Bosbach: Keine Intelligenztests für Zuwanderer

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Ute Welty · 29.06.2010
Wolfgang Bosbach hält nichts von dem Vorschlag seines Parteikollegen Peter Trapp, Intelligenztests für Zuwanderer einzuführen. Diese machten keinen Sinn, da die meisten Zuwanderer aus der EU stammten oder aus humanitären Gründen eingereist seien, sagt der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages.
Ute Welty: Diskriminierend, menschenverachtend, ein Sommerlochthema – vielfältig ist der Chor der Stimmen, die einen Intelligenztest für Zuwanderer ablehnen. Einen solchen Vorschlag hat Peter Trapp gemacht, der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU. Nun steht aber im schwarz-gelben Koalitionsvertrag der Bundesregierung, dass die Zuwanderung besser gesteuert werden soll, und damit ist dieses sogenannte Sommerlochthema dann doch eines für den CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, seines Zeichens auch Vorsitzender des Innenausschusses. Guten Morgen, Herr Bosbach!

Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Welty.

Welty: Sind Sie Ihrem Parteifreund Trapp denn eher dankbar, dass er das Thema auf den Tisch bringt, oder hätte er die Sache mit dem Intelligenztest intelligenterweise anders formulieren können?

Bosbach: Ich bin mir nicht sicher, ob Peter Trapp tatsächlich das meint, was er gesagt hat. Intelligenztest kann eigentlich nicht ernst gemeint sein. Ich will mal nur zwei Beispiele nennen. Die Hälfte der Zuwanderung ist aus der Europäischen Union, das heißt, das ist Binnenmigration innerhalb der EU-Länder, das ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, da werden wir sicherlich am Grenzübergang zwischen Deutschland und Österreich keinen Test machen, ob denn jetzt der österreichische Nachbar bei uns in Deutschland auch einreisen und hier arbeiten darf.

Und nehmen Sie mal die zweite große Gruppe an Zuwanderung aus humanitären Gründen: Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylbewerber. Da fragen wir doch nicht nach einem Intelligenzquotienten, sondern da fragen wir danach, ob sich der Mensch auf der Flucht und in Not befindet. Im Artikel 16 des Grundgesetzes heißt es, politisch Verfolgte genießen Asyl und nicht, wenn sie einen bestimmten Wissensstand haben. Das heißt, wer in Not ist, dem wird geholfen, völlig unabhängig von Bildungsstand und Wissen.

Welty: Wenn es denn ein solcher Test nicht sein soll, wie wollen Sie dann den Koalitionsvertrag erfüllen und die Zuwanderung besser steuern, denn irgendeine Art von Auswahl wird es ja dann geben müssen?

Bosbach: Wir haben damit ja schon begonnen. Nehmen Sie als Beispiel eine weitere große Gruppe von Zuwanderern; das ist der Ehegattennachzug. Hier haben wir ja nicht nur das Nachzugsalter heraufgesetzt, insbesondere nicht nur, aber insbesondere zur Vermeidung von Zwangsheiraten oder Scheinehen, sondern hier haben wir auch den Sprachtest eingeführt. Hier geht es ja zunächst nur um einen Grundwortschatz der deutschen Sprache, aber das ist wichtig, damit Integration in Deutschland funktionieren kann.

Diejenigen, die auf Dauer zu uns kommen wollen, sollen sich auch ernsthaft um Integration bemühen, und das kann man unter anderem daran erkennen, ob jemand zumindest den Willen hat, schon bei der Einreise in Deutschland einen Grundwortschatz der deutschen Sprache zu erlernen, damit er sich hier nach der Ankunft gut zurechtfinden kann.

Welty: Auf der anderen Seite leben viele Menschen aus dem Ausland schon lange in Deutschland, wobei nur jedes 10. Zuwandererkind Abitur macht. Ist das nicht eine ungeheuere Talentverschwendung, die dringend aufhören muss, bevor man darüber nachdenkt, Zuwanderung weiter zu reglementieren?

Bosbach: Ja, Sie haben völlig Recht. Das sehen Sie ja auch an den Bildungsabschlüssen, ganz allgemein neben dem Abitur. Das Risiko, keinen qualifizierten Schulabschluss zu bekommen, ist bei Menschen mit Migrationshintergrund etwa acht Mal höher als bei ihren deutschen Nachbarkindern.

Aber das gilt nicht für alle Zuwanderergruppen gleichermaßen. Bei den vietnamesischen Kindern ist es zum Beispiel so, also bei den Kindern, die vietnamesischstämmig sind, dass sie höheren Durchschnitt an Abiturienten haben, nicht als andere Zuwanderer, sondern als deutsche Kinder. Das hängt also offensichtlich auch mit dem Bildungsinteresse der Eltern zusammen und auch mit Integrationswilligkeit, mit Integrationsfähigkeit, damit, ob zu Hause mit den Kindern Deutsch gesprochen wird, ob sie unsere Kindertagesstätten besuchen, ob da schon Integration früh stattfindet oder nicht.

Welty: Ein weiterer Parteifreund von Ihnen, nämlich Ole von Beust in Hamburg, möchte durchsetzen, dass Kinder zum Beispiel länger gemeinsam lernen. Diese sechsjährige Grundschule ist vielen in der CDU ein Graus. Glauben Sie, dass es in diesem Punkt in Ihrer Partei noch mal ein Umdenken geben wird?

Bosbach: Das kann sein, aber das ist nicht jetzt das wichtigste Thema bei der Frage, wie bekomme ich gleichmäßige Bildungschancen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund.

Welty: Ole van Beust entscheidet sich sehr wohl für dieses Thema.

Bosbach: Ja, aber er tut das doch nicht aus der freien Überzeugung, sondern weil er eine Koalition hat mit den Grünen und die Grünen der Auffassung sind, dass längeres gemeinsames Lernen in der Grundschule das Bildungsniveau der Kinder insgesamt anhebt, doch nicht nur der Kinder mit Migrationshintergrund. Dafür wiederum gibt es allerdings keinerlei wissenschaftliche Belege.

Wir haben doch gerade bei der jüngsten Pisa-Studie gesehen, dass die Bundesländer vorne sind, die eben sich nicht dafür entschieden haben, dass Kinder im Grundschulalter länger gemeinsam lernen. Wir haben keine Einheitskinder und deswegen möchte die Union auch keine Einheitsschule, sondern die Kinder haben ganz unterschiedliche Talente und Begabungen und sollen nach diesen Talenten und Begabungen auch individuell gefördert werden.

Von überragender Bedeutung bei dem Thema Zuwanderung und Bildungschancen ist doch das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Dazu gehören zum Beispiel vorschulische Sprachstandserhebungen. Wenn ein Kind mit schlechten deutschen Sprachkenntnissen in die Schule kommt, dann hat es ein Handicap und kann nicht die schulischen Erfolge haben, völlig unabhängig davon, ob die Kinder 4, 6 oder 10 Jahre zusammen lernen.

Welty: Angesichts der Überalterung der Deutschen in dieser Gesellschaft, angesichts des drohenden Facharbeitermangels, müssten wir nicht dankbar sein für jeden, der kommen möchte?

Bosbach: Das kommt darauf an, welche Talente er mitbringt und ob auch das notwendige Maß an Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit dabei ist. Zunächst einmal sollten wir nicht übersehen, dass wir noch weit über drei Millionen Arbeitslose in Deutschland haben. Wir müssen uns doch zunächst einmal darum bemühen, die einheimischen Arbeitslosen in Beschäftigung zu bringen – übrigens völlig unabhängig, ob die einheimischen Beschäftigten Migrationshintergrund haben oder nicht.

Wir haben hier auch eine erhebliche Zuwanderung in die Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland. Das waren im letzten Jahr über 30.000, und dabei ist die Zahl, die wesentlich höhere Zahl der Saisonarbeitskräfte insbesondere in der Landwirtschaft überhaupt nicht mitgerechnet. Wir haben 30.000, die zur Aufnahme eines Studiums nach Deutschland kommen, die nach der Beendigung des Studiums ja seit der vorletzten Novelle im Ausländerrecht die Möglichkeit haben, auch in Deutschland eine Beschäftigung zu finden und hier auf Dauer bleiben zu können.

Zunächst müssen wir uns darauf konzentrieren, die Arbeitslosigkeit bei uns im Inland zu bekämpfen, und wir können nicht das, was wir an Bildung und beruflicher Ausbildung im Inland versäumen, durch mehr Zuwanderung aus dem Ausland kompensieren. Da müssen wir uns hier bei uns schon selber anstrengen.

Welty: Ein großes Thema - wie umgehen mit Zuwanderern und Zugewanderten. Dazu der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenpolitiker Wolfgang Bosbach in Deutschlandradio Kultur. Danke fürs Gespräch.

Bosbach: Ich danke Ihnen.