Berlinale

Der Film "Casting" im Faktencheck

Schauspieler Andreas Lust und Regisseur Nicolas Wackerbarth sind mit dem Film "Casting" bei den 67. Internationalen Filmfestspielen Berlin
Schauspieler Andreas Lust und Regisseur Nicolas Wackerbarth sind mit dem Film "Casting" bei den 67. Internationalen Filmfestspielen Berlin. © imago/Seeliger
Von Gerd Brendel · 13.02.2017
"So jetzt spiel uns das mal" - der Standardsatz beim Vorsprechen ist so etwas wie der rote Faden, der sich durch Nickolas Wackerbarths Film "Casting" zieht. Wir haben den Film gemeinsam mit Casting-Direktor Bernhard Karl einem Faktencheck unterzogen.
Filmausschnitt: "Gut siehst Du aus! Wir gehen jetzt in die Maske! - Wieso Maske? Du hast gesagt, ich seh' gut aus! - Das hat sich die Vera gewünscht, dass Du Deinen Typ veränderst."
Nochmal komplett neu schminken. Harmlos, im Vergleich zu dem, was sonst so von Schauspielern beim Vorsprechen verlangt wird.
Filmausschnitt: "Bitte verzeih… ich brauch dich so sehr… - Pffft… lass mal die Geste weg - Ich mach keine Geste, weil die Frau mir ins Gesicht gespuckt hat."
Die "Frau", eine Theaterschauspielerin aus der Provinz, wird die Hauptrolle bekommen am Ende von Nicholas Wackerbarths Spielfilm: "Casting", ein Film über die komplizierte Suche nach der idealen Besetzung für die Hauptrolle. Gesucht wird eine neue "Petra von Kant" für ein Remake des Fassbinders Films – fürs Fernsehen. "Bittere Tränen" fließen reichlich, nicht nur auf Petra von Kants Film-Sofa.

Wie weit gehen Schauspieler beim Casting?

"Es ist definitiv so, dass die Intensität und die Zuspitzung und die Traurigkeit, die geschildert wird in diesem Film, wirklich meisterlich erwischt sind."
…urteilt Casting-Direktor Bernhard Karl nach der Premiere begeistert.
In "Casting" ist es ausgerechnet TV-Schauspielerin Andrea Sawatzki, die beim Vorsprechen alle Register zieht und ihre Rolle mit tränenerstickter Stimme spricht. Frage an den Casting-Direktor: Wie weit gehen Schauspieler wirklich?
"Da kommt dann einer und hat uns eine Elvis Show vorgespielt..."
Dabei ging es um die Rolle eines Bergmanns. Bernhard Karl hat auch schon das Gegenteil erlebt: Die radikale Selbstentblößung:
"…sich nackt ausziehen, plötzlich unvermittelt, aus 'ner Schein-Intensität heraus, um sich auch abzuheben aus dem Nichts."

"Anspielpartner" als eigentliche Hauptrolle

Ganz unten in der Hackordnung beim Vorsprechen, in dem Film "Casting" wie im richtigen Leben, steht eine Person, die bei Wackerbarth allerdings die eigentliche Hauptrolle spielt und mit Andreas Lust prominent besetzt wurde.
Filmausschnitt: "Das ist der Gerwin Haas, ihr Anspielspartner..."
…der sogenannte Anspielpartner, ein Platzhalter, der in Vorsprech-Szenen für den eigentlichen Filmpartner einspringt.
"Es ist oft die Absurdität, dass ein sehr guter Schauspieler, der noch nicht entdeckt ist, dann als Anspielpartner oft genauso gut ist, wie der Schauspieler, der es dann spielt und oft sogar besser, nur er hat den Namen nicht, oder ist zu alt oder er passt nicht ins Raster."

Starruhm ist wichtiger als Können

Das "Raster". In einer Szene sagt Bernhards Kollegin im Film: Der Fernsehsender will Stars, die Regisseurin Schauspieler, die spielen können. Bernhard Karl nickt.
"Der Typ ist wichtiger als das Spiel, das kann ich amtlich verbürgen, nicht für den Regisseur... und das ist der Konflikt."
Ein typisches Beispiel:
"Für'n großen Fernsehzweiteiler, der auch sehr bekannt geworden ist, ich werd also keine Namen nennen, da gab es die Grundsituation, dass wir diejenigen zum Casting eingeladen haben, die der Regisseur toll gefunden hat, Riesenaufriss. Es kommen zehn Leute pro Rolle und dann kam von der Redaktion: Geht gar nicht, habt ihr an Heino Ferch, Heike Makatsch, Christiane Paul gedacht überhaupt?"
Am Ende setzte sich die Fernsehspielredaktion durch: Die Hauptrollen in dem Bergarbeiter-Drama bekamen Ferch und Makatsch. Der Film "Casting" ist übrigens auch eine ARD-Produktion. Einen Termin für die Fernsehausstrahlung gibt es allerdings noch nicht. Aber wer weiß, die prominente Besetzungsliste wird vielleicht dafür sorgen, dass Nickolas Wackerbarths Film sogar in der hart umkämpften "Prime-Time" laufen wird.
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