Benjamin Franklin Klinikum in Berlin

Vom Vorzeigeprojekt zum Sanierungsfall

Am Charite-Campus Benjamin Franklin in Berlin wird gebaut.
Die Sanierung beim Benjamin Franklin hat begonnen und soll bis 2022 abgeschlossen sein. © picture alliance / Britta Pedersen / dpa
Von Anja Nehls · 01.12.2017
Das Benjamin Franklin Klinikum war die erste Universitätsklinik in Deutschland. Doch nun muss das denkmalgeschützte Haus umfassend saniert werden. Die Bauarbeiten haben begonnen, aber es wird Jahre dauern, um Mängel zu beseitigen und die Technik auf den neusten Stand zu bringen.
Die Außenfassade des Klinikums Benjamin Franklin in Berlin Steglitz bröckelt. Von den filigranen grauen Betonteilen, die an Stangen aufgefädelt sind und entfernt an eine Wirbelsäule erinnern, sind die Enden zum Teil abgebrochen, zum Teil fehlen sie ganz. Die Fassade war zugleich als Sonnenschutz und als Gestaltungselement gedacht – vor 50 Jahren, als das Krankenhaus gebaut wurde. Ein Patient steht draußen vor dem Gebäude und guckt kritisch nach oben:
"Ja, also die bröselt nicht gerade wenig, da sitzt man auch oben auf Station ungerne auf diesen sogenannten Balkonen, die da sind, die sind so leicht flach abfallend, da lässt man das lieber."
Nicht nur die Fassade ist in die Jahre gekommen. Der Grundstein für das Krankenhaus wurde 1959 gelegt, Einweihung war im Oktober 1968. Geplant wurde das Krankenhaus im ehemals amerikanisch besetzten Teil von West-Berlin von einem amerikanischen Architektenbüro, unterstützt und finanziert zum großen Teil von der amerikanischen Benjamin-Franklin-Stiftung. Jetzt gehört das Krankenhaus als Campus Benjamin Franklin zur Charité, aber sonst hat sich nicht viel verändert, sagt David Nägler, der an der Charité für die klinische Betriebsorganisation zuständig ist:
"Sowohl die Raumstruktur ist aus den 60er-Jahren, wie auch och große Teile der Anlagentechnik. Der Zustand ist sehr heterogen, die Charité hat ja über viele Jahre unter einem Investitionsrückstau gelitten und hat versuch mit eigenen Mitteln, mit kleinen punktuellen Maßnahmen, Bereiche wieder auf Vordermann zu bringen. Das heißt, es gibt Bereiche, die sind schön und vorzeigbar und es gibt Bereiche, denen man ansieht, dass das Haus seit über 50 Jahren in Nutzung ist."

Alle Abteilungen unter einem Dach

Das Krankenhaus war die erste Universitätsklinik Deutschlands bzw. Europas, die sowohl alle medizinischen Abteilungen, als auch Lehr- und Forschungseinrichtungen in einem Haus vereinigte. Damals hochmodern. Heute sind Studenten, Patienten und Ärzte andere Standards gewöhnt:
"Naja ist hier schon sehr 70er-Jahre-like, innen und außen." "Ich finde die sanitären Anlagen, das ist mal das erste, mein Mann liegt gerade hier, also ein wasserstrahl ist, da sagt er, da kann man sich gar nicht waschen." "Also ich bin der Meinung, hier muss definitiv renoviert werden, also die Zimmer, die Gänge und allgemein die Sauberkeit des Krankenhauses, nicht wirklich" "Ganz alte Lampen, die sehen aus, wie von was weiß ich wann, die sehen schon sehr alt aus in den Untersuchungsräumen." "Das ist für mich nicht schön, schon die Außenfassade macht nichts her."
Allein die Sanierung der denkmalgeschützten Außenfassade wird 60 Millionen Euro kosten. 8,2 Millionen stehen bis jetzt bereit. Stück für Stück wird das Projekt jetzt angegangen und es wird Jahre dauern bis alles fertig ist, sagt der Leiter der Bauabteilung Jochen Brinkmann:
"Es ist eine sukzessive Sanierung, weil die Fassade aus mehreren Elementen besteht, die auch jetzt schon geschützt werden musste, weil diese Betonelemente auch Stele, einzeln herunterfallen, da mussten wir umfangreiche Sicherungsmaßnahmenvornehmen, kann man auch sukzessive erneuern und nicht in einem Gesamtkontext, weil das Krankenhaus muss ja in sich auch immer noch weiter betrieben werden, deshalb immer Scheibchen für Scheibchen."

Stück für Stück wird saniert

Sanierung bei laufendem Betrieb also - das hatten sich die amerikanischen Architekten in den 50er-Jahren anders vorgestellt, erklärt David Nägler:
"Die haben den Plan entwickelt, dass man die Hälfte dieses spiegelsymmetrischen Krankenhauses auf der Wiese noch einmal baut, dass man dann nach Ablauf des Verfallsdatums das Krankenhaus halbseitig leerzieht und dann sanieren kann. Weil die Krankenhausarchitekten genau gewusst haben, dass es zu gesetzten Zeiten baulichen, technischen Erneuerungsbedarf gibt."

Aus dieser Idee ist nichts geworden, also wird jetzt Stück für Stück saniert – auch im Innenbereich, der für Ärzte und Patienten noch wichtiger ist als die Fassade. 219 Millionen Euro insgesamt sollen bis 2022 verbaut und verplant werden, das Land Berlin hat jetzt das Geld zur Verfügung gestellt. Von 16 Operationssälen sind fünf bereits saniert, fünf weitere OP Säle sollen im kommenden Februar dazu kommen, die nächsten fünf bis 2020. Auch dabei muss diskutiert werden, denn Denkmalschutz besteht auch innen:
"Was nicht mehr passt, das sind die Flächenmaß der 60er-Jahre, die sind einfach nicht in Übereinstimmung zu bringen mit der heutigen Apparatemedizin, mit den Geräteparks, die wir in einigen Fachabteilungen vorhalten. Und deshalb haben wir ständig das Problem, dass wir eigentlich die Raumzuschnitte verändern müssen und hier mussten wir schon erst mal Überzeugungsarbeit leisten, da haben wir schon eine Weile geredet."
Der Hubschrauber "Christoph 31" landet auf dem Charité - Campus Benjamin Franklin in Berlin.
Der Rettungshubschrauber "Christoph 31" fliegt deutschlandweit die meisten Einsätze.© picture alliance / Britta Pedersen

Patienten erwarten mehr Komfort

Für die Patienten ist auch die Neugestaltung der Stationen und Patientenzimmer wichtig. Für Eric Pawlitzky hängt der bauliche Zustand dabei eng mit hygienischen Standards zusammen. Er war mit hohem Fieber und dem Verdacht auf eine Tropenkrankheit im Benjamin Franklin – und dabei womöglich eine Gefahr für seine Mitpatienten:
"Es gibt beispielsweise Gemeinschaftsduschen für sechs Patienten aus zwei, vielleicht auch mehr Zimmern. Es gibt Gemeinschaftstoiletten, wo ich sage da gibt es ein Infektionsrisiko. Ich bin eingeliefert worden mit einem völlig unbekannten Verdacht, welche Infektion ich haben könnte. Es waren mit mir zur gemeinsamen Toiletten- und Badbenutzung gezwungen auch sehr betagte Patienten."
Zum Glück hatte Eric Pawlitzky keine ansteckende Krankheit. Wegen Mängeln sowohl baulicher als auch hygienischer Art war das Krankenhaus vom zuständigen Gesundheitsamt bereits einmal gerügt worden. Der Standard der 60er-Jahre war ein Sammelbad für jeweils 60 Betten. Zwei oder Dreibettzimmer mit jeweils eigenem Bad sind in diesem Hause auch jetzt noch längst nicht auf allen Stationen üblich. Das soll nun geändert werden, noch wichtiger seien aber die Versorgungsleitungen, so Bauleiter Jochen Brinkmann:
"Deshalb haben wir derzeit auch große Infrastrukturmaßnahmen, gerade im Bereich der Starkstromtechnik. Ferner haben wir uns immer noch mit der aus der Errichterzeit vorhandenen Rohrleitungen zu beschäftigen, das heißt Wasser, Abwasser, ganz klassisch. Das heißt auch hier haben wir umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen immer bei laufendem Betrieb vorzunehmen, bevor wir die eigentliche Stationssanierung vornehmen können."
Nebenbei soll die zu kleine Rettungsstelle neu organisiert und mit einem CT Gerät ausgestattet werden, danach wird die zentrale Notaufnahme am Hubschrauberlandeplatz komplett neu gebaut, damit mehr Patienten versorgt werden können. Der Landeplatz für den ADAC-Rettungshubschrauber Christoph 31, der von hier im bundeweiten Vergleich die meisten Einsätze fliegt, wird umgestaltet. Die Hochschulambulanzen, auch Polikliniken genannt, werden saniert. Die Stationen und Zimmer für die Patienten sollen bis 2022 fertig sein. Aber auch dann wird weitergebaut, ist sich Jürgen Brinkmann ganz sicher:
"Das heißt, wenn wir die letzten Stationen saniert haben, werden die ersten schon wieder 20 Jahre alt sein, also der Prozess wird immer bleiben, des Erneuerns und Bauens."
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