich über das gesunde Maß hinaus mit ihrer Berufstätigkeit identifizieren. Sie sprechen über die Rolle von Erfolg, von Zustimmung, von Verantwortung; über Mut, die alten Cowboy-Ideale und über die Tugend der Genauigkeit. Sie haben dabei ab und zu durchaus Bedenkenswertes und Kritisches zur zeitgenössischen Mentalität zu sagen und stellen auch durchaus plausible Regeln zur persönlichen Moral und Lebensethik auf, die sich jeder zu Herzen nehmen kann. Äußerst ungeklärt bleibt dabei aber zumeist, warum diese nur für Männer gelten sollen. Warum auch sollen Arbeitstugenden wie "Grenzen setzen", "Klarheit schaffen" und "Ziele formulieren, für die man später gerade steht" in erster Linie "Sache des Mannes" sein? Inwiefern gilt die Ermahnung, sich nicht vorrangig über seine äußere Position und seinen Erfolg, sondern eher über seine innere Persönlichkeit zu definieren, nicht für alle Menschen, sondern nur für Männer? Ist der Wunsch nach Genauigkeit und derjenige, sich mal ganz auf etwas zu konzentrieren und für allfällige Partner, Kinder und Freunde nicht ansprechbar zu sein, wirklich eine rein männliche Angelegenheit? Sind das nicht eher allgemeinmenschlich ganz gute Tipps?

Die Beschränkung auf Männer, auf eine geschlossene maskuline Gesellschaft von Vätern und Söhnen, welche die Autoren sich ausdrücklich und willentlich vornehmen, führt letztlich dazu, dass sie gar nichts mehr Spezifisches über Männer sagen. Wie können sie auch? Wenn Geschlecht eine relationale Kategorie ist, dann macht sie nur Sinn, wenn man über das Verhältnis der Geschlechter zueinander spricht. Die Anleitung für den Mann solo läuft dagegen ziemlich ins Leere.

Rezensiert von Catherine Newmark

Andreas Lebert, Stephan Lebert: Anleitung zum Männlichsein
S. Fischer, Frankfurt am Main 2007
158 Seiten, 16,90 Euro