Bleiche Mutter Deutschland

16.03.2010
Mitten im Exil in den USA begann Paul Dessau ein riesiges Werk zu schreiben. Es sollte sein erstes Opus in Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht sein. Dessau hatte den Dichter Anfang der 40er-Jahre in New York kennengelernt und war ihm nach Hollywood gefolgt.
Völlig ohne Aussicht auf Aufführung komponierte er sein "Deutsches Miserere", eine Trauermusik für die Toten des Zweiten Weltkrieges, auf Gedichte des Meisters, auf so berühmte Verse wie "Deutschland Bleiche Mutter" und "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch", aber auch auf damals neu verfasste Kurzgedichte Brechts aus der "Kriegsfibel".

Dessaus dunkles, manchmal aggressives und tieftrauriges Bekenntniswerk wurde erst 1966 in Leipzig uraufgeführt. Dass die Premiere so spät kam, lag weniger an der immensen Dimension des Mitwirkendenapparats - Solisten, Chor, Kinderchor, viele Schlagzeuger, 24 Bratschen, 18 Celli und 12 Kontrabässe, außerdem ein Mixturtrautonium - sondern an der restaurativen Stimmung in beiden deutschen Staaten in der Nachkriegszeit. Im Konzertsaal wollte niemand an die Verbrechen und an die durchlittenen Qualen erinnert werden. Außerdem teilten wahrscheinlich viele Deutsche die Aussage Brechts nicht, die Dessau in seinem Miserere vertont hatte: "Wenn das Pack die Welt erobert hätte, dann hätte unser Volk noch mehr verloren als ein Geschlecht und fünfzig schöne Städte."

Am 5. März 2010 hat die Berliner Singakademie unter Leitung von Achim Zimmermann gemeinsam mit dem Konzerthausorchester Berlin dieses große Werk Paul Dessaus wieder aufgeführt. Unsere Aufnahme dieses Konzerts aus Anlass des 65. Jahrestages der Befreiung und des Kriegsendes bringen wir am 16. März im "Konzert" im Deutschlandradio Kultur.


Konzerthaus Berlin
Aufzeichnung vom 5.3.2010


Paul Dessau
Deutsches Miserere
Oratorium für Soli, Chor, Kinderchor, Orchester, Orgel und Trautonium
nach einem Text von Bertolt Brecht

Martina Rüping, Sopran
Annette Markert, Alt
Thomas Volle, Tenor
Egbert Junghanns, Bass
Berliner Singakademie
Konzerthausorchester Berlin
Leitung: Achim Zimmermann


nach Konzertende ca. 21:55 Uhr Nachrichten