Bayreuths Zukunft

Von Wolf-Dieter Peter · 27.04.2008
Die Kulturteile von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen waren in den letzten Wochen vielfach damit beschäftigt: mit der Nachfolgefrage bei den Bayreuther Festspielen. Und am kommenden Dienstag ist endlich "der Tag": Dann kommt der sogenannte "Stiftungsrat", gleichsam das Hauptorgan der "Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth", in einem Sitzungssaal des Bayreuther Rathauses zusammen, um über die vorliegenden Bewerbungen und damit über die Zukunft der Festspiele zu beraten.
"Nein! Nicht schon wieder Wagner!", könnten viele von Ihnen, meine Damen und Herren, stöhnen. Doch so einfach dürfen Kulturinteressierte das Thema "Wagner und Bayreuth" nicht abtun. Die Bayreuther Festspiele sind das einzige deutsche Festival von Weltgeltung - nicht zuletzt deswegen überträgt der Bayerische Rundfunk seit Jahrzehnten die Bayreuther Aufführungen buchstäblich in alle Welt. Bayreuth gilt als das "Mekka" für Wagnerianer und sollte deshalb künstlerisch Maßstäbe setzen. Doch genau dieses künstlerische Profil, dazu Amtsführung und Gesundheit des inzwischen 88-jährigen, alleinigen Festspielleiters Wolfgang Wagner sind seit Längerem in Diskussion geraten. Nach sieben, acht Jahren zeichnen sich nun Konturen einer Lösung ab: Erstmals hat Wolfgang Wagner in einem Brief an den Stiftungsrat signalisiert, die Festspielleitung abzugeben, wenn eine ihm genehme Lösung gefunden wird.

Dahinter steht, dass durch den unerwarteten Tod seiner Frau Gudrun neue Konstellationen möglich geworden sind. Gudrun Wagner hat als zweite Frau Wolfgang Wagners natürlich immer nur für ihr Kind, die inzwischen 29-jährige Katharina Wagner, als Festspielleiterin gekämpft. Nicht ohne Grund: Katharina ist gleichsam "mit Wagner" aufgewachsen. Sie ist eine diplomierte Theaterfachfrau und hat mit ihren fünf Inszenierungen mehr oder minder Furore gemacht. Mit diesen Qualitäten sollte sie bislang ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier ausstechen, Wolfgang Wagners inzwischen 62-jährige Tochter aus erster Ehe. Sie hatte sich schon vor sieben Jahren um die Festspielleitung beworben: aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Opernmanagerin damals vom Stiftungsrat benannt, von Vater Wolfgang aber abgelehnt. Vor wenigen Wochen nun haben sich Katharina und Eva nach langer Zeit getroffen, wohl unbeeinflusst ausgesprochen, viele Gemeinsamkeiten gefunden - und beschlossen, sich miteinander um die Festspielleitung zu bewerben - was einem Wunsch des gemeinsamen Vaters Wolfgang entspricht.

Pikant wie so vieles in diesem hier drastisch verkürzten "Besetzungsdrama" ist nur, dass dem Stiftungsrat seit Ende März bereits ein Bewerbungskonzept von Eva vorliegt - eines zusammen mit ihrer Cousine Nike Wagner, der scharfzüngigen und intellektuell streitbaren Tochter Wieland Wagners. Nike ist die einzige Repräsentantin der Wieland-Linie, die als Kulturwissenschaftlerin und derzeitige Leiterin des kleinen Weimarer Kunstfestes zwar etwas mit Kunst, aber wenig mit Oper zu tun hat. Spätestens heute sollte dem Stiftungsrat auch das in den letzten Wochen erstellte "Eva-Katharina-Konzept" vorliegen. Von den früher einmal von Katharina in die Diskussion eingeführten Mitbewerbern - von Komponist und Festivalmanager Peter Ruzicka sowie Dirigent Christian Thielemann - ist keine Rede mehr.

Über zwei Konzepte also werden nun in den nächsten Stunden die Vertreter von Bund, Land Bayern, Regierungsbezirk Oberfranken, Stadt Bayreuth, Freundeskreis, zwei Stiftungen und Familie Wagner beraten. Aus ihren 24 Stimmen muss eine Mehrheit gefunden werden. Ist Wolfgang Wagner mit dem neuen Leistungsteam einverstanden und tritt zurück, so kann nach den von der Satzung vorgeschriebenen vier Monaten "Bewerbungsfrist" die neue Festspielleitung ernannt werden - ob damit langsam begonnen werden kann, die künstlerischen Mankos der Bayreuther Festspiele Zug um Zug zu beheben - darüber wird hoffentlich am Dienstag ernsthaft zu reden sein …