Baustelle Bühne

Nicht nur die Berliner Staatsoper eröffnet in Etappen

Stich von Feyerabend aus dem Jahr 1566 vom Turmbau zu Babel.
Turmbau zu Babel © picture-alliance / dpa
Von Frieder Reininghaus · 02.10.2017
Der Turm zu Babel, die Opéra Bastille – alle wichtigen Gebäude öffneten zunächst provisorisch. Und was sind schon Mehrkosten von knapp 160 Millionen Euro? Im historischen Vergleich ist die Sanierungsleistung der Berliner Staatsoper durchaus respektabel, meint unser Kommentator.
Nichts macht Menschen gegebenenfalls so dauerhaft wie ein schmuckes Bauwerk. Das wussten schon die Pharaonen und die Turmbauer zu Babel. Der uralten Haltbarkeitsmaxime folgen seit Jahrtausenden alle Potentaten, Politiker und Konzernherrn von Format. Auch wirklich große Künstler wie Richard Wagner oder jener Maler, der dann Reichskanzler in Berlin wurde. Einer von dessen Vorgängern und Vorbildern ließ, als die Region noch monarchisch verfasst war, vor den Fenstern seines Kronprinzenpalais ein Opernhaus aus dem Boden stampfen. Dies vor allem, um den Glanz Dresdens in den Schatten zu stellen und den Anspruch Preußens auf eine Vormachtstellung im Deutschen Reich sinnfällig zu unterstreichen. Das Theater wurde das auf Drängen Friedrichs II. am 7. Dezember 1742 eröffnet – provisorisch. Die Praxis, nach einer pompösen Eröffnung gleich wieder zuzusperren, hat mithin Tradition. Gerade auch an diesem Ort.
Morgen soll es dort nicht mit einer der großen deutschen Meisteropern zur Sache gehen, sondern – kaum weniger bescheiden – mit den hybriden Szenen aus Goethes Faust von Robert Schumann. Markus Lüpertz hat das Oratorien-Pasticcio illustriert. Der Generalmusikdirektor verspricht es ins Erhabenste zu steigern, sodass man dem Augenblick zuflüstern möchte: "Verweile doch, du bist so schön".
Unter den Linden soll diesmal die Generalpause bis zum Beginn des regulären Spielbetriebs allerdings nur gut zwei Monate dauern. Als in Paris 1989 die neue Nationaloper an der Place de la Bastille zum 200. Jahrestags des großen Rummels auf diesem Platz mit einem G7-Gipfel feierlich eingeweiht wurde, dauerte es bis zur Aufnahme des Normalbetriebs zweieinhalb Jahre.

Barenboim rangiert nur im vorderen Mittelfeld

Vorm großen Panorama der Geschichte nimmt sich also die Sanierungsleistung in Berlin-Mitte eher respektabel aus. Den morgigen Glanz vor Augen und das musikalische Gloria im Ohr, wäre es provinziell, an dieser Stelle noch einmal kostenintensive Planungsfehler aufzurechnen. Als kleinlich könnte erscheinen, noch erneut mit den Sonderwünschen des Generalmusikdirektors zu hadern. Er hält sich und manche in Berlin halten ihn für eine historische Größe – und lassen ihm daher die Starallüren durchgehen. Bei nüchterner Betrachtung des internationalen Rankings besetzt Daniel Barenboim aber nur einen Platz im vordere Mittelfeld.
Gewiss hat auch die Erfüllung seiner Primadonnen-Wünsche die Bauzeiten verlängert und zu erheblichen Einnahmen-Ausfällen an den Theaterkassen geführt. Aber was sind schon Mehrkosten von etwas mehr als 160 Millionen? Sollen die Steuerzahler doch dankbar sein, dass ihnen die hanseatischen Dimensionen der Elbphilharmonie und das Milliardengrab Stuttgart 21 diesmal erspart blieben.

Eine Baupause von 300 Jahren

Erst recht so etwas wie das Kölner Theaterdesaster: 2009 wurde in Köln der Neubau des Schauspiels und die Generalsanierung des danebenliegenden Opernhauses für 230 Mio. € beschlossen, dann auch ab- und herausgerissen. Heute ist ein Ende der Arbeiten und der Kostenspirale nicht abzusehen. Im Moment ist sie bereits beim Doppelten der ursprünglichen Kalkulation angekommenen. Optimisten gehen aber davon aus, dass die Fertigstellung schneller geht als beim Kölner Dom, bei dem eine Baupause knapp 300 Jahre dauerte.
Berlin kommt also diesmal mit einem blauen Opernauge davon. Künstlerisch übrigens rangiert die Halle, für die da jetzt so kräftig investiert wurde, schon lange nicht mehr in der Bundesliga, schon gar nicht in der Champions League. Für einen Wiederaufstieg bedürfte es zumindest auch eines Trainerwechsels.
Mehr zum Thema