Beziehungen in ihrer ganzen Buntheit

24.04.2007
Mit grob gezimmerten Beziehungskisten kannte Martha Gellhorn, zeitweilige Gefährtin Ernest Hemingways, sich aus; von verheißungsvollen, konfliktreichen, scheiternden Liebschaften erzählen auch die Prosakunststücke des Bandes "Paare". Die Autorin erkundet Verhaltensmuster, Rituale und Gesten spannungsvoller Partnerschaften. Nicht verbittert oder hasserfüllt schreibt sie, sondern mit feiner Ironie.
Martha Gellhorn, 1908 geboren in St. Louis/Missouri, hat in ihren neunzig Jahren Leben immer wieder von sich reden gemacht. Etwa als Gefährtin Ernest Hemingways. Gellhorn, eine auffallend schöne Frau, und der Starautor begegneten einander Weihnachten 1936 in Key West; ab 1937 waren sie gemeinsam in Spanien, 1940 folgte die Heirat (Martha wurde die dritte, die vorletzte Ehefrau des Dichters). Robert Capa, der großartige Fotograf und spätere Mitbegründer der Agentur "Magnum", hat die Hochzeit für das "Life"-Magazin verewigt.

Das Paar lebte bei Havanna in der Finca Vigia; die beiden schrieben in der Finca, Martha an Erzählungen, Ernest an dem Roman "Wem die Stunde schlägt". Sie sahen gut aus miteinander, er hat sie nicht gut behandelt; die Ehe hielt nur vier Jahre. Frau Gellhorn war später noch einmal verheiratet, erneut nicht dauerhaft; sie hatte viele Liebhaber, und oft war sie allein.

Man kennt Martha Gellhorn als Kriegsreporterin, das "Desaster Girl", furchtlos-verwegen an den Brennpunkten des 20. Jahrhunderts: Spanien im Bürgerkrieg, Prag vor dem Einzug der Deutschen, Finnland beim Einmarsch der Roten Armee, das KZ Dachau kurz nach der Befreiung. (Der Anblick hat sie schockiert – und das Verhalten der Deutschen. "Niemand ist ein Nazi", notierte sie bissig im April 1945. "Niemand ist je einer gewesen. Ein ganzes Volk, das sich vor der Verantwortung drückt, ist kein erbaulicher Anblick.") Später erlebte sie die Gewaltorgien in Vietnam, im Nahen Osten, in Mittelamerika... "Ich folgte dem Krieg, wo immer ich ihn erreichen konnte."

Als Autorin hinterließ Martha Gellhorn – neben den Reportagen – acht Romane und vier Bände Kurzprosa. Nun darf man ihre Kunst als Erzählerin einmal mehr bewundern, in einer eleganten Neuübersetzung von "Two by Two" (im Original 1958 verlegt). Ein gutes, gut gestaltetes Buch aus dem Zürcher Dörlemann-Verlag, ein Genuß für Finger und Augen, handlich in meerblauem Leinen, mit eingeklebtem Foto auf dem Cover und – nanu? – einem Strauß weißer Tulpen im Vorsatz.

"Paare": Mit grob gezimmerten Beziehungskisten kannte Martha Gellhorn sich aus; von verheißungsvollen, konfliktreichen, scheiternden Liebschaften erzählen auch die Prosakunststücke dieses Bandes. In einem Experiment mit wechselnden Konstellationen erkundet die Autorin Verhaltensmuster, Rituale und Gesten spannungsvoller Partnerschaften. Nicht verbittert oder hasserfüllt schreibt sie, sondern mit feiner Ironie. Bedachtsam nähert sie sich ihren Figuren – Paaren, die im Bett, im Haus, in der Gesellschaft ihre Kriege austragen, während im Hintergrund noch das Echo des anderen, großen Krieges zu hören ist.
Vier Novellen: In einem düsteren italienischen Schloß, kurz nach der Invasion der US-Truppen, leben der junge Fürst Andrea und seine amerikanische Frau Kitty aufeinander zu und aneinander vorbei. Eine Dame namens Rose, Emporkömmling der britischen Oberschicht, treibt ihre wechselnden Gefährten die Karriereleiter hinauf. Ein New Yorker, Ricky, teilt Zeit und Zuwendung zwischen seiner chronisch kranken Frau Annette und der lebenslustigen Werbezeichnerin Maggie, seiner Geliebten.

Mit der vierten Geschichte setzte die Autorin einem brüderlichen Freund ein literarisches Monument. Drei Jahre arbeitete Martha Gellhorn an diesem Text über einen Kriegsfotografen und seine große Liebe. Tim Bara heißt der Fotograf im Buch, Robert Capa ist gemeint, getötet 1954 in Vietnam. Am Ende fügen sich die vier Novellen zu einem Reigen; die vier Titel bilden einen Schwur, für den die Verfasserin vermutlich gern gelebt hätte: In guten wie in schlechten Tagen / In Reichtum und Armut / In Gesundheit und Krankheit / Bis der Tod uns scheide.

Eine Freude ist auch das poetische Nachwort von Hans Jürgen Balmes. Er zitiert Martha Gellhorn aus einem Brief an ihren Lektor. "Wir schreiben immer weiter, um den großen Wartesaal unseres Selbst und unseres Lebens zu füllen, weder für Kritiker noch für irgendwen sonst." Und er berichtet vom Ende der Erzählerin, wie sie, fast erblindet und starke Schmerzen fürchtend, im Februar 1998 mit einer kleinen weißen Tablette in den Freitod ging. Über der Kommode im Schlafzimmer – so Balmes – hingen Fotografien, auch von Robert Capa. Unter den Fotos stand ein Blumenstrauß: weiße Tulpen.

Rezensiert von Uwe Stolzmann


Martha Gellhorn: Paare. Ein Reigen in vier Novellen
Mit einem Nachwort von Hans Jürgen Balmes. Aus dem Amerikanischen neu übersetzt von Miriam Mandelkow.
Dörlemann Verlag, Zürich 2007, 256 Seiten, 21,90 Euro