Bioethiker warnt vor "Diktat des Geldes" in der Medizin

01.09.2009
Giovanni Maio, Professor für Bioethik und Medizingeschichte an der Universität Freiburg, hat vor einer Ökonomisierung ärztlichen Handelns gewarnt. Zu Meldungen, dass Ärzte Patienten in bestimmte Krankenhäuser einweisen, weil sie dafür Prämien bekommen, sagte Maio am Dienstag im Deutschlandradio Kultur, wenn das Ökonomische die Entscheidungen von Ärzten bestimme, sei das für die Patienten erschütternd.
Mit solchen Praktiken schmissen Ärzte und Krankenhäuser "genau das über Bord, was die Medizin ausmacht", sagte Maio: "Es geht um den Kern der Medizin, der damit aufgegeben wird." Dieser bestehe darin, dass "da ein Mensch sich eines anderen Menschen annimmt, der in Not geraten ist". Andernfalls werde die Medizin zum "reinen Dienstleistungsbetrieb". "Das kann doch ein Arzt nicht (…) wollen. Deswegen muss er sich dagegen wehren", sagte Maio.

Der Vorwurf, dass Ärzte geldgierig seien, sei ein sehr alter Vorwurf, sagte Maio. Neu sei hingegen, dass Ärzte und Krankenhäuser existenziell bedroht seien. Praktiken wie Kopfprämien bei Überweisungen seien eine Folgeerscheinung des "Diktats des Geldes" im Gesundheitswesen. "Wenn man politisch eine solche Notsituation den Krankenhäusern und Praxen auferlegt, ist es eine logische Schlussfolgerung, dass dann natürlich diese Krankenhäuser und Praxen versuchen werden, zu überleben - auf Kosten der Moral."

Maio plädierte eindringlich dafür, zur "Beziehungsmedizin" zurückzukehren. Medizin werde derzeit nur noch als Anwendung von technischen Apparaten und Medikamenten begriffen und leide unter Verrechtlichung, Entpersonalisierung und Standardisierung. Der Patient sei aber darauf angewiesen, dass der Arzt es gut mit ihm meine. Nur eine Beziehungsmedizin sei wirklich effektiv, betonte der Bioethiker.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 1.3.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.