Beruf Pop-Musikerin

13.07.2007
Der mit Fotos reich bebilderte Band stellt die Frontfrauen von "Wir sind Helden", "Silbermond", "Juli", "Mia" oder Musikerinnen wie Annett Louisan vor. In Interviews spürt Arnt Cobbers ihren Motivationen und Arbeitserfahrungen nach. Inga Humpe wünscht sich ihr Publikum nach einem Konzert "befreit, beschwingt und voller Energie, ihre Träume zu verwirklichen".
Frauen spielen in der aktuellen deutschen Popszene eine wichtige Rolle. Arnt Cobbers spürt in dreizehn Interviews Motivationen, Gefühlen und Einstellungen von Sängerinnen nach. Biografische Werdegänge, Erfahrungen mit dem männlich dominierten Musikbusiness sowie Realitäten des Berufslebens als Musikerin kommen darin zur Sprache.

Der Autor vertritt keine eigene These, sondern lässt ausschließlich die Protagonistinnen zu Wort kommen. Er betont die Verschiedenheit der Musikerinnen sowie der von ihnen vertretenen Musikstile und verspricht allein durch diese Selbstaussagen Einblicke in ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten. Dieses Vorgehen birgt Vor- und Nachteile: Einerseits erfüllen die ausführlichen Interviews grundsätzlich durchaus das genannte Anliegen und zeichnen in der Summe ihrer Einzelaussagen ein Bild vom aktuellen Berufsethos weiblicher Protagonistinnen deutscher Popmusik. Andererseits gibt sich Arnt Cobbers auch mit Allerweltsantworten zufrieden, und mögliche tiefere Auseinandersetzungen über manche Themen sind zumindest nicht dokumentiert. Dementsprechend finden Interessierte, die mit den Biografien der Musikerinnen bereits vertraut sind, in diesem Interviewband wenig Überraschungen.

Mit der Bezeichnung "Frontfrauen" sind einige Musikerinnen gar nicht einverstanden – Bernadette la Hengst und Christiane Rösinger (Britta) fühlen sich an "Krieg" erinnert – vor allem aber sind sie alle Singer/Songwriterinnen, das heißt beileibe nicht nur auf der Bühne aktiv, sondern Komponistinnen, Texterinnen, oft auch Promoterinnen und Organisatorinnen ihrer Musik. Ihre Berufswahl haben sie als inneren Drang und letztlich ohne Alternative erlebt, wobei allen bewusst ist, dass sie sich für einen unsicheren und anstrengenden Weg entschieden haben. Belohnt wird das jahrelange Bemühen allerdings mit der Freude, auf der Bühne zu stehen, sowie der Erfüllung bei der Arbeit des Textens und Komponierens oder im Studio - Situationen, die als süchtig machend beschrieben werden.

Die Mehrheit der befragten Musikerinnen kann auf eine musikalische Ausbildung an einem oder mehreren Instrumenten zurückgreifen, vor allem Jüngere haben sich auch über die neuen Popmusikakademien oder -musikkurse weitergebildet. Musikerinnen wie der befragte Popmusiklehrer betonen gleichermaßen die enorme Wichtigkeit handwerklicher Fähigkeiten.
Jüngere Sängerinnen wie Elke Brauweiler (Paula) oder Anja Krabbe (AK4711) wollen mit Songs über persönliche Erfahrungen berühren, Gefühle mit anderen teilen und suchen den persönlichen Kontakt zu ihrem Publikum. Barbara Morgenstern zielt auf "beseelte Tanzbarkeit". Inga Humpe wünscht sich ihr Publikum nach einem Konzert: "befreit, beschwingt und voller Energie, ihre Träume zu verwirklichen". In den sechziger Jahren geborene Musikerinnen relativieren die eigene Erfahrung und begreifen ihre Songs eher als künstlerischen Ausdruck, mit dem sie auch kritische Gedanken transportieren (Bernadette La Hengst).

Die meisten der befragten Sängerinnen texten auf Deutsch, obwohl "Deutsch", wie Anna Depenbusch sagt, "gnadenlos ist und das Publikum streng". Deutsch kann aber auch tiefer berühren, weil es verstanden wird. In der Muttersprache könne man ironischer und subtiler sein, meint Anja Krabbe (AK 4711).

Natürlich versäumt Arnt Cobbers nicht, seine Gesprächspartnerinnen nach ihren Erfahrungen als Frauen in einer männerdominierten Szene zu befragen und bekommt unterschiedliche Antworten - weniger, was die Bestandsaufnahme angeht, als den persönlichen Umgang damit: Es gibt definitiv weniger Musikerinnen, vor allem mangelt es an Instrumentalistinnen; Tour-Umfeld und Backstagebereiche lassen Frauen leiden, weil sie auf die rudimentäreren Bedürfnisse von Rockern zugeschnitten seien. Natürlich sei man vor allem von Männern umgeben mit allen Vor- und Nachteilen, die solch eine Sonderstellung mit sich bringe. Lösungen und ausreichendes Durchsetzungsvermögen werden dabei vor allem vom jeweiligen musikalischen Ziel getragen; Musikerin zu sein, stehe in diesem Kontext weit über dem Frausein. Cobbers’ Interviewpartnerinnen haben jedenfalls einen für sich befriedigenden Umgang mit Männern gefunden, sei es als einzige "Frontfrau", in gemischten Bands oder in Frauenbands.

Ergänzt wird der reich bebilderte Band im Großformat mit 24 Kurzporträts, welche die weibliche Vielfalt innerhalb der deutschen Popszene veranschaulichen. Eher unbefriedigend sind die eingestreuten Interviews mit Spezialisten wie ein Loblied auf das Talent vom Vertreter des Musikbusiness oder ein kritischer Kommentar der Musikjournalistin Pinky Rose über das deutsche Hirngespinst von der "Frontfrau im deutschen Pop" angesichts einer langen Selbstverständlichkeit von Sängerinnen im anglo-amerikanischen Pop.

Ansprechend, originell und gut ausgewählt sind die Fotos der befragten Protagonistinnen. Zusammen mit den persönlichen Selbstdarstellungen ergeben sie realistische Einblicke in das Dasein deutscher Popmusikerinnen und befriedigen so auf angenehme Weise das Bedürfnis von Fans, mehr über ihre Idole zu erfahren. Eine Antwort auf die Frage, was neu oder anders im Denken der befragten Popmusikerinnen ist, bleibt der Band letztlich zwar schuldig, und diesbezügliche Aussagen waren auch nicht Arnt Cobbers Ziel – doch die interessierte Leserin kann sich dennoch ihren Reim auf das vorgelegte Material machen.

Der Autor: Arnt Cobbers hat über Architekturgeschichte promoviert und veröffentlicht, spielte Bass in Berliner Rock- und Jazzbands, arbeitet für Herbert Grönemeyer, war Chefredakteur des Klassikmagazins Crescendo und leitet derzeit die Redaktion des Musikmagazins "Partituren".

Rezensiert von Christiane Gerischer

Arnt Cobbers: "Wir sind jetzt - Frontfrauen im deutschen Pop"
Schott Music, 127 Seiten, Großformat, reich bebildert, 19,95 Euro