Bilder und Bauten des Abendlandes

25.12.2010
Die christliche Kunst des Abendlandes von ihren Anfängen bis heute in bestechenden Aufnahmen. Dieser elf Kilo schwere Bildband ist eine Einladung zu einer einzigartigen Entdeckungsreise.
Das "Jüngste Gericht" der Kathedrale von Autun ist weltbekannt. Die Qual der Verdammten und das Glück derer, die ins Paradies dürfen, hatte Meister Gislebertus im 12. Jahrhundert in Stein gehauen. Seither mahnte es Tausende Pilger und begeisterte ebenso viele Kunstinteressierte. Mit welch großer Präzision und fast erschreckender Detailversessenheit der Meister seine Werkzeuge führte, lässt sich jetzt in besonders eindrücklicher Weise erleben: Der Tympanon von Autun ist eines der Werke, die in dem opulenten und in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Bildband "Ars Sacra" porträtiert werden.

"Ars Sacra" will das gesamte Spektrum der christlichen Kunst des Abendlandes von ihren Anfängen bis heute darstellen – in Wort und vor allem Bild und in herkömmliche Buchformate sprengender Dimension. Steinschwer (11 Kilo), 44 Zentimeter hoch, 29 Zentimeter breit und 12 Zentimeter dick haben Verleger Herbert Ullmann und Herausgeber Ralf Toman das Buch konzipiert und dem Fotografen Achim Bednorz damit eine famose Spielwiese bereitgestellt.

Die Aufnahmen, die er nach 150.000 Reisekilometern nach Hause brachte, sind bestechend. Sie zeigen die wichtigsten Kunst- und Architekturwerke des Christentums: Innen- und Außenansichten von Kirchen, Kathedralen, Kapellen und Klöstern, Altar- und Tafelbilder, Mosaiken, Fresken, Skulpturen, Goldschmiede-, Elfenbein-, Holz-, Textil- und Buch-Kunstwerke sowie liturgische Gefäße und Geräte.

Ob Panoramaansicht oder Nahaufnahme – Bilder solcher Qualität muss man lange suchen. Um etwa den Dom zu Speyer in Szene zu setzen, ließ sich Bednorz per Kranwagen 40 Meter in die Höhe hieven. Noch überzeugender als solche (Gesamt-)Aufnahmen sind seine Detailansichten, weil sie atemberaubende Ein- und Anblicke ermöglichen. Die Fassadenfiguren des Tympanons von Autun etwa meint man fast wispern zu hören, so nah kommt man ihnen. Die Verzierungen von Kapitellen, Türen oder Taufbecken zeigen im Detail auf einer Doppelseite dargestellt eine ungeheuer feine künstlerische Handschrift. Wie auch die Nahaufnahmen großer Altar- und Tafelwerke etwa von Jan van Eyck, Tizian oder Mathias Grünewald. Selbst wer die Bilder kennt, wird hier noch Neues entdecken.

Was sich weniger erschließt, ist die Auswahl der einzelnen Werke. Zwar sind viele Höhepunkte der fast 2000-jährigen Geschichte der ars sacra zu sehen, aber längst nicht alle. Das tut dem Verdienst des Bandes zwar keinerlei Abbruch, dennoch hätte man gerne gewusst, welche Kriterien ausschlaggebend waren.

Überzeugend hingegen ist das chronologische Ordnungsprinzip nach einzelnen Epochen, deren Darstellung namhafte Wissenschaftler übernommen haben. Sie geben knappe aber fundierte Überblicke etwa der Antike, der Romanik oder der Moderne und beschreiben wichtige Merkmale, bedeutende Kunstzentren, Orte herausragender Architektur und viele abgebildete Kunstwerke. Ein umfängliches Glossar hilft darüber hinaus all jenen, die nicht sofort wissen, was unter einem Tympanon oder einem Ziborium zu verstehen ist. Aber, trotz ihrer Qualität: es sind nicht die Texte und Erklärungen, die "Ars Sacra" zu diesem Prachtband machen!

Besprochen von Eva Hepper

Ralf Toman (Hg.): Ars Sacra
h.f. ullmann Verlag, Köln 2010
800 Seiten, 150 Euro