Breitband Sendungsüberblick

Mythos Filterblase

56:04 Minuten
Das auf einer weißen Wand angebrachte Bild zeigt eine Person, die von Handys umringt ist und sich nur noch dafür interessiert, was darin zu sehen ist.
Schön einkokoniert in der eigenen Welt: So denkt sich das die Filterblasen-Theorie. Fehlt allein der Beweis für ihre Gültigkeit. © imago/Michael Kneffel
Mit Vera Linß und Marcus Richter · 25.01.2020
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Alle reden von ihr, keiner kann sie beweisen: die Filterblasen-Theorie. Außerdem in der Sendung: Was der Verkauf der .org-Domainrechte mit dem freien Netz zu tun hat.
In den sozialen Medien kann jeder selbst entscheiden, wem er folgen will, welche Themen ihn interessieren und Nachrichten er sehen will. Und weil das so ist, sind alle Menschen nur noch Meinungen ausgesetzt, die ihnen passen. Niemand sieht mehr Dinge, die das eigene Weltbild in Frage stellen könnten, ein echter Austausch von Ideen wird unterbunden. Die vermutete Folge: Polarisierung, Radikalisierung und Fragmentierung der Gesellschaft.
Diese vermeintlich logische Theorie nennt sich Filterblase und wird seit Jahren in der Politik und auch den Medien als Argument gegen Social Media angeführt. In einem Prozess gegen die Factchecker "Correctiv.org" hat jetzt sogar ein Gericht diese Filterblasen-Theorie in sein Urteil einfließen lassen. Doch es gibt ein Problem: Die Existenz dieser Filterblasen konnte nie bewiesen werden. Aktuelle Forschungen kommen sogar zu dem Schluss, dass Menschen heute besser über verschiedene Positionen Bescheid wissen, als früher.
Warum ist diese Theorie so erfolgreich? Und wäre es nicht an der Zeit, sich von ihr zu verabschieden? Darüber sprechen wir mit Christoph Kucklick, Journalist und Leiter der Henri-Nannen-Schule, Marina Weisband, Politikerin und Psychologin und Stefan Heumann von der Stiftung neue Verantwortung.

Verkauf der .org-Domainrechte: Das Internet zwischen Gemeinnützigkeit und Kommerz

Wikipedia, Mozilla, das Internet-Archive – die größten und wichtigsten gemeinnützigen Webseiten haben alle die gleiche Endung: .org. Das ist auch kein Zufall. Als 1985 die ersten Domain-Endungen entschieden wurden, hat sich .org schnell als Quasi-Standard für nichtkommerzielle Organisationen etabliert. Verwaltet wird die Endung von PIR, einer kommerziellen Ausgründung der Non-Profit-Organisation Internet-Society (ISOC). Die Internet-Society möchte jetzt ihre Ausgründung samt der Rechte an .org und anderen Domains an Purpose Domains Direct verkaufen – anscheinend eine Briefkastenfirma mit unbekannten Eigentümern. Als Financier tritt dabei eine Investmentfirma namens Ethos Capital auf.
Das alleine würde schon zu großen Diskussionen führen. Denn der Verkauf der von nichtkommerziellen Organisationen verwendeten Domain an ein kapitalistisches Unternehmen könnte schon so als eine Art Sinnbild für die Durchkommerzialisierung des Internets und die Abkehr idealistischer Vorstellungen begriffen werden. Doch die Situation ist noch verstrickter, als sie auf den ersten Blick scheint.
Denn hinter der Investmentfirma Ethos Capital, die den Kauf finanziert, scheint unter anderem ein ehemaliger Chef der ICANN – die Über-Organisation, die für alle Domainendungen weltweit verantwortlich ist – zu stehen. Es steht also zusätzlich noch der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum.
Gleichzeitig ist unklar, welche Folgen der Verkauf für Betreiber von .org-Webseiten haben könnte. Ziemlich sicher ist, dass ursprünglich preisgebundenen Kosten steigen dürften. Doch auch weitreichendere Konsequenzen sind nicht auszuschließen. Welche das sein könnten und warum die ISOC ihre Tochter PIR überhaupt verkaufen möchte, haben wir im Gespräch mit diversen Expertinnen und Experten ergründet.

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Das Team

Moderation: Vera Linß und Marcus Richter
Redaktion: Vera Linß, Marcus Richter und Jana Wuttke
Netzmusik: Roland Graffé
Webredaktion: Hagen Terschüren
(hte)
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