Barockklänge in seltsamem Ambiente

Von Jörn Florian Fuchs · 27.08.2010
Musikalisch aufregend, szenisch ausbaufähig: So präsentiert sich Vivaldis erstes Bühnenwerk "Ottone in villa" bei den Insbrucker Festwochen der Alten Musik. Besonders umherfahrende Bäumchen passen nicht so recht ins barocke Repertoire.
Mal ganz ehrlich: So richtig toll sind die musiktheatralen Jugendsünden von Mozart, Wagner und manch anderen Opern-Olympioniken nicht. Manches ist da noch nicht ausgereift, vieles wirkt sehr konstruiert und zu stark an (nicht immer guten) Vorbildern orientiert.

Der Fall des Vielkomponierers Vivaldi hingegen liegt deutlich anders, im für damalige Verhältnisse nicht mehr ganz so jugendlichen Alter von 35 Lenzen schrieb der Violinvirtuose sein erstes Bühnenwerk, "Ottone in villa", als Auftrag des Theaters Vicenza. Der Text stammt von Domenico Lalli, einem begabten Autor mit legendärem Hang zu Affären und Geldverschwendungsorgien.

Lalli erzählt die turbulente Geschichte um Kaiser Ottone und seine leichtlebige Geliebte Cleonilla in witzigen, schnell geschnittenen Szenen, ein zweites Paar nebst einem Gesandten aus Rom sorgt für allerlei emotionalen und realen Tumult, bis sich am Ende alles in Liebeswonnen auflöst. Vivaldi liefert dazu eine sprühend witzige Tonspur, mit brillantem Part für "singende" Violine, berückenden Flötensoli und nur ja nicht zu langen Arien oder Duetten.

Ungestüm, frisch, unverbildet interpretierte Il Giardino Armonico unter Giovanni Antonini diesen stupenden Klangrausch in Innsbruck, wobei anfängliche Intonationstrübungen sicher auf das Konto des eigenwilligen Wochenendwetters gingen. Sonia Prina war als Titelfigur in guter vokaler Verfassung, Prinas angenehm dunkles Timbre enttäuschte nur bei einigen sehr hohen Tönen. Ottones Gespielin Cleonilla sang Veronica Cangemi insgesamt recht gut, besonders stark waren die melancholischen Stellen ihrer Partie.

In den keineswegs kleinen Rollen überzeugten Lucia Cirillo (Caio) sowie Sunhae Im (Tullia) – Im ist ja eine bewährte Festwochen-Kraft und machte heuer ein paar kleinere stimmliche Schwächen durch ihr szenisches Talent wett. Nur solide dagegen Krystian Adam als Gesandter Decio, er hatte auch szenisch eine eher undankbare Rolle, die sich zumeist aufs Herumstehen und Händeringen beschränkte.

Das Produktionsteam um Deda Cristina Colonna (Inszenierung), Pier Paolo Bisleri (Bühne) sowie Monica Iacuzzo (Kostüme) versuchte, die alte Geschichte in ein neues Gewand zu kleiden, ohne freilich dem bösen Regisseurstheater in die Hände zu spielen. Ein großes Bild mit Tierköpfen, Pflanzen, Menschengesichtern, dem Turm zu Babel und diversen kulturhistorischen Objekten dient als eine Art Hintergrundfolie, davor agiert das Vivaldi-Personal in bunten Kostümen, die ein bisschen nach dem alten Rom und ein bisschen mehr nach Science-Fiction aussehen.

Im ersten Akt noch ist alles sehr ästhetisch und konzentriert gearbeitet, Blütenkelche und Videoschnee flimmern auf einer Leinwand, die Gesten der Figuren sind ans barocke Repertoire angelehnt, aber immer wieder durch etwas handfestere, heutigere Bewegungen erweitert. Wenn es etwa ums Liebesleid geht, dann massiert die jeweils Leidklagende schon mal sanft ihren Unterbauch. Leider driftet das Geschehen auf der Bühne zunehmend ins absurd Überkandidelte ab, sogar Tieftrauriges wird nun beispielsweise durch umherfahrende Bäumchen konterkariert. Der Schlussakt strotzt nur mehr vor Banalitäten und verspielt manch anfänglich intensive Stimmung.

So bleibt "Ottone in villa" als eine musikalisch aufregende, szenisch jedoch letztlich nur teilweise anregende Produktion in Erinnerung. Im Gegensatz zu barocken Langweilern wie Riccardo Muti und seinen drittklassigen Regieteams, die seit Jahren zu Pfingsten in Salzburg für Langeweile sorgen, lohnte aber die Reise nach Innsbruck – allein schon wegen der kräftig gewürzten Rezitative von Giovanni Antonini und seinem Barockgarten voller instrumentaler Blütenpracht.
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