Berlin Fashion Week und Corona

"Ohne Kunst verkümmern wir"

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Die Designerin Anja Gockel vor ihrer Modenschau zur Sommerkollektion 2021 "Asuka - der Duft von morgen" im Hotel Adlon
Nachhaltiges Produzieren und faire Löhne sind wichtige Anliegen der Modedesignerin Anja Gockel. © picture alliance / dpa-Zentralbild
Anja Gockel im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 18.01.2021
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Die Designerin Anja Gockel produziert seit vielen Jahren Mode mit dem Anspruch auf besondere Nachhaltigkeit. Bei ihrer Modenschau auf der Berlin Fashion Week steht aber nicht nur die Mode, sondern auch die Förderung der Kunstszene im Mittelpunkt.
Trotz aller Hürden realisiert die Modemacherin Anja Gockel auch in der Coronazeit eine Modenschau auf der Berlin Fashion Week. Ihr Label steht seit rund 25 Jahren für nachhaltige Produktion.
In ihrer Prioritätenliste sei Mode allerdings aktuell nicht das Wichtigste, sondern die Kunst: Darum stelle sie für ihre Modenschau im Hotel Adlon (Link zum Stream auf Youtube) die Kunst und die Mode in den Mittelpunkt.

Hoher Stellenwert der Kunst

"Was sind wir ohne die Schönheit in unserem Leben? Wir können uns schützen, aber unsere Seele verkümmert dabei", sagt sie. "Und ich glaube, wenn wir die Sicherheit an oberste Stelle geben, können wir beides miteinander verbinden."
Um die Kunstszene in dieser schwierigen Zeit zu fördern, setzt Anja Gockel statt Models Künstler, Akrobaten und Balletttänzerinnen und -tänzer für ihre Modenschau ein. "Ich glaube, dass unsere Kultur, unsere Kunst und unsere Künstler wichtig sind."
"Embraceland" als Motto der Show sei ein bewusst gewähltes Paradox, so Gockel: "Ich möchte damit ausdrücken: Wir können uns nicht physisch umarmen, aber wir können den anderen willkommen heißen."
Etwa, indem wir ihn in unsere Gedanken einschlössen oder mit Blicken unser Wohlwollen ausdrückten. "Es gibt ganz viele Möglichkeiten, dem anderen zu sagen: Ich denke an dich, ich verstehe deine Situation. Und wenn es denn möglich ist, helfe ich dir auch."

Nachhaltigkeit als Maxime

Für Anja Gockel zählen seit Jahren Nachhaltigkeit und Nachprüfbarkeit bei der Produktion zu den wichtigen Komponenten ihres Modelabels. Dafür ist sie bereits ausgezeichnet worden. Sie begrüßt, dass jetzt auch junge Menschen auf Nachhaltigkeit Wert legten: "Ich freue mich, wenn die Jugend jetzt in erster Linie da auch der Antreiber ist, um das weiter zu verfolgen."
Um im Sinne der Nachhaltigkeit zu produzieren, arbeite ihr Unternehmen fast nur mit europäischen Firmen zusammen, etwa beim Kauf der Stoffe: "Wir kennen unsere Hersteller. Wir kennen auch Ihre Färbemittel und vor allen Dingen wissen wir, dass sie keinerlei Kinderarbeit oder sonstige schlimme Arbeitsmethoden haben."

Kleine Strukturen fördern

Verbrauchern empfehle sie, kleine Strukturen zu fördern: "Das heißt, ich kenne ein kleines Modelabel in meiner Stadt, in meiner Straße und gehe zu dem." Auch das garantiere, dass nicht ausbeuterisch gearbeitet werde. Denn Lohndumping und Auslagerung nach Übersee lohne sich erst ab großen Stückzahlen.
Ebenso könnten Verbraucher vorwiegend bei Firmen kaufen, die keine Ausverkäufe machten: "Da kann man ziemlich sichergehen, dass sie schon nachhaltig produzieren. Denn wer nachhaltig produziert, kann gar nicht 50 Prozent billiger werden, sonst würde er nicht nachhaltig produzieren."

Preis kontra Nachhaltigkeit

Zwar wollten viele Menschen nachhaltig hergestellte Produkte - für eine Zukunft in einer intakten Umwelt. Andererseits spielten besonders billige Preise immer noch eine viel zu große Rolle, sagt Anja Gockel:
"Das ist der Teufel für die Nachhaltigkeit. Weil Nachhaltigkeit und noch billiger und billiger werden, das schließt sich aus meiner Perspektive aus. Nachhaltigkeit heißt, dass jeder, der an dem Arbeitsprozess beteiligt ist, auch wirklich einen vernünftigen Lohn bekommt. Wie soll das so billig möglich sein, so wie wir das im Moment auf dem Markt finden?"
(mle)
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