Biochemikerin und Unipräsidentin Ulrike Beisiegel

Die Wahrheitssuche in den Wissenschaften

Ulrike Beisiegel
Professorin aus Passion: Ulrike Beisiegel ist Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen. © picture alliance / dpa / Swen Pförtner
Moderation: Susanne Führer · 14.08.2017
Kritisch hinterfragen, überprüfen, beweisen – das sind die Stärken wissenschaftlichen Arbeitens: "Erst dann werden Erkenntnisse zu Fakten", sagte Ulrike Beisiegel auf dem "March for Science". Die Biochemikerin ist Präsidentin der Georg-August-Universität Göttingen.
Als die Biochemikerin Ulrike Beisiegel 2011 das Amt der Präsidentin der Universität Göttingen antrat, forderte sie Ungewöhnliches: Die Forschung müsse entschleunigt werden. Natürlich solle nicht weniger oder gar weniger enthusiastisch geforscht werden, aber der hohe Druck im Wissenschaftssystem führe dazu,
"dass wir nur noch Publikationen zählen und nicht mehr lesen, dass es nur noch darum geht, wieviel Geld ein Wissenschaftler eingeworben und nicht mehr welche und wie viele Erkenntnisse. Und damit meine ich neue Erkenntnisse, die wirklich uns alle weiter bringen - hat er oder sie denn erzeugt. Und deswegen ist das große Thema: können Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler unter diesem hohen Druck wirklich noch qualitativ gute Arbeit leisten oder sind wir am Ende ein bisschen Hamster im Rad und machen eine Publikation nach der nächsten?"
Diese Sorge teilten alle Wissenschaftler wie auch die Wissenschafsorganisationen, meint Ulrike Beisiegel. "Der Leistungsdruck ist auf der einen Seite natürlich auch wichtig, denn Konkurrenz ist wichtig. Ein gewisser Druck ist richtig. Aber der Druck, also die Beschleunigung – wenn man das so sagen darf – geht in eine Richtung, dass die Qualität leidet."
Die Universität Göttingen oder Deutschland allein könnten das Problem nicht lösen, es müsse international angegangen werden, sagt Ulrike Beisiegel. Aber sie werde alles, was in ihrer Macht stehe dafür tun, um diesen Kulturwandel zu erreichen.

Silberner Kaufmannslöffel für Uni-Präsidentin

Ulrike Beisiegel hat als Biochemikerin in weltweit renommierten Labors geforscht, sie war Professorin an der Universität Hamburg, Ombudsfrau der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Mitglied im Wissenschaftsrat. Neben mehreren Wissenschaftspreisen und zwei Ehrendoktor-Titeln erhielt sie im vergangenen Jahr eine ungewöhnliche Auszeichnung: den "Silbernen Kaufmannslöffel" des Göttinger Handelsverbands. Ihr ist es wichtig, die Universität zur Stadt hin zu öffnen, und so hat die "Nacht des Wissens" eingeführt, ist mit ihrer Uni dem Förderverein "Pro City" beigetreten und plant ein Wissenschafts-Museum, "Forum Wissen", das 2019 öffnen soll.
"Wir müssen der Bevölkerung transparenter machen, was wir tun, nach welchen Regeln wir das tun und auch, wie sich Wissenschaft über die Zeit verändert." Denn es gebe nicht eine Wahrheit, die dann für immer die Wahrheit sei, sagt die 64jährige. Wissenschaft entwickele sich.
"Irgendwann hat man gesehen wie groß eine Zelle ist, und heute können wir wirklich darstellen das einzelne Molekül. Damit stimmt die Wahrheit der Zelle immer noch von damals, aber methodisch entwickelt sich die Wissenschaft weiter. Dieser Prozess, der kommt bei den Menschen oft so an, heute sagen sie das, morgen das. Das ist nicht richtig sondern wir müssen einfach transparent machen, wie entwickelt sich Wissenschaft und müssen sie auch in eine Sprache übersetzen, dass jeder sie versteht."
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