Begeisterte Anhänger, feurige Gegner

Von Dirk Fuhrig · 26.02.2008
Der Autor von "Elementarteilchen", der Franzose Michel Houellebecq, ist ein literarischer Popstar. Er provozierte mit der freizügigen Schilderung von Sextourismus und entwarf hellsichtige Utopien zur Zukunft des Menschen. Nach einiger Abstinenz kehrt er mit einer Romanverfilmung in die Öffentlichkeit zurück. Außerdem hat Carla Bruni ein Gedicht von ihm als Chanson vertont.
Früher sang Monsieur Tristesse noch selbst. Mit sphärisch-traurigen, synthetischen Weisen begleitete Michel Houellebecq seinen kometenhaften Aufstieg zum Skandalautor. Mittlerweile lässt Frankreichs Tabubrecher und Endzeit-Prediger singen. Ausgerechnet die neue Präsidentengattin Carla Bruni, selbst immer für ein Skandälchen gut, hat für ihre nächste CD ein Chanson nach Texten von Michel Houellebecq aufgenommen. Der Autor soll der erste gewesen sein, der es sich im Beisein Carla Brunis anhören durfte. Ob es mehr nach Bruni oder mehr nach Houellebcq klingt, werden wir erst nach der Veröffentlichung im Sommer erfahren.

Der Bürgerschreck bekommt also präsidiale Weihen - keine schlechte Werbung für den bald zu erwartenden nächsten Wurf des genialen Selbstdarstellers: Zur Zeit ist er bei den Endarbeiten an einem neuen Werk. Michel Houellebecq führt selbst Regie bei der Verfilmung seines bislang letzten Romans "Die Möglichkeit einer Insel".

Nach allem, was man davon im Internet sieht und hört, scheint es sich bei Houellebecqs Film um ein Werk mit viel Meeresrauschen und Hollywoodpathos zu handeln. Alter Mann, junges Mädchen, Aussteigerfantasien und eine seltsame Verherrlichung des Sektenwesens – gerade damit hatte Houellebecq vor zweieinhalb Jahren, als "Die Möglichkeit einer Insel" erschien, wie üblich für Aufregung gesorgt .

Gedreht wurde der Film in Spanien, dort wo die Romanhandlung spielt und wo Houellebecq seit einiger Zeit selbst lebt. Der Film komme ganz ohne Sexszenen aus – hat Houellebecq betont. Sollte der Freund von Swingerclubs und Erotiktourismus mit 50 etwa prüde geworden sein? Das wäre dann die eigentliche Sensation. Vor ein paar Jahren hatte sich das noch ganz anders angehört, wenn Houellebecq sich über die Freuden des Partnertauschs ausließ:

" Es ist so etwas wie Zusatz-Sex und eine vernünftige Reaktion auf das abnehmende Verlangen innerhalb einer Beziehung - ohne Ehebruch und Betrug. Und ohne die Lügerei. Das hat viele positive Aspekte."

Der Roman "Elementarteilchen" hatte Michel Houellebecq 1998 schlagartig berühmt gemacht. Als düsterer Endzeit-Prediger aus Frankreich, ein verschroben-verklemmt wirkender Kettenraucher, war er zum Liebling der Talkshows, Buchmessen und Feuilletons geworden. Wo er auftrat, waren die Hallen voll. Gerade in Deutschland wuchs Houellebecqs Fan-Gemeinde unaufhörlich.

" Die Deutschen interessieren mich sehr, sie sind sehr sexuell "

Michel Houellebecq bei einer Lesung aus seinem zweiten Roman "Plattform" - sein provokatives Werk über Sextourismus, das in einer konzertierten Marketing-Kampagne am selben Tag in Frankreich und Deutschland erschienen war.

" Wenn ich den Deutschen hier einen touristischen Rat geben darf. Fahrt nicht nach Frankreich. Fahrt besser nach Südamerika. In Frankreich gibt’s überhaupt nix. "

Fantasien von Männern in der Lebensmitte, Versagensängste, Lobeshymnen auf Swingerclubs und Sex-Urlaube, aber auch bitterböse Satire auf Hippies und Alt-68er. Deren Befreiungsrhetorik habe dazu geführt, dass Sex heute nur noch als Ware betrachtet werde. Mit solch knackigen Aussagen, in unerreicht boshaftem Stil zu Papier gebracht, hatte sich der Franzose begeisterte Anhänger und feurige Gegner geschaffen.
" Das Buch trifft einen Nerv, einen Nerv der Zeit sicherlich. Viele Leute erkennen sich offensichtlich darin wieder ", so Houellebecqs Übersetzer Uli Wittmann damals.

Houellebecq auf einer Lesung: " Abends langweilt er sich. Er sucht danach nach Frauen. Er findet keine, geht frustiert ins Bett und fängt am nächsten Tag die Suche wieder von vorne an. "

Was seine Kritiker häufig übersahen: Houellebecq ist nicht nur ein Provokateur mit markigen Sprüchen. Er hat sich – gerade in den "Elementarteilchen" – auch als hellsichtiger Zukunftsforscher gezeigt. Seine Visionen zur Gentechnik und zum Klonen von Lebewesen nahmen aktuelle Diskussionen vorweg.

Seine Ablehnung von Religion brachte ihn auch in Konflikt mit dem Islam, den er als die "dümmste" aller Glaubensrichtungen bezeichnete. Dem konventionellen Denken entgegen, dem Tabubruch auf der Spur, immer politisch unkorrekt und hart an der Grenze zum schlechten Geschmack – Michel Houellebecq hat mit seinen Büchern an den Kern unserer heutigen Existenz gerührt, anders ist sein großer Erfolg kaum erklärbar.

Von neuen Buchprojekten ist bislang nichts zu hören. Jetzt wartet Frankreich erst einmal auf Carla Brunis Chanson. Und natürlich auf Houellebecqs Film – der sich, zumindest in den ersten Kostproben, mit gewaltigem Rauschen ankündigt.