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Ein Leben für die britische Folk-Musik

Gitarrespiel
Symbolbild: Musiker beim Gitarrespielen © imago/blickwinkel
Von Kerstin Poppendieck · 22.11.2017
Jon Wilks hat eine grenzenlose Leidenschaft für die Folk Musik seiner Heimat Großbritannien. Einen wahren Folk-Schatz mit Geschichten und Interviews hat er auf seinem Blog zusammengetragen.
"Ich bin wie ein Schwamm. Ich sauge jede selbst noch so nutzlose Informationen darüber auf, woher Lieder kommen. Und ich hoffe, dass ich so auch andere Menschen für Folk Musik begeistern kann."
Dieser Schwamm ist Jon Wilks, Journalist und Folk-Fan aus Winchester, einer Stadt im Süden Englands. So weit so unspektakulär. Doch dann entdeckte er, dass sich seine Großeltern im Cecil Sharp House in London kennengelernt hatten. Seit 1930 ein Ort, der britische Folk Lieder und Tänze wahrt und pflegt. Von dem Moment an wurde aus Wilks ursprünglichem Interesse eine Obsession. Schließlich läge ja die britische Folkmusik dank seiner Großeltern in seinen Genen, sagt er. Seitdem ist Wilks auf der Suche nach der Entstehungsgeschichte jedes einzelnen Songs, den er finden kann, verbringt Tage in Archiven, spricht mit Musikern und sammelt Fakten und spannende Geschichten zu Liedern und Künstlern.

Mutter und Großmutter sangen ihm Folksongs vor

Es sind vor allem die alten Lieder, die es Jon Wilks angetan haben, hundert Jahre plus alt. Zum Beispiel das Lied "The Sandgate Dandling", das ihm seine Mutter und Großmutter früher als Schlaflied vorsangen. Schon als Kind fand Jon Wilks dieses Lied gruselig, denn ganz offensichtlich handelte es unter anderem davon, wie ein Kind von seinem Vater mit dem Gürtel verprügelt wird. Die ganze Geschichte hinter diesem Lied von Robert Nunn aus dem 19. Jahrhundert fand Wilks aber erst vor Kurzem heraus.
"Robert Nunn war ein Fensterputzer. Bei einem Arbeitsunfall hat er seine Augen und seine Finger verloren. Keine Ahnung, wie das genau passiert sein soll. Was aber noch verrückter ist, so jedenfalls die Legende: nach diesem Unfall wurde er ein richtiger Womanizer. Da ist dann also dieser blinde, fingerlose Ex-Fensterputzer Geige spielend 1820 durch Newcastle gelaufen und hat diese düsteren Lieder gesungen, in denen es darum ging, die Ehefrau zu verprügeln. Echt finster. Aber Folk Songs sind ja nicht selten düster."

Das gesellschaftliche Universum der Folkmusik

Auf seinem Blog grizzlyfolk.com hat John Wilks unzählige solcher Geschichte zusammengetragen. Um es für Besucher der Seite einfacher und übersichtlicher zu machen, hat er sich verschiedene Kategorien ausgedacht. Da gibt es Interviews mit anderen Folk Musikern wie Emily Portman oder Ian A. Anderson, die von ihrem Folk Zugang erzählen, es gibt den Folk Song der Woche, der direkt auch zu einer ständig wachsenden Spotify Playlist hinzugefügt wird, man findet Alben Vorstellungen und Musik-Empfehlungen von anderen Musikern. Das geschichtliche, musikalische und auch gesellschaftliche Universum der Folkmusik, das sich in Wilks Blog eröffnet, ist so faszinierend wie umfassend.
"Diese Lieder sind wie Brücken, die unterschiedliche Jahrhunderte verbinden. Und nicht selten scheint es so, als hätten sich die Zeiten gar nicht so sehr geändert. Ein Lied wie ´Hard Times Of England` finde ich faszinierend. Es wurde irgendwann im 17. Jahrhundert geschrieben. Im Text geht es um eine Stadt, die unter einer Wirtschaftskrise leidet, Menschen, die von Armut betroffen sind und unter Missständen leiden. Und wenn man sich heute umschaut, sieht es doch gar nicht so viel anders aus."

Um diese Lieder noch besser kennenzulernen und zu verstehen, fing John Wilks an, sie selbst auf der Gitarre nachzuspielen. Die Videos dazu lädt er auf seinem YouTube Kanal hoch. Klar, den gibt es natürlich auch. Genauso wie einen Twitter Account, eine Facebook Seite und seit neuestem auch einen Podcast. So hofft Jon Wilks, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und seine Leidenschaft für britische Folkmusik zu teilen. Im meistgelesene Post auf seinem Blog fragt Jon Wilks Britische Musiker nach ihrer Definition von Folk Musik. Was erstmal simpel, fast naiv klingt, hat sich zu einer spannenden Serie entwickelt. Manche Musiker reagieren fast beleidigt, weil sie die Frage absurd finden. Andere dagegen werden philosophisch.
"Die Definition von Rosie Hoods, einer jungen Folk Sängerin, die gerade ihr Debütalbum veröffentlicht hat, gefällt mir sehr: Folk Musik ist Sex und Tod und ein paar komische Dinge dazwischen."
Auch wenn Jon Wilks jetzt einige der Folk Songs, die er für seine Website nachgespielt hat, auf einer CD mit dem Titel "Songs from the Attic" veröffentlicht hat, sieht er sich selbst an erster Stelle nicht als Musiker, sondern als Geschichtenerzähler, als Folk-Musik-Geschichtenerzähler, immer auf der Suche nach dem nächsten musikalischen Schatz.
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