Brandbilder

Verschmorte Sinnbilder des Krieges

Das Bild "Die Nacktheit" des Künstlers Lovis Corinth ist am 07.05.2015 im Landesmuseum in Hannover (Niedersachsen) in der Ausstellung "Brandbilder" zu sehen. Die Ausstellung zeigt Kunstwerke "als Zeugen des Zweiten Weltkriegs". Die Bilder lagerten 1943 in Hannover in einer Stahlkammer. Weil sich diese bei Bombenangriffen hoch erhitzte, wurden die Bilder beschädigt.
Das Bild "Die Nacktheit" des Künstlers Lovis Corinth ist im Landesmuseum in Hannover in der Ausstellung "Brandbilder" zu sehen. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Von Volkhard App · 09.05.2015
Sie sind Kriegsdenkmäler, Zeugen des Zweiten Weltkrieges und mehr oder weniger angebrannt: Die Brandbilder, die in einem Tresor gelagert und bei dem verheerenden Bombenangriff auf Hannover am 8. Oktober 1943 stark beschädigt wurden. Das Landesmuseum Hannover zeigt die Bilder in der Ausstellung "Brandbilder - Kunstwerke als Zeugen des Zweiten Weltkriegs".
Zu retten ist hier gar nichts mehr, nicht einmal von einem Gemälde kann man noch sprechen: denn das von Carl Schuch gemalte "Stilleben mit Wildenten" ist in eine tiefschwarze Fläche verwandelt. Ein Kriegsdenkmal der besonderen Art. Doch auch bei anderen - "verschmorten" - Kunstwerken muss man alte Schwarzweiß-Fotos bemühen, um die ins Dunkel getauchten Silhouetten noch identifizieren zu können: bei einer Winterlandschaft von Gustave Courbet und bei Figurenbildern Franz von Lenbachs. Und ein von Max Liebermann geschaffenes riesiges Porträt fällt durch Brandblasen und ein großes Loch in der Leinwand auf.
Die Schäden sind unterschiedlich. Kuratorin Claudia Andratschke schildert die Veränderungen durch die Barbarei des Kriegs:
"Es kann sich in allen Bereichen der Malschicht etwas verändert haben. Bindemittel treten auf der Rückseite aus, die Grundierung wird anders. Die Leinwand ist spröde und rissig geworden, das Holz verwirft sich aufgrund der Hitzeeinwirkung."
Wie hell war der mächtige Himmel tatsächlich?
Immerhin, einige wenige Gemälde, so von Lovis Corinth und Max Slevogt, scheinen wenigstens bei flüchtigem Blick noch intakt zu sein. Besonders herausgestellt wird in der Ausstellung der "Württembergische Dragoner-Offizier": Slevogt hat hier 1902 seinen Neffen in Uniform hoch zu Pferde dargestellt. Doch wer weiß wirklich, welche Töne das Gesicht und das Fell ursprünglich hatten - und wie hell der mächtige Himmel tatsächlich war? Auch dieses aus dem Depot geholte Werk wurde wie alle anderen konservatorisch behandelt:
"Wir haben dieses Gemälde mit einer Notkonservierung vorgefunden: da war Wachs aufgebracht worden, um die Risse zu festigen. Es sah aus wie ein mit Pflastern übersätes Gemälde. Diese Papiere und der Wachs wurden abgenommen, das Bild wurde gefestigt und gereinigt. Und die Rückseite wurde stabilisiert, weil diese Leinwände eben nach wie vor porös und rissig sind und, sobald sie in Schwingung geraten, weitere Risse entstehen können."
Fast schon sinnbildhaft wirkt dieser stolze Mann in Uniform: als könnte das Motiv in all seiner Arglosigkeit auf jenen Militarismus vorausweisen, der dann im Ersten und Zweiten Weltkrieg seine schlimmsten Formen annahm. Doch an eine politische Botschaft denken die Ausstellungsmacher hier nicht.
Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover:
"Wir haben dieses Bild vor allem ausgesucht, weil es verhältnismäßig gut erhalten ist. Es gehört zu den Werken, denen man auf den allerersten Blick gar nicht ansieht, dass sie durch den Brand, die Hitzeentwicklung, gelitten haben. Und weil es eben ein großformatiges Gemälde des Malers Max Slevogt ist, dem wir 2017 eine eigene Ausstellung widmen wollen."
In einer einzigen Nacht in einer Stahlkammer deponiert
Auch fromme Zeugnisse des späten Mittelalters - Diptychen und ein Triptychon - sind in die Präsentation einbezogen.
Allen gezeigten Werken ist gemeinsam, dass sie 1943 in einer einzigen Nacht, in der viele Menschen starben, Schaden genommen haben, obwohl sie zum Schutz doch ausgelagert und eigens in einer städtischen Stahlkammer deponiert waren:
Andratschke: "Während an den anderen Orten die meisten Objekte unversehrt überstanden haben, wurde hier das Gebäude vollständig zerstört in der Nacht zum 9. Oktober 1943. Die glühenden Schuttmassen lagen wochenlang darüber, so dass alles, was darin war, verschmort ist - bis auf Silber und Bronze."
In dieser Ausstellung ist die Herkunft mehrerer Exponate noch ungeklärt. Ein weiteres wichtiges Thema.
"Zeitzeugen" werden die "Brandbilder" genannt
Claudia Andratschke, zuständig auch für die Provenienzforschung:
"Es gibt den besonderen Fall, dass die drei kostspieligsten Neuerwerbungen des Landesmuseums im Zeitraum 1933 bis 45 auch just in diesem Tresorraum sichergestellt wurden. Und da haben wir uns bemüht, die Herkunft zu klären. Es gibt Anhaltspunkte, aber es bleiben auch viele offene Fragen, so dass wir uns entschieden haben, diese Werke unabhängig von ihrem materiellen Wert in der Internet-Datenbank 'Lost Art' zu veröffentlichen."
Es ist im ganzen eine beklemmende Ausstellung - in den Sälen gleich nebenan glänzt die gewohnte, hauseigene Sammlung, schimmern und leuchten die "Impressionisten" in den schönsten Tönen.
"Zeitzeugen" nennt man dagegen die "Brandbilder" - und weiß doch, dass sie neben den Millionen Toten, an die in diesen Tagen wieder erinnert wird, nur eine Randerscheinung sind.
Katja Lembke: "Wir wollen hier auch nicht eine Aufrechnung machen - dass Kunstwerke ebenso beschädigt wurden wie Menschen. Aber diese Kunstwerke sind noch Zeitzeugen in 30 oder 50 Jahren, wenn es keine menschlichen Zeitzeugen mehr gibt. Das ist uns wichtig zu zeigen. Und wir erleben derzeit ja in Syrien und im Irak, dass kulturelle Hinterlassenschaften der Menschheit unwiederbringlich verloren gehen, dass Krieg also nicht nur für den Menschen fatal ist, sondern die Kunst nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wird. Und das ist uns auch wichtig zu zeigen."

"Brandbilder - Kunstwerke als Zeugen des Zweiten Weltkriegs"
Ausstellung im Landesmuseum Hannover
8. Mai bis 6. September 2015

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