Berliner Volksbühne

Revolte am Rosa-Luxemburg-Platz

Volksbühne in Berlin
Tritt 2017 seinen Posten an: Chris Dercon © imago/STPP
Von Susanne Burkhardt · 25.06.2016
Der Zoff an der Volksbühne eskaliert: In einem offenen Brief rebellieren Regisseure und Schauspieler gegen ihren designierten Intendanten Chris Dercon. Der könnte einem langsam leidtun, kommentiert Susanne Burkhardt.
Eigentlich sind die Argumente, die jetzt getauscht werden allesamt nicht neu: Wir kennen sie aus den Debatten vor einem Jahr, als Chris Dercon sich der messerwetzenden Presse in Berlin vorstellte. Damals ließ er seinen Charme spielen und beschwichtigte mit der Ankündigung, an die Tradition der Volksbühne anknüpfen zu wollen, die er sehr schätze.
Der Kritik, er sei kein Theatermann, stellte er seine Programmdirektorin Marietta Piepenbrock entgegen, eine erfahrene Theaterdramaturgin. Und warum sollte nicht endlich mal jemand eine neue Ära einleiten nach einem Vierteljahrhundert Castorf? Mehr Tanz, mehr Diskurs, eine digitale Bühne, internationaler, dazu ein neuer Hangar in Tempelhof. Das klang nicht völlig daneben, machte sogar neugierig, auch wenn das meiste längst zu finden ist in der Volksbühne Ost. Doch jetzt, ein Jahr später, ist die Stimmung schlechter denn je. Dercon hat ganz offenbar unterschätzt, wie viel kalter Wind ihm nicht zuletzt von den festangestellten Mitarbeitern der Widerstandsbastion Volksbühne entgegen wehen würde.

Castorf, Fritsch, Pollesch – alle wandern ab

Unterschätzt hat er auch, wie populär die Volksbühne nach den Krisenjahren um 2012 wieder geworden ist. Und dies nicht nur, weil eine "Wir-gehen-noch-so-oft-wies-geht-hin"-Stimmung herrscht, sondern weil dort derzeit einfach so viele gute Inszenierungen laufen. Keinen der vier großen Volksbühnen-Stars kann Dercon halten. Castorf, Fritsch, Pollesch und Marthaler – sie alle wandern ab. Auch wenn Dercon bis zum Frühjahr Zeit hat, ein überzeugendes Programm zu präsentieren – es ist schwer zu sehen, wie er das Haus vollkriegen will. Allein mit Tanztheater von Mette Ingvartsen oder Boris Charmatz? Mit Inszenierungen von Susanne Kennedy, die zuletzt wenig Erfolg hatte? Dercon könnte einem leid tun, und zwar dafür, dass ihm so wenig Vertrauen entgegengebracht wird, so wenig Neugierde. Aber offenbar will es ihm nicht gelingen, die Mitarbeiter in Gesprächen für sich und seine Pläne zu gewinnen.

Verliert die Volksbühne ihr Profil?

"Es wird (…) weder einen großen personellen Umbruch geben, noch sind die Gewerke in Gefahr", sagt Dercon. Liest man aber seine Entgegnung auf die Sorgen der Mitarbeiter, die um das Ende des Sprechtheaters und des Repertoirebetriebes fürchten, darum, dass Beliebigkeit und Konsumierbarkeit anstelle von kritischem Diskurs treten, dann fällt die Worthülsigkeit auf, mit der Dercon argumentiert: "Wir planen ein Programm, das Brücken schlägt von der Gegenwart in die Geschichte des Theaters und in die Geschichte der Volksbühne".
Solche Phrasen, die man vor allem aus Manageretagen kennt, lassen selbst die Gutmeinenden nachdenklich werden und schüren mit Schlagworten wie "en suite" oder "Festival-/Gastspielproduktionen", Befürchtungen, man wolle dem HAU und den Berliner Festspielen gefährliche Konkurrenz machen.
Wird die bald klein geschriebene Volksbühne also bald selbst klein sein, austauschbar?
Hoffnung böte dann vielleicht ein Haus ganz in der Nähe. Noch Berliner-Ensemble-Chef Claus Peymann legte dem offenen Brief der Volksbühnen-Mitarbeiter einen eigenen nach, in dem er den Senat und den "Schickimicki"-Kulturstaatssekretär Renner aufforderte, Dercon auszuzahlen und damit einen "Fehler zu begleichen". Dass das passiert, ist nicht wahrscheinlich, schon eher aber, dass sein Nachfolger Oliver Reese die Volksbühnen-Stars ab 2018 dazu nutzt, das staubige BE aufzumischen.

Könnte sein, dass Dercon, der in der "ZEIT" sagt, "Ich weiß, dass man sich in Berlin ärgert, dass ich mich nicht ärgere", dass er sich dann doch ein bisschen ärgern wird.
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