Bauhaus-Ausstellung

Design als Dienst an der Gesellschaft

Der Stuhl B3 von Marcel Breuer (1925) in der Ausstellung "Das Bauhaus #allesistdesign" im Vitra Design Museum in Weil am Rhein.
Der Stuhl B3 von Marcel Breuer (1925) in der Ausstellung "Das Bauhaus #allesistdesign" im Vitra Design Museum in Weil am Rhein © picture alliance / dpa / Georgios Kefalas
Von Johannes Halder · 25.09.2015
Vor fast hundert Jahren wurde das Bauhaus in Weimar gegründet – die wohl einflussreichste Bildungsstätte für Architektur, Kunst und Design. Eine Ausstellung in Weil am Rhein zeigt, welchen großen Einfluss der legendäre Bauhaus-Stil auf die Designerszene noch heute hat.
Dass das Bauhaus ein Mythos wurde und eine weltbekannte Marke, ist eigentlich ein Wunder. Denn im Grunde waren die Gestalter, die dort wirkten, ein zerstrittener Haufen von Individualisten, von denen jeder seine eigenen Ideale vertrat, sagt die Kuratorin Jolanthe Kugler.
Kugler: "Einer der berühmten Bauhäusler hat das mal so formuliert: eigentlich jedem Bauhäusler sein Bauhaus. Das sieht man auch noch in sehr vielen von den Dokumenten, von denen wir auch einige zeigen, dass es eben nicht ein Bauhaus gab, sondern jeder seine eigenen Wünsche und Hoffnungen an dieses Bauhaus gehängt hat."
Dennoch, ein Anspruch einte die Gestalter:
"Design war für das Bauhaus nicht nur der Stuhl, sondern die Architektur natürlich, aber letzten Endes auch die ganze Gesellschaft."
Eine Art Nachhaltigkeit geschafft
Erfolgreich machte die Institution vor allem die geniale Berufungspolitik des Bauhaus-Gründers Walter Gropius, der durchaus schon global dachte.
"Global im Sinne von, sie haben sich bemüht, Künstler, Designer, Architekten möglichst aus der ganzen Welt möglichst im Bauhaus zusammenzubringen. Die Bauhäusler haben sich allerdings auch bemüht, eine gewisse Art der Nachhaltigkeit zu schaffen, indem sie nicht das Produkt in den Vordergrund stellen und seine Verdienstmöglichkeiten daran, sondern das Produkt ist ein Dienstleister. Es dient dazu, das Leben der Menschen besser zu machen."
Design als Dienst an der Gesellschaft. Schön sollte es sein und funktional, billig und in Masse produzierbar. Als Paradebeispiel ist hier neben Möbeln, Textilien und Geschirr die berühmte "Wagenfeld-Lampe" mit ihrem kuppelförmigen Glasschirm zu sehen, 1919 entworfen und noch heute produziert.
"Ich liebe dieses Objekt sehr, weil es keines dieser Kriterien erfüllt. Funktional ist sie gar nicht, billig kann man sie auch nicht nennen – es ist Glas, Silber – und serielle Fertigung ist auch ein Traum. Sie wird auch heute noch zum Großteil von Hand produziert."
Ein Traum war die Leuchte auch für Arbeiter: viel zu teuer. Und wer einmal auf dem Wassily-Sessel von Marcel Breuer Platz genommen hat, einem spartanisch bespannten Stahlrohrgestell, der spürt sehr schnell:
Kühl, funktional, schön, minimalistisch – ein Klischee?
"Bequem ist auch etwas anderes."
Kühl, funktional, schön, minimalistisch – was dem Bauhaus-Design bis heute anhaftet, ist dennoch ein Klischee. Die erfolgreichsten Bauhaus-Produkte waren nicht etwa Lampen oder Stühle, sondern Spielzeug und Tapeten.
"Das Spielzeug, das war einfach herzustellen und man konnte es auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen. Und die Bauhaus-Tapeten – wo man denkt, die Moderne ist doch weiß und bestimmt nur verputzt – das erfolgreichste Produkt: Rasch-Tapeten."
Schon in den ersten vier Jahren bis 1933 verkauften sich von den dezent gemusterten Bauhaus-Tapeten über sechs Millionen Rollen. Trotzdem:
"Das Bauhaus kannten nur die Spezialisten damals, eine ganz kleine Gruppe, die wusste, was diese Bauhäusler dort tun."
Obwohl das Vitra Design Museum klein ist, gelingt es der Schau erstaunlich gut, das komplexe Thema kompakt zu fassen, indem es den Mythos Bauhaus kritisch durchleuchtet und die historischen Exponate mit zahlreichen zeitgenössischen Entwürfen mischt, etwa einem "Hartz-IV-Sessel" für 24 Euro.
Die Demokratisierung des Geschmacks
Immer wieder wird dabei deutlich, wie relevant die Bauhaus-Ideen auch für heutige Designer sind, wie geschickt das Bauhaus seine Ideologie kommunizierte, auch mit einer Typographie, die bis heute gültige Maßstäbe setzt.
Design am Bauhaus, das war ein offenes Ideenlabor, eine Coop-Werkstatt der Moderne, ein großes Experiment, das durch die Nazis unterbrochen wurde, aber bis heute nicht abgeschlossen ist. Und ein gesellschaftlicher Prozess, der durchaus seine Profiteure hat.
Puristen mag der Gedanke schütteln, aber tatsächlich ist es so, dass so etwas wie IKEA ohne das Bauhaus nicht möglich geworden wäre. Es ist die Demokratisierung, ja die Globalisierung des Geschmacks. Und Design als Distinktionsmerkmal hat hier weitgehend ausgedient. Das Bauhaus aber, sagt Jolanthe Kugler, ist noch lange nicht tot.
"Warum es weiterhin so faszinierend und hochaktuell ist, ist eben die Tatsache, dass sie den Mut hatten, alles Bekannte, Altbekannte zu hinterfragen und neu zu denken. Das ist natürlich etwas, was wir heute auch weiterhin tun sollten."

Die Ausstellung "Das Bauhaus #allesistdesign" ist im Vitra Design Museum in Weil am Rhein bis zum 28. Februar 2016 zu sehen, danach vom 1. April bis 14. August 2016 in der Bundeskunsthalle Bonn.
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