Bedrückende Versuche von Intimität

Von Eberhard Spreng · 27.10.2010
Während das Ensemble in explosionsartigen Gesten zuckt, sucht ein neurotischer Autor in "Protect me" nach den Wurzeln seines bedrückenden Daseins. Regisseur Falk Richter und die Choreografin Anouk van Dijk haben an der Berliner Schaubühne eine gelungene Text-Tanz-Collage erarbeitet.
Ein Autor sucht nach einem Titel für sein neues Stück und kann ihn im Wust der Informationen einer in den Wahnsinn abdriftenden globalisierten Welt so wenig finden wie im Gestrüpp seines deprimierenden Gefühlslebens.

Falk Richter greift in seiner neuen Arbeit auch auf Texte zurück, die er im Sommer des Jahres in Avignon unter dem Titel "My secred Garden" in französischer Sprache in einer kleinen, leicht autobiografisch gefärbten Arbeit bereits auf die Bühne gebracht hatte: Es sind dieses Mal eben nicht nur abstrakte Figuren, die sich im Wirbel der globalen Lieblosigkeit verzweifelt nach Geborgenheit sehnen. Es ist der Autor selbst, der entlang seiner bedrückenden Welterfahrung auch nach familiären Wurzeln seines Leidens sucht.

Kai Bartholomäus Schulze spielt diesen vierzigjährigen neurotischen Jungautor, der sich von seinem pflegebedürftigen Vater fragen lassen muss, wann er endlich etwas so erhebliches wie den hessischen Landboten schreiben werde. Dabei wirkt der alte, verbrauchte Körper des Erhard Markgraf wie die einzige taugliche Protestmetapher in diesem Ensemble der schönen jungen Körper.

Die Choreografin Anouk van Dijk treibt sie zu Elektrosounds in konvulsivische Explosionsgesten, lässt sie skeptisch die eigene Haut betasten wie eine fremd gewordene Substanz, steckt sie in einige verglaste Kästen, in bedrückend chancenlose Versuche von Intimität. Wiederum gelingt der Dialog vom Text und Tanz; einzelne fröhlich-groteske Textkaskaden, etwa von Judith Rosmair, tänzerische Soli der Einsamkeit in Ticks und Spleens, wie das der Anouk van Dijk, überzeugen. Auch wenn der Abend über die Kälte der Welt und das Sterben der Herzen Collagecharakter hat, Ansätze für viele Abende skizziert und nur durch eine fiktive Autorenfigur, die Autofiktion des Falk Richter zusammengehalten wird.

Service:
"Protect me" wird am 28. und 29.Oktober sowie am 10. und 11. November jeweils um 20 Uhr an der Berliner Schaubühne aufgeführt.