Berlin Music Week

Wünsch Dir ein Konzert!

Das Berliner Duo Bodi Bill tritt während des Berlin Festivals 2009 auf.
Livekonzert: Tourneen zu bekommen wird für Bands immer schwieriger © picture alliance / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert
Von Laf Überland · 03.09.2014
Auf der Berlin Music Week trifft sich die Musikszene auch, um sich über Entwicklungen in der Branche zu informieren. Eine der neuen Ideen ist, den Tourneeplan einer Band an der Nachfrage der Fans auszurichten.
Man sollte es ja nicht glauben, aber obwohl wir via Internet in Popmusik ersaufen, gibt es in weiten Gegenden Deutschlands einen echten Mangel an Musik: an Livemusik nämlich, an Konzerten. Weil man nicht alle Nase lang quer durch das Bundesland oder die Republik fahren kann, um einen Künstler zu sehen. Das schadet kleinen Künstlern, die dadurch nicht genug Auftritte kriegen, um dauerhaft zu überleben: Und vor allem nervt es die Fans!
Stephan von Rohden: "Ich war damals in Bremen, da hab ich gearbeitet und hab mich geärgert, dass Max Herre zum Beispiel nie in Bremen gespielt hat. Der hat immer im Schwabenländle gespielt, im Süden Deutschlands. Das heißt: Ich wär bereit gewesen, ein Ticket zu kaufen, aber die Anfahrtskosten, um überhaupt zum Konzert zu kommen, waren höher als das Ticket, und das konnte ich mir einfach nicht leisten. Gleichzeitig weiß Max Herre aber gar nicht, dass es ne ganze Menge Leute gibt, die auch ihn in Bremen gern hören möchten ..."
Um Live Musik näher zu den Fans zu bringen, gründete Stephan von Rohden Anfang des Jahres das Gig-on-demand-Portal gigflip - aus dem Dunst von Fan-tum und BWL. Anders die Konkurrenz von Stagelink, auch aus Berlin und ein paar Monate länger am Start: Michael Schütz und Nikolas Schriefer sind Musiker mit BWL-Abschluss.
"Früher haben die Bands eigentlich gespielt und gespielt, um bekannter zu werden und dann irgendwann vielleicht einen Deal bei einem Label zu bekommen, eine Platte aufzunehmen und die zu verlaufen – heute ist es eher andersrum."
Was würden die Fans für ein Ticket zahlen
Heute können Künstler sehr kostengünstig und einfach Musik veröffentlichen und vermarkten: Aber Tourneen zu kriegen, das ist schwierig geworden bei der Masse an Musikern im Netz – dabei sind es heute ja die Liveaktivitäten, die das Geld einbringen, und nicht mehr die Plattenverkäufe ...
Das Problem ist, dass sie nicht wissen, wer kommt und wo wer kommt. Ein weiteres Problem ist: die Leute, die kommen wollen, überhaupt erst mal zu erreichen. Und an beiden Stellen setzen diese neuen Portale an.
Eine Band registriert sich, gibt an, wie teuer die Tickets sein sollen und wie lange die Kampagne laufen soll, ganz wie man das von Crowdfunding-Portalen wie Kickstarter kennt: Und dann können Fans voten, indem sie ihr Ticket reservieren. Wenn innerhalb der Frist genügend Tickets reserviert werden, findet das Konzert statt.
Jede Tournee-Kampagne hat dabei üblicherweise eine eigene Webseite, auf der ein Künstler sich am Besten mit Videos und Soundcloud-Musiken vorstellt. Neu aber ist – der Wunschzettel:
von Rohden: "Jede Band, die sich bei uns registriert hat, hat auch ihr eigenes Profil, das für die Öffentlichkeit sichtbar ist, und über dem Profil können Fans sozusagen sich diese Band erstmal wünschen in ihre Stadt, unverbindlich, geben auch an: was würden sie für ein Ticket bezahlen?"
Stagelink: "Und damit beginnt im Prinzip die Story, und dann sieht die Band: wo ist die Nachfrage und kann dann, wenn es genug Nachfrage gibt, bei uns einen Kickstart starten und somit die Ticket dann im Crowdfunding verkaufen".
Aber von allein passiert selbst bei diesen Präsentationsportalen nichts:
Stagelink: "Kleine Bands, die sich nicht aktiv promoten, die schaffen es auch im Zweifel nicht, die Konzerte im Kickstart zu erreichen. Das ist ne Sache, die man den Bands dann auch teilweise noch erklären muss ..."
Konzerte über die Crowd
Wenn man sich allerdings selbst bemüht, dann funktioniert es meist auch, wissen die Stagelinkmacher:
"Ja! Wie wir bei einer finnischen Band gesehen haben, die ne kleine aber aktive Userbase hat, also eine wirkliche Fanbase, die haben es geschafft, eine Tour an den Start zu bringen von Finnland aus, sind die nach Deutschland geflogen und haben Köln, Frankfurt und Berlin gespielt, weil sie es geschafft haben, ihre kleine Fanbase dazu zu bringen, diese Konzerte vorzufinanzieren – und dann konnten sie damit tatsächlich ihre Flüge, ihre Unterkunft und ihre Tourkosten decken, bevor sie überhaupt in den Flieger gestiegen sind."
Einen unkalkulierbar großen Wert haben allerdings auch – die Hardcorefans, die natürlich auf solche Kampagnen anspringen, um ihre Bands in ihre Stadt zu holen.
von Rohden: "Also wir hatten das Beispiel bei den Killerpilzen im Februar in Aschaffenburg gab's drei, vier Superfans, die haben angefangen, Plakate und Flyer für die Kampagne zu drucken mit einem QR-Code drauf, haben das in den Schulen verteilt, haben wirklich Streetteams gebildet, um die Kampagne in der Stadt zu bewerben, ne ..."
Bis jetzt scheint es ganz gut zu funktionieren, Konzerte über die Crowd zu realisieren. Nun muss sich das Modell nur noch herumsprechen – über die Bands, bei denen es geklappt hat. Zumindest scheint den Machern die Verlagerung der gezielten Flüsterpropaganda und der Fantreffen ins Internet aber der richtig Weg – um alle Beteiligten dann aus der Onlinewelt in in die verschwitze Konzertwirklichkeit zu holen.
Stagelink: "Und ich glaube, das wird such in den nächsten Jahren einfach immer mehr durchsetzen, dass die Leute online abgeholt werden, wo sie nun mal heute mit ihren Telefonen und Laptops und iPads unterwegs sind, dass man sie eben da erreicht."
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