BDZV fordert ein für Verlage "erträgliches" Gesamtpaket

Helmut Heinen im Gespräch mit Hanns Ostermann · 26.11.2010
Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen, verteidigt die Kündigung des Manteltarifvertrags für Redakteure. Sie stehe im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung des Gehaltstarifs durch die Gewerkschaften.
Hanns Ostermann: Tag für Tag kaufen sie 20 Millionen, und rund 50 Millionen Menschen lesen sie – die Zeitungen sind nach wie vor das entscheidende Medium. Trotz Fernsehen, Radio und Internet nutzen sieben von zehn Deutschen über 14 Jahre regelmäßig eine Tageszeitung, keine Frage, sie ist so etwas wie Kitt in unserer Gesellschaft. Wenn sich allerdings die Rahmenbedingungen ändern – was dann? Wie reagieren Zeitungsverleger auf den Rückgang der Umsätze und Anzeigen? Ich habe darüber mit Helmut Heinen gesprochen. Er ist Herausgeber der "Kölnischen Rundschau" und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Meine erste Frage an ihn: 2009 war für Sie und Ihren Verband ein überaus schwieriges Jahr. Hat sich die Lage mittlerweile entspannt?

Helmut Heinen: Das Verhältnis der Anzeigenerlöse zu den Vertriebserlösen hat sich deutlich verändert. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte einen größeren Anteil unserer Umsätze mit den Vertriebserlösen, also mit dem Geld unserer Abonnenten und Leser, gemacht, als mit den Anzeigenerlösen. Das ist eine durchaus dramatische Verschiebung, die aber auf der anderen Seite auch ihr Gutes hat: Sie zeigt, dass unsere Leser bereit sind, weiterhin für Zeitungen zu bezahlen, und die Vertriebserlöse sind in konjunkturell wechselhaften Zeitläufen immer das stabilere Bein, sodass wir darüber, wenn wir unsere Leser weiterhin zufriedenstellen können, ein Maß an Planbarkeit der Einnahmen auch erhalten.

Ostermann: Das große Problem vieler Häuser besteht ja darin, den Standard zu sichern und zugleich zu sparen – das müssen ja auch Sie bei den Verlagen. Sie haben jetzt den Manteltarif gekündigt. Gab es zu diesem Schritt aus Ihrer Sicht keine Alternative?

Heinen: Die Kündigung des Manteltarifs steht natürlich in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung des Gehaltstarifs durch die Gewerkschaftsseite. Hier geht es uns darum, in den anstehenden Verhandlungen viele Materien offen zu haben, um ein Gesamtpaket schnüren zu können, das sicherlich in der Frage der konkreten Gehaltshöhen, der Gehaltsentwicklung in den nächsten beiden Jahren einerseits und den anderen Elementen wie Jahressonderzahlungen und Ähnlichem andererseits insgesamt zu einem vertretbaren und erträglichen Paket für die Verlage auch kommt. Es ist im Ergebnis jedenfalls sicherlich nicht der richtige Weg, die Zukunft der Zeitungen zu sichern, indem man die Kapazität und die Qualität der journalistischen Bereiche herunterfährt.

Ostermann: Kritiker werfen Ihnen da vor, es gäbe zukünftig – weil Berufseinsteiger weniger verdienen – Redakteure erster und zweiter Klasse. Können Sie die Kritik nachvollziehen oder ist sie für Sie völlig unberechtigt?

Heinen: Ich kann es aus verhandlungstaktischen Gründen verstehen, dass man so argumentiert. Ich bin aber ganz sicher, dass auch das, was man als zukünftiges abgesenktes Tarifniveau für nachwachsende Redakteure von unserer Seite vorschlägt, dass auch das sehr wohl den Einstieg in eine gesicherte und langfristig planbare Existenz darstellt. Wir müssen auch sagen, dass Redakteursgehälter, teilweise auch Druckerlöhne, in den Jahrzehnten von der sehr, sehr guten Wirtschaftslage der meisten Zeitungsverlage auch überproportional profiliert haben.

Ostermann: Die Zeitungen müssen, wie andere Medien auch, zweigleisig fahren. Am Internet führt natürlich kein Weg vorbei, will man mit der Zeit gehen. Schaffen das die Verlage? Wollen sie es überhaupt, wirtschaftlich, journalistisch?

Heinen: Journalistisch kann man heute schon sagen, dass die deutschen Zeitungen es geschafft haben, ihren Namen, ihre Titel, ihre Leistungen ins Internet zu verlängern. Sie gelten auch dort als mit die beliebtesten Adressen für Informationen, für journalistisch aufbereitete Inhalte. Das Problem liegt in der Refinanzierung. Die Werbung kann im Internet – bisher zumindest – nicht in dem Maße zur Finanzierung journalistischer Inhalte genutzt werden, wie wir uns das wünschen würden, wie wir das aus den anderen Verbreitungsmöglichkeiten, Verbreitungskanälen kennen. Deshalb werden wir jetzt versuchen, auch mit moderaten Vertriebspreisen, insbesondere für unsere mobilen journalistischen Angebote, sukzessive eine neue Erlösbasis aufzubauen.

Ostermann: Wie wehren Sie sich dagegen, dass Dritte Ihre Texte kommerziell nutzen?

Heinen: Das Internet ist ja ein offenes Medium, und natürlich soll grundsätzlich jeder, insbesondere auch jeder Private, freien Zugriff auf das haben, was dort eingestellt wird. Aber wir erleben auf der anderen Seite, dass große Anbieter, sogenannte Aggregatoren, Hinweise-, Verweise-Suchen auf fremdes Material zum Kern ihres eigenen Geschäftsmodells machen, ohne dass sie selbst die Aufwendungen für derlei insbesondere aktuell produzierte Inhalte tragen. Das muss sich ändern, und deshalb fordern wir ein Leistungsschutzrecht für Verlage, für Presseverlage. Es ist eine bisher im Urheberrecht bestehende Lücke, für viele andere Bereiche gibt es vergleichbare Rechte. Wir fordern ein solches Leistungsschutzrecht, um diejenigen zu Entgelten für die Nutzung unserer Inhalte veranlassen zu können, die bisher sich kostenlos bedienen, aber ihrerseits lukrative Geschäftsmodelle darauf aufbauen.

Ostermann: Was machen Sie, um junge Leute an die Zeitungen heranzuführen?

Heinen: Ein wesentlicher Punkt über die möglichst attraktive Darbietung der eigenen Produkte auf den verschiedenen Kanälen hinaus ist auch die Begleitung, die fast alle Zeitungen mittlerweile für medienpädagogische Projekte leisten. Anders als früher, wo wir uns ganz stark auf die Sekundarstufe I konzentriert haben, gehen wir heute teilweise in die Grundschulen, teilweise sogar in die Kindergärten, um über eine spielerische Beschäftigung mit der Zeitung Interesse und Verständnis für deren Funktionsweise und deren Leistungsfähigkeit zu wecken. Wir stellen, wie das ja auch in anderen Lebensbereichen der Fall ist, eben auch als Zeitungsverlage fest, dass nicht mehr in allen Elternhäusern von alleine diese Vertrautheit mit der Zeitung hergestellt wird, und da müssen dann eben die Bildungsinstitutionen mit unserer Unterstützung ihren Beitrag leisten.

Ostermann: Und die Erzieherin ist die Herausgeberin.

Heinen: Sie gibt die Zeitung an ihre Kinder. Wir haben mal ein Maskottchen mit dem schönen Namen Paula Print, das gerade in Kindergärten zu dieser spielerischen Beschäftigung etwas beitragen kann. Da gibt es viele Wege, und wir stellen einfach fest, dass die natürliche Neugier der Kinder sich sehr gerne auch auf die Zeitungen richtet und dann besonders auf Themen, die auch mit ihren eigenen Lebensumfeldern zu tun hat. Dazu gehören zum einen sicherlich in der Jugend beliebte Popstars, die sofort natürlich erkannt werden, auch von denen, die noch nicht lesen können, dazu gehören natürlich auch Szenen aus dem Alltagsleben, gerade in der lokalen Umgebung, markante Straßenzüge in der Heimatgemeinde oder Bilder beispielsweise auch von Straßenverkehrsunfällen und Ähnliches wird von den Kindern einfach als ganz, ganz interessant und spannend empfunden.

Ostermann: Helmut Heinen, Herausgeber der "Kölnischen Rundschau" und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Herr Heinen – danke für das Gespräch!

Heinen: Danke Ihnen!