"Blackfacing"

Die rassistische Fratze hinter der Sprachmaske

Aufruf zum Blackfacing in der ZDF-Show "Wetten dass" am 13. Dezember 2013: Hier schminkten und verkleideten sich viele Augsburger Bürger als Jim Knopf bzw. Lukas der Lokomotivführer.
Aufruf zum Blackfacing in der ZDF-Show "Wetten dass..?" am 13. Dezember 2013: Hier schminkten und verkleideten sich viele Augsburger Bürger als Jim Knopf bzw. Lukas der Lokomotivführer. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Von Joachim Dicks  · 01.02.2015
Das Wort "Blackfacing" wurde in dieser Woche zum Anglizismus des Jahres gewählt. Gemeint ist die nicht nur im Karneval, sondern auch in den Medien oder im Theater vorkommende Praxis, dass sich weiße Menschen schminken, um Menschen mit dunkler Hautfarbe zu spielen. Wo beginnt da die Diskriminierung? Eine Frage, die sich im philosophischen Wochenkommentar Joachim Dicks stellt.
"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." Diesen Satz aus dem "Tractatus logico-philosophicus" Ludwig Wittgensteins schicke ich vorneweg. Um Missverständnisse zu vermeiden. Oder zu provozieren. Wir werden sehen!
Der Anglizismus "blackfacing" zerrt uns mitten hinein in den Sprach-Dschungel linguistischer Zwangsdiskriminierung. Wie sprechen, ohne zu verletzen? Wie handeln, ohne Grenzen zu setzen? Die Haut ist unser körpereigenes Grenzorgan. Es markiert den Übergang von Innen nach Außen. Oder umgekehrt. Und die Haut ist das Organ, ohne das "blackfacing" nicht auskommt. Hier wird die Maske aufgetragen, die Täuschung inszeniert und der Oberfläche ein Seelenleben eingehaucht. Was wir als Person bezeichnen, stammt aus dem Maskenspiel des antiken griechischen Theaters. Das lateinische Wort personare meint nichts anderes als hindurchtönen.
Als ich ein Junge war, zog ich als katholischer Ministrant mit den Sternsingern durch die Gemeinde. Einer von uns musste sich immer dunkle Schuhwichse ins Gesicht schmieren und den Caspar mimen, und so sammelten wir bei unseren Gemeindemitgliedern Geld für die nächste Messdienerfahrt ein. Die Rolle des afrikanischen Weisen war im karnevalesken Rheinland unter uns Kindern heiß begehrt: ein religiös motiviertes Theaterspiel, dass uns selbst im fröstelnden Januar warm ums Herz machte.
Von Orson Welles bis Hallervorden
Den Nachbarsjungen aus Ghana wollten wir damit keineswegs verulken, und er nahm es, soweit ich mich erinnere, mit Humor. Aber sicher bin ich mir heute nicht mehr. Wer weiß, was wirklich in ihm vorging? Gefragt habe ich ihn nie. So wie das Zeichen der schwarzen Schminke als Rassismus verstanden werden kann, aber nicht muss, so ergeht es auch Sprach-Zeichen. Kein Sprach-Zeichen verfügt über genügend Eindeutigkeit, als dass es nicht auch rassistisch gedeutet werden kann. "Fremdwörter sind die Juden der Sprache", hat Theodor W. Adorno einmal gesagt.
Als Orson Welles 1952 Shakespeares "Othello" inszenierte und sich selbst für die Hautrolle sehr stereotyp schwarz schminkte, hat er niemanden gefragt, ob es als rassistisch empfunden werden könnte, und er hat den Othello so gut gespielt wie Shakespeare es sich nur wünschen konnte. Dass im Berliner Schlossparktheater an der Seite Didi Hallervordens ein weißer, schwarz geschminkter Schauspieler eher für Heiterkeit sorgt als für hohen Kunstanspruch à la Orson Welles, liegt wahrscheinlich weniger am "blackfacing" als an der Person Didi Hallervordens, der bei vielen schon ein Lächeln ins Gesicht treibt, wenn sie ihn nur sehen. Wer dabei die Diskriminierung von Schwarzen unterstellt, sollte auch bereit sein, seine Vorstellungen von Witz und Humor zu hinterfragen.
Als bei "Wetten dass ...?" in Augsburg 100 Paare als "geblackfaceter" Jim Knopf und als Lukas der Lokomotivführer auftraten, eine Reverenz für die Augsburger Puppenkiste und deren Inszenierung von Michael Endes Kinderbuch, hielt ich das zwar für keinen grandiosen, aber auch keinen verwerflichen Einfall. Wie vielen jungen Lesern hat dieses Buch eine Lektion in Philanthropie und Toleranz fürs Leben erteilt?
Kulturelle Deutungshoheit
Bei dem Phänomen des "blackfacing" geht es nicht allein um die Frage nach der möglichen Diskriminierung von Schwarzen, sondern mehr noch um das Phänomen erhöhter Sensibilität in kommunikativen Prozessen.
Die Jury für den Anglizismus des Jahres behauptet, dass mit dem Wort "blackfacing" ein Konflikt reflektiert wird "zwischen einer Mehrheit, die für sich eine uneingeschränkte kulturelle Deutungshoheit in Anspruch nimmt und einer wachsenden Minderheit, die das nicht mehr stillschweigend hinnimmt."
Wenn dem so ist, wäre viel gewonnen. Kommunikation kann scheitern. Nicht-Kommunikation scheitert immer. Oder in Abwandlung an Wittgenstein: Wovon man nicht schweigen kann, darüber muss man sprechen. Die Sprache ist dabei eine Maske, die dabei immer wieder gelüftet werden muss. Und wir wissen längst, dass hinter der einen Maske nur eine andere lauert. Manchmal eine rassistische Fratze, manchmal ein Diskriminierungsclown. Die Berliner Verkehrsgesellschaft hat sich dieser Tage etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie lässt seit einiger Zeit in der U-Bahnlinie 2 Prominente die Haltestellen ansagen. Didi Hallervorden ist einer von ihnen. Raten Sie mal, welche Haltestelle er ankündigt! Klar: die Mohrenstraße.
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