"Bildung ist Ländersache"

Mike Mohring im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 14.09.2011
Mike Mohring spricht sich dagegen aus, dass Kompetenzen in der Bildungspolitik von den Ländern an den Bund abgegeben werden. Seine Partei halte am Kooperationsverbot fest, sagte der Unions-Politiker im Vorfeld einer Bildungskonferenz mehrerer CDU-Landesverbände.
Jörg Degenhardt: Deutschland ist ein reiches Land, keine Frage – aber die deutschen Bildungsausgaben, die liegen noch immer deutlich unter dem Schnitt der anderen Industrienationen, sagt die OECD, das ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die sagt auch in einer frischen Studie, dass der Anteil Hochqualifizierter in Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern kaum gewachsen ist. Unterm Strich kein gutes Zeugnis, das uns da ausgestellt wird, und das die Frage aufwirft, warum es nicht so richtig vorangeht, wo doch alle Parteien immer wieder betonen, wie wichtig für sie Bildungsfragen sind. Heute will die Union auf einer Konferenz solche diskutieren, mit dabei ist der Vorsitzende der Unionsfraktion im Thüringer Landtag Mike Mohring. Ich grüße Sie, Herr Mohring!

Mike Mohring: Guten Morgen!

Degenhardt: Ich nehme zunächst noch mal den OECD-Bericht: Warum lassen wir uns die Bildung so wenig kosten? Zum Vergleich: 1995 gab Deutschland 5,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Bildung aus, 2008 war dann dies gerade mal 4,8 Prozent.

Mohring: Na ja, weil es halt nicht nur darauf ankommt, was man an Geld ausgibt, sondern auch, mit welchem Ertrag man die Bildungsinvestitionen sozusagen sehen kann, und da liegt Deutschland immerhin auf Platz zwei nach den Vereinigten Staaten. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass es am Ende darauf ankommt: Wenn ich öffentliche Investitionen in Bildung mache, dann lohnen sie sich am meisten in Europa in Deutschland.

Degenhardt: Dann gehen wir doch mal weg vom Geld und zum Ertrag hin: Wie sieht denn für Sie der Weg zu einer Bildungsrepublik Deutschland aus? Diese Bildungsrepublik, die schwebt ja der Bundesbildungsministerin und stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Frau Schavan vor. Gehört zum Beispiel für Sie die Hauptschule noch dazu?

Mohring: Wir haben uns ja vorgenommen, auf unserem Bundesparteitag darüber zu reden: Was ist für die Union die Zukunft der Bildungsrepublik Deutschland? Ich finde das zunächst richtig, dass die Union sich dieser Aufgabe widmet, weil ja doch in der Bevölkerung eine große Debatte und Unsicherheit darüber herrscht: Ist unser Schulabschluss unserer Kinder vergleichbar? Wie sieht das aus, ist das zukunftsfähig? Ist das Kind auf der richtigen Schule? Und dass wir uns darüber Gedanken machen, wie können wir das bündeln, das ist zumal der richtige Weg. Und wir sagen, und das ist das Entscheidende aus Unionssicht: Wir brauchen eine Schule, die gegliedert ist, die leistungsgerecht ist und die chancengerecht ist, und darunter muss dann sozusagen ein Schulsystem stehen, das für jedes Kind auch die individuell beste Antwort gibt.

Degenhardt: War das jetzt eine Fürsprache für ein zweigliedriges Schulsystem oder für den Erhalt der Hauptschule?

Mohring: Wenn man sich die internationalen und nationalen Bildungstests anguckt, da stellt man ja fest, dass in den letzten Jahren vier Länder immer vorn standen, das ist Sachsen, das ist Thüringen, wo ich herkomme, Bayern und Baden-Württemberg. Die Sachsen und Thüringer haben ein zweigliedriges Schulsystem, aber ein gegliedertes. Die Bayern und Baden-Württemberger haben ein dreigliedriges Schulsystem, aber auch ein gegliedertes. Und deswegen finde ich: Wenn vier Unionsländer, die immer unionsgeführt im Kultusministerium, so an der Spitze stehen, braucht die Union sich jedenfalls keinen Streit darüber zu leisten, ob sie für ein zweigliedriges oder dreigliedriges Schulsystem eintritt. Entscheidend ist, dass wir für ein gegliedertes Schulsystem stehen und nicht für ein Einheitsschulsystem, und darunter sollte in jedem Bundesland die beste Schule entwickelt werden, und das heißt auch auf jeden Fall immer mit Hauptschulabschluss. Ob das in der Hauptschule sein muss, ist eine ganz andere Frage.

Degenhardt: Bleiben wir in Ihrem Bundesland: Was will denn speziell die CDU in Thüringen im Bildungsbereich verändert sehen?

Mohring: Wir haben ja gerade eben erst in der neuen Koalition mit unserem Koalitionspartner SPD unser Schulgesetz weiterentwickelt, haben sozusagen das fortgeschrieben, was wir in der Schule bisher in den letzten zwei Jahrzehnten gut gemacht haben, haben jetzt noch ein neues Angebot für eine Gemeinschaftsschule oder auch für eine Oberschule entwickelt. Und da haben wir gezeigt, das ist unser Schwerpunkt: Wir wollen ein eigenständiges Gymnasium fortentwickeln, wir wollen die Grundschulen sichern, wollen die Förderschulen einbinden im Schulsystem und wollen das, was in der mittleren Schule, also in der Sekundarschule – bei uns heißt das Regelschule – ... so weiterentwickeln, dass man den Weg zur Oberschule gehen kann.

Degenhardt: Bei dem, was Sie wollen – hat Thüringen eigentlich dabei auch Erfahrungen aus DDR-Zeiten mit berücksichtigt, oder war das alles nicht zu gebrauchen?

Mohring: Na gut, wir in den neuen Bundesländern insgesamt haben ja von Anfang an bei unserer Weiterentwicklung des Schulsystems nach der Friedlichen Revolution auf das zweigliedrige Schulsystem gesetzt. So gesehen ist das eine Erfahrung aus der DDR, und deswegen ist für uns die Debatte zweigliedrig oder dreigliedrig keine Debatte, die sich für die Zukunft abspielt, sondern das ist schon immer bei uns Zukunftspolitik gewesen, auf Zweigliedrigkeit zu setzen. Aber wenn man auf die anderen Bundesländer wie Baden-Württemberg schaut und auch Bayern, dann sind die auch mit ihrem dreigliedrigen Schulsystem erfolgreich und haben die Hauptschule weiterentwickelt zur Werkrealschule wie in Baden-Württemberg zum Beispiel und mit einer Praxisorientierung verbunden, die wir ja brauchen. Weil eins steht fest, und da will ich noch mal einen Blick machen auch zur OECD-Studie: Nicht jeder Schüler hat ein gelingendes Leben anschließend, wenn wir ihn sozusagen verpflichten, dass er unbedingt anschließend auf die Uni gehen muss und dann studieren muss, sondern man kann auch ein gutes Leben haben, wenn man aus der Hauptschule kommt und mit einer ordentlichen Berufsausbildung ins Leben startet.

Degenhardt: Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen: Bildung ist in Deutschland bekanntlich Ländersache, Sie haben es auch schon kurz angesprochen, Herr Mohring. Wie schafft man trotzdem eine gewisse Vergleichbarkeit der Schulausbildung oder geht das gar nicht?

Mohring: Ja, doch, das ist unser Ziel, dass Vergleichbarkeit sein muss. Wenn wir schon, sage ich mal, unterschiedliche Schularten in Deutschland sozusagen wollen, aus den Ländern heraus entwickeln, dann muss es am Ende Vergleichbarkeit geben. Und dafür setzen wir uns ein, dass alle Schulabschlüsse – egal, ob es der Hauptschulabschluss ist, ob es der Realschulabschluss ist oder der gymnasiale Abschluss ist –, die müssen miteinander vergleichbar sein, weil es kann am Ende nicht darauf ankommen, wenn die Eltern umziehen müssen, das Kind in eine neue Schule gehen muss, dass deswegen dann das Kind zurückfällt, weil der Abschluss oder die bisherigen Leistungspunkte sozusagen nicht angerechnet werden. Da müssen wir einen Schritt tun und da haben wir auch ziemlich lange gebraucht für die Debatte, aber ich glaube, nach unserem Bundesparteitag gibt es dafür auch Klarheit und Vergleichbarkeit. Die brauchen die Eltern und die Schüler, und die Politik muss da liefern.

Degenhardt: Nun gibt es in Hamburg beispielsweise eine Stadtteilschule, es gibt in Bayern die Mittelschule. Ist es nicht an der Zeit, den Bildungsföderalismus stärker infrage zu stellen, Bildungskompetenzen vielleicht an den Bund abzugeben, um auch international konkurrenzfähiger zu werden?

Mohring: Ja, Vergleichbarkeit heißt zunächst auch, dass wir schauen müssen, ob wir ein bisschen die verschiedenen Schulartbegriffe sozusagen ordnen können, und deswegen schlagen wir vor, dass es neben der gymnasialen Schulausbildung den Oberschulausbildungsteil geben soll, und darunter verbinden wir dann alles das, was wir bisher kennen unter Hauptschulabschlüssen und unter Realschulabschlüssen. Zu Recht sagen ja unsere Leute, die sich mit Bildungspolitik in besonderer Weise beschäftigen: Wir haben über 167 Schulartsbegriffe, ist zu viel und ist nicht mehr vergleichbar. Und das zu reduzieren auf Oberschule und Gymnasium, ist glaube ich ein richtiger Weg dahin. Und im Übrigen sagen wir, so hat es auch der Bundesvorstand unserer Partei beschlossen, wir halten am Kooperationsverbot fest: Bildung ist Ländersache, und aus den Ländern heraus muss zukunftsfähige Bildung in Deutschland entwickelt werden.

Degenhardt: Die CDU diskutiert neue Ansätze in der Bildungspolitik, unter anderem das Ende der Hauptschule. Das war Mike Mohring, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Thüringer Landtag. Herr Mohring, vielen Dank für das Gespräch!

Mohring: Ich danke Ihnen, schönen Tag!

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