Beziehungsreigen in klassischer Hollywood-Manier

Vorgestellt von Hannelore Heider · 09.07.2008
Angesiedelt in den späten 40er Jahren mit einem gehörigen Schuss Nostalgie erzählt "Married Life" eine Vierecksgeschichte mit viel Ironie und feiner Situationskomik. Die altmodisch anmutende Geschichte ist auch deshalb so vergnüglich, weil die Darsteller Spaß an ihren Rollen haben. "AlleAlle" zeigt ein modernes Märchen aus Brandenburg mit viel schwarzem Humor.
"Married Life"
USA/Kanada 2007. Regie und Drehbuch: Ira Sachs, Oren Moveman. Darsteller: Chris Cooper, Patricia Clarkson, Pirece Brosnan, Rachel McAdams und andere. 90 Minuten

Nach dem Roman "Fünf Kurven in den Himmel" von John Bingham, der 1952 veröffentlicht wurde, entstand ein erstaunlich modern wirkendes Melodram mit viel komödiantischem Witz, das die Ansiedlung seiner Geschichte in den späten 40er Jahren aber nie verleugnet, im Gegenteil. Nostalgie und die Kinotradition der großen Hollywoodstudios sind hier eine schöne Mischung eingegangen, die Spannung, darstellerische Brillanz und liebevolle Ausstattung mit exzellenten Dialogen verbindet.

Erzählt wird die Dreiecks- oder besser Vierecksgeschichte aus der Perspektive des Mannes, der vom Beziehungschaos scheinbar am meisten profitiert, aber eigentlich sind am Ende alle Gewinner. Das ist erstaunlich, den der lange verheiratete Harry (Chris Cooper) offenbart zu Beginn seinem Freund Richard (Pierce Brosnan), dass er entschlossen ist, seine Frau zu verlassen. Er liebt sie, sie aber hat ihm nie die Liebe gegeben, die er in einer Ehe erwartet. Pat (Patricia Clarkson) hingegen sei nur an Sex interessiert, was eine interessante und provokante Konstellation ist, die man in einer kaputten Ehe am wenigsten erwartet.

Doch er will seine Frau nicht durch eine Scheidung demütigen, also sinnt er auf einen Ausweg. Gift soll den Weg frei machen in ein Leben mit der jungen, bildschönen und vor allem in ihn wirklich verliebten Kay (Rachel McAdams). Bis das geregelt ist, gibt er seine junge Liebste in die Obhut des Freundes, was selbst angesichts eines deutlich behäbiger werdenden Pierce Brosnan keine gute Idee ist. Den mit allen Wassern gewaschenen Womanizer befällt der Neid angesichts der Liebe, die überall sprießt, nur nicht für ihn. Denn auch Pat hat einen Liebhaber, dem sie aufrichtig zugetan ist, doch auch sie will ihren Mann nicht demütigen, auf gar keinen Fall will sie ihn verlassen.

Liebe und Intrigen überall in diesen "Married Lifes", doch nie ohne Herz. Dafür mit feiner Situationskomik und Ironie, denn ausgerechnet der Herzensbrecher Richard muss zu sehen, dass er auch etwas abbekommt. Er zieht alle Register der Verführung, die Spannung steigt, das Gift ist schon im Medizinfläschchen, aber der Film hat immer noch eine Volte parat.

Die altmodische Geschichte ist auch deshalb so vergnüglich, weil sie zeigt, dass in Liebesdingen fürs Kino nichts Neues erfunden werden muss und vor allem auch, weil sie in einer Zeit spielt, wo ein Singledasein noch nicht als erstrebenswert galt. Am Ende arrangiert man sich bestens und das Vergnügen der exzellenten Darsteller an ihren Rollen ist ganz auf unserer Seite.


"AlleAlle"
Deutschland 2008. Regie und Drehbuch: Pepe Planitzer. Darsteller: Milan Peschel, Eberhard Kirchberg, Marie Gruber, Simone Frost und andere. 90 Minuten

<im_45448>"AlleAlle" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_45448>Wieder mal eine Geschichte aus der ostdeutschen Provinz, die mit den üblichen Zutaten nicht spart - die Helden sind Loser, egal ob behindert, versoffen, aus dem Knast und sowieso ohne Geld. Diesmal wurde im Fläming in Brandenburg gedreht, zumeist auf dem öden Gelände ehemaliger sowjetischer Kasernen, die Dohmühl als einzige Hinterlassenschaft von seinem Vater geerbt hat. Magnetisch zieht dieses verlassene Gelände die Verlierer an und doch wird daraus keine deprimierend öde Geschichte, bei der verständnisvolle Zuschauer am Ende bestenfalls den Kopf schütteln und sagen "Ja, so ist es eben!".

Nichts bleibt so, wie es ist, als der erwachsene, sichtbar geistig irgendwie behinderte Hagen (Eberhard Kirchberg) die staatliche Anstalt verlassen muss, um fürderhin bei seinem Onkel zu wohnen. Den findet er nicht, dafür aber einen freundlichen Mann am Rande des Deliriums: Dohmühl (Milan Peschel). Seine schnoddrigen Sprüche und oberflächlichen Betreuungsversuche können freilich nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass er am Ende ist mit seiner Gerüstbaufirma, seiner Beziehung zu Frauen und seinem Bankkredit.

Dass ausgerechnet die Begegnung mit diesem großen Schwachsinnigen ihn zur Besinnung bringt und ihm sogar die Frau seiner Träume Ina (Marie Gruber) zuführt, gehört zu einem Märchen, das mit Sinn für Humor auch in schwarzen Zeiten und vor allem mit viel Herz erzählt wird. Dabei geht es hier nicht sensibel, sondern ziemlich rau zu, was der Glaubwürdigkeit einer Geschichte zugute kommt, die frei nach "Burnout" von Oliver Bukowski in der Verfilmung auch lose Enden verträgt.

Denn diese Ina zum Beispiel ist aus dem Knast gekommen und wird auch wieder dahin gesteckt, ohne dass wir erklärt bekommen, weshalb das passieren muss. Doch Marie Gruber wie alle anderen Darsteller überspielen das, die Sympathien fliegen ihnen zu. Der Werbespruch, "AlleAlle" (für am Ende sein) sei der wohl poetischste Film der Berlinale, ist keine Hochstapelei!