Bisky: Zivilcourage gegen Rechts stärken

Moderation: Leonie March · 23.08.2007
Lothar Bisky, Vorsitzender der Partei Die Linke, forderte mehr Stetigkeit im Kampf gegen Rechtsextremismus. Derzeit werde gegen das Problem nur kampagnenartig vorgegangen, sagte Bisky. Die Menschen entrüsteten sich immer nur dann, wenn etwas passiere. Die Wurzeln des Rechtsextremismus lägen aber offensichtlich tiefer und könnten nicht durch Empörungswellen bekämpft werden. Um die Zivilcourage der Menschen zu stärken, sei mehr Stetigkeit nötig.
Leonie March: 50 gegen acht. Deutsche Jugendliche jagen indische Männer durch eine sächsische Kleinstadt, rufen dabei Parolen wie "Ausländer raus". Am Straßenrand verfolgen Schaulustige die Jagd. 14 Menschen werden verletzt, noch laufen die Ermittlungen. Politiker aller Parteien verurteilten die Tat. Jetzt wird wieder einmal darüber diskutiert, wie derartige Vorfälle künftig verhindert werden können, wie Fremdenfeindlichkeit wirksam bekämpft werden kann. - Darüber möchte ich jetzt mit Lothar Bisky sprechen, Vorsitzender der Partei Die Linke. Guten Morgen, Herr Bisky.

Lothar Bisky: Guten Morgen, Frau March.

March: Stört es Sie, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus wieder einmal als Probleme der neuen Bundesländer dargestellt werden?

Bisky: Nein, wenn die Tendenz dahin geht, dass es nur Probleme der neuen Bundesländer wären, dann würde ich protestieren. Das sind sie zweifelsfrei nicht. Aber dass es hier rechtsextreme Tendenzen gibt, ist eine Tatsache. Ich kann Tatsachen nicht übersehen, und ich will sie nicht übersehen.

Das Problem der wirksamen Bekämpfung von rechtsextremistischen Gewalttaten ist ja gerade, dass zu viel weggesehen wird im Alltag. Und deshalb darf ich das mir nicht auch noch verordnen.

March: Ist es deshalb eine Sache des Ostens, sich um das Problem zu kümmern, oder ist das eine nationale Aufgabe?

Bisky: Ich sehe das als ein nationales Problem. Das ist nicht eine Aufgabe des Ostens allein. Es gibt viele Ursachen für diese Erscheinung. Ich bin seit vielen Jahren auch damit beschäftigt, weil es mich auch irgendwo quält, und es ist ja auch eine beschämende Tatsache. Aber es hat auch zu tun mit der sozialen Situation, also der Abwanderung gerade von aktiven jungen Leuten, von aktiven jungen Frauen aus dem Osten, was ich für eine ganz komplizierte Situation halte.

Da muss man etwas dagegen halten. Und das Zweite, was ich sehe, es ist so eine kampagnenartige Behandlung des Rechtsextremismus. Immer, wenn etwas passiert, entrüsten wir uns. Es ist richtig, dass wir uns entrüsten. Aber ich hätte gerne etwas mehr Stetigkeit in der Arbeit, damit Zivilcourage vor Ort gestärkt werden kann, damit wir das nicht als eine Tagesaufgabe oder als eine Kampagne alleine sehen können. Denn die Wurzeln des Rechtsextremismus sind offensichtlich tiefer und können nicht durch Empörungswellen bekämpft werden.

March: Und die Wurzeln sind in West und Ost andere?

Bisky: Natürlich gibt es in sozialen Problemen in der Bildung ähnliche Ursachen, auch gleiche Ursachen. Im Osten gibt es natürlich durch die Wende, durch die Veränderung aller Lebensverhältnisse auch besondere Ursachen noch. Hier haben ja Jüngere und andere auch erlebt, dass sich über Nacht auch die Ansichten von vielen, vielen Menschen, die sie kennen, die ihnen nahestanden, sehr verändert haben. Das hat nicht jeder so verkraftet.

Es gab auch autoritäre Züge in der Erziehung der DDR, und es gab ja auch die ersten Anfänge der Rechten in der DDR. Da gab es die ersten Filme, die dann nicht gezeigt wurden, was völliger Unsinn war, und so weiter und so fort. Das gab es schon. Es gab allerdings etwas im Osten, was gewissermaßen zum Gemeingut gehörte, das war eine antifaschistische Tradition.

Nun war die einseitig. Und die Einseitigkeit des Antifaschismus will ich nicht bestreiten, aber man hat mit der Einseitigkeit den ganzen Antifaschismus ein bisschen in die Ecke geschoben, sodass er von immer weniger Menschen vertreten wird, auch von jungen Menschen, die besonders aktiv waren und den Rechten etwas entgegen gehalten haben in den Kommunen. Das nimmt ab, und das macht mir am meisten Sorge.

March: Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Kramer, kritisierte, was Sie auch eben kritisiert haben, Herr Bisky. Er sagte, es gebe immer die gleichen Vorfälle, danach immer die gleichen Stellungnahmen, aber keine spürbare Änderung der Strategie gegen Fremdenfeindlichkeit. Hat die Regierung tatsächlich bislang zu wenig getan?

Bisky: Ich denke schon, dass die Regierung es sich zu einfach macht, wenn sie immer mal wieder nur darauf verweist, es wäre schlecht für den Standort. Man muss etwas stetiger Zivilcourage vor Ort stärken. Man muss etwas mit mehr Überzeugung, glaube ich, und auch mit mehr moralischer und materieller Unterstützung gute Projekte, die dann irgendwann gestrichen wurden, weil das Geld ja immer knapp ist, unterstützen. Man muss etwas mehr tun für Freizeitmöglichkeiten von Jugendlichen.

Und ich glaube, man muss etwas mehr tun für die Menschen, die sich vor Ort mit Zivilcourage solchen Tendenzen entgegen stellen. Und wir brauchen etwas in der Entwicklung der Wertorientierungen junger und älterer Menschen. Toleranz gegenüber anderen muss wieder als Wert stärker gepflegt werden, und Fremdenfeindlichkeit muss geächtet werden. Es gehört zur Ächtung.

Also ich habe eine Verachtung für Menschen, die die Schwächsten, das sind Ausländer, die hier her kommen, sich nicht wehren können, sich kaum auskennen, dass man die Schwächsten prügelt, um daran sein Mütchen zu kühlen. Das ist wirklich eine schäbige Verhaltensweise.

March: Nun ist ja bislang das Familienministerium für das Thema Rechtsextremismus zuständig. Wäre es im Bundesinnenministerium vielleicht besser aufgehoben?

Bisky: Das ist nicht eine Frage, wo es institutionell angesiedelt wird. Es wäre aber gut, wenn man nicht die weichen Themen, ich setzte die weichen Themen in Anführungszeichen, alle zum Familienministerium schiebt und die harten Themen beim Innenministerium belässt.

Das Innenministerium ist hier genauso in der Pflicht. Es ist letztendlich eine Frage der Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerien, die Verantwortung nicht den jeweils anderen zuzuschieben und sie damit wegzudrücken. Sondern in der Zusammenarbeit wird die Qualität der Arbeit der Regierung geprüft werden müssen in den nächsten Jahren.

March: Nun gab es in diesem Zusammenhang ja zwei Forderungen. Die einen Fordern einen Bundesbeauftragten für Demokratie und Toleranz, die anderen einen Demokratiegipfel, an dem die Politik, aber auch Sportverbände und Pädagogen zum Beispiel teilnehmen sollen. Was halten Sie für den besseren Vorschlag?

Bisky: Also den Demokratiegipfel halte ich für einen besseren Vorschlag, wenn es nicht beim Gipfel bleibt, sondern wenn der Gipfel Alltag wird. Das heißt, dass man nicht einen Gipfel macht, und dann ist das Problem wieder abgehakt. Sondern dass man auf dem Gipfel seriös versucht - Heye hat ja vernünftige Vorschläge dazu in die Welt gesetzt - dass man darüber berät und das verstetigt, damit es eben wegkommt von der Kampagne.

March: Lothar Bisky, Vorsitzender der Partei der Linken. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Bisky: Ich danke Ihnen auch. Auf Wiederhören.
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