"Bittere Kirschen"

Von Patrick Wellinski · 12.09.2012
In seinem tragikkomischen Roadmovie "Bittere Kirschen" will sich Regisseur Didi Danquart auf Spurensuche in der jüngeren deutschen Geschichte begeben. Doch was in der Romanvorlage aufgrund einer eleganten Schachtelstruktur funktioniert, scheitert auf der Leinwand.
Der letzte Spielfilm von Didi Danquart hieß "Offset". Es war der wenig geglückte Versuch, eine grimmige Liebesgeschichte im heutigen Rumänien zu erzählen und dazu noch die unüberbrückbaren kulturellen Differenzen zwischen West- und Osteuropa aufs Korn zu nehmen. Dem Vorhaben war wenig Erfolg beschieden, weshalb sich der Regisseur vom Kino zurückzog und vornehmlich für das deutsche Fernsehen arbeitete. Sieben Jahre später präsentiert Didi Danquart, der Zwillingsbruder des Oscargewinners Pepe Danquart, seinen neuen Kinofilm.

"Bittere Krischen" basiert auf Judith Kuckerts Roman "Lenas Liebe". Es ist die Geschichte der gescheiterten Schauspielerin Lena (Anna Stieblich), die in ihre Heimat zurückkehrt, um ihre Mutter zu beerdigen. Vor Ort stürzen verdrängte Erinnerungen und Liebschaften über Lena herein. Ein Freundschaftsspiel der heimischen Fußballmannschaft im polnischen Oświencim, dem früheren Auschwitz, bringt Lena auf eine Reise in ihre Vergangenheit. Begleitet wird sie von Julius Dahlmann (Martin Lüttge), der bis 1944 in Auschwitz lebte und eine enge Verbindung zu Lenas Mutter hatte. Vor Ort treffen beide auch noch auf den katholischen Priester Richard Franzen (Sylvester Groth), der sich als alter Freund Dahlmanns erweist.

"Bittere Kirschen" will ein tragikkomisches Roadmovie sein. Die Reise der drei Figuren in einem roten Volvo durch das triste Polen ist nur ein Anlass, um sich in deren Vergangenheit und die jüngere deutsche Geschichte zu begeben. Doch was im Roman aufgrund einer eleganten Schachtelstruktur funktioniert, scheitert auf der Leinwand. Denn Danquart überfrachtet sein schwaches Drehbuch mit pseudo-poetischen Bildern. Bedeutungsschwer wird hier die Isolation der Figuren dargestellt, indem die Kamera sie gerne in leeren Hallen und Landschaften positioniert. Besonders irritierend wirken die willkürlichen Rückblenden, die recht unbeholfen den Rhythmus des Films durchbrechen.

Auch ansonsten überzeugt bis auf die Darsteller recht wenig an diesem Film, der sein heikles Sujet, die deutsche Vergangenheitsbewältigung, kaum verhandelt. Stattdessen geht Danquart den Kernkonflikten seines Drehbuchs ständig aus dem Weg, flüchtet sich in geschwollen-moralisierende Dialoge, lässt Lebende mit Toten reden, und - was besonders ärgerlich ist - er nutzt die polnische Landschaft lediglich als Kulisse für das Innenleben seiner Figuren. Dabei ist sein Blick auf das heutige Polen, ähnlich seinem Blick auf Rumänien in "Offset" - voller Klischees. Und das alles in einem Film, der vorgibt, die komplexe Reflexion über Auschwitz als zeitgenössisches Gesellschaftsphänomen zu behandeln. Das ist dann einfach nur ärgerlich.

Deutschland 2011, Regie: Didi Danquart; Darsteller: Anna Stieblich, Jonathan Dümcke, Sylvester Groth, Rolf Hoppe, Wolfram Koch; ab 12 Jahren; 107 Minuten

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