Boulevard

Justin Bieber unterliegt Jesus

Von Arno Orzessek  · 19.12.2013
Gegen Jesus und Napoleon hat Pop-Sänger Justin Bieber keine Chance. In einem Internet-Ranking von Prominenten liegt er nur auf Rang 8633. Die Feuilletons amüsieren sich darüber, behandeln aber auch ernsthaftere Themen, etwa 50 Jahre Auschwitz-Prozess und zwiespältige Aspekte im Leben des Publizisten Henri Nannen.
"Jesus ist doch der Größte", heißt es in der Tageszeitung DIE WELT, die ihren Lesern aber keine Adventspredigt halten will, sondern "Who’s Bigger? Where Historical Figures Really Rank" vorstellt. So heißt ein noch unübersetztes Buch von Steven Skiena und Charles Ward. Die amerikanischen Informatiker haben Algorithmen entwickelt, um die hierarchische Ordnung unter den Promis der Weltgeschichte im Spiegel des gegenwärtigen Internets zu berechnen. "Um es vorwegzunehmen, die mathematischen Formeln (…) waren immerhin so genau, Facebook-Liebling Justin Bieber nur auf Rang 8633 zu verorten", amüsiert sich WELT-Autor Berthold Seewald.
Man könnte vermuten, die Meldung der TAGESZEITUNG, "KREISCH. Popsänger Justin Bieber will angeblich aufhören", sei einer unmittelbaren Reaktion des Teenie-Stars auf den Rang 8633 geschuldet. So ist es aber nicht. Der TAZ ist das Ranking unbekannt, andernfalls würde sie ihre Schnüffelei in der Bieber-Gerüchteküche kaum mit der Frage eröffnen: "Muss das Internet jetzt schließen?"
Nun, wir sind Ihnen noch ein paar Platzierungen im globalen Allzeit-Promi-Ranking schuldig, über das die WELT berichtet. Hinter Jesus erreicht Napoleon Platz 2, auf Platz 3 folgt Shakespeare, auf 4 Mohammed, auf 7 dann Adolf Hitler, der, so Berthold Seebald, "seine Kollegen Stalin und Mao auf hintere Plätze verdrängt".
Vom Ranking in die Realität. Rudolf Walther erinnert in der TAZ an den Frankfurter Auschwitz-Prozess vor 50 Jahren und stützt sich auf eine neue Quellen-Edition, herausgegeben von Raphael Gross, dem Direktor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts. "Die Quellen machen deutlich", so Walther, "dass das Gericht von Anfang an vor einer unlösbaren Aufgabe stand. Es musste einen unglaublich brutalen, (…) fabrikmäßig ausgeführten Massenmord beurteilen, durfte sich aber nur der strafrechtlichen Instrumente und Normen bedienen, die für einfache Mordprozesse vorgesehen waren. Der (…) Tatbestand 'Massenmord' existiert im Strafrecht nicht", unterstreicht die TAZ.
Henri Nannen als fragwürdiger Patriot
"So wollte (Henri) Nannen sein, der gute Deutsche, aber mit Nazi-Orden dekoriert“, urteilt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Unter dem Titel "Kleine Jahrhundertfigur" denkt Willi Winkler anlässlich einer Emdener Ausstellung zum 100. Geburtstag des STERN-Gründers über dessen Doppelgesichtigkeit nach. "Wie seine ganze Generation hält der Kriegsteilnehmer Nannen an der Legende von der 'sauberen' und im Zweifel von Hitler missbrauchten Wehrmacht fest.
Gleichzeitig will er seinen Lesern, die vom STERN lang genug mit Geschichten über Soldatenheroismus und fremdbürtige Schurken genährt wurden, daran gewöhnen, dass auch Brandt, der anders als Nannen nicht mitmachte, sondern 1933 Deutschland verließ, ein 'deutscher Patriot' ist: "Ich kenne Willy Brandt, ich weiß, dass an seiner Gesinnung zu keiner Zeit etwas Unehrenhaftes war." So Henri Nannen, an dessen Gesinnung zu mancher Zeit viel Unehrenhaftes war, in einem SZ-Artikel Willi Winklers.
Wie Nannen wurde auch Albert Camus 1913 geboren. Nun, am Ende des Jubiläumsjahres führt Edo Reents in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ein langes Gespräch mit dem Camus-Biographen Martin Meyer. Dabei streifen sie auch "Der Mensch in der Revolte", das Werk, in dem Camus beschreibt, wie an die Stelle Gottes die Geschichte tritt. "Sie (so paraphrasiert Meyer) steht nun für alles, was einem an positiver Abgeltung, an Erlösung, an Enderwartung eigentlich zustehen soll. Diese Verabsolutierung der Geschichte (…) seit Hegel bis zu Marx, Lenin und Stalin, ist nun eigentlich das wahrhaft Gefährliche, wie es sich dann im zwanzigsten Jahrhundert in Totalitarismen von rechts und vor allem auch von links ausgedrückt hat."
Tja, liebe Hörer. Unsere Zeit reicht nicht mehr aus, um vom Schweren ins Leichte zurückzufinden, mit dem wir begannen. Deshalb nur noch das: Falls Sie bis Weihnachten noch eine Kunst ausüben wollen, dann empfehlen wir Ihnen mit der SZ: "Die Kunst der Paarbildung."
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