Bahn frei mit der Schreckschusspistole

Von Axel Schröder · 06.05.2009
Wenn ein Flugzeug nicht wie vorgesehen starten oder landen kann, hat das nicht nur technische Gründe. Manchmal versperren Vögel den Weg, machen Pause ausgerechnet auf der Start- und Landebahn. Dann kommen die so genannten Vogelvergrämer zum Einsatz, manchmal mit Unterstützung der flughafeneigenen Jäger. Die versuchen zunächst auf sanfte Art, die Vögel zum Wegfliegen zu bewegen.
Ein Linienflieger schwebt Richtung Landebahn, zehn, fünf, zwei Meter noch. Dann setzen die Reifen auf, die kleinen Rauchwölkchen verwehen gleich wieder. Am Rande der Rollbahn sitzen Jörn Reglitzki und Markus Musser in einem gelb-schwarz-karierten Kleinbus. Der Tower meldet einen Vogelschwarm auf der Startbahn:

Jörn Reglitzki: "Günther, ich fahre jetzt mal rüber in die Baustelle wegen Vogelvergrämung!"

Per Funk informiert Reglitzki seine Kollegen, schaut rechts und links, fährt langsam zum Vorfeld. Dort stört ein Dutzend Möwen den Flugverkehr.

Jörn Reglitzki: "So, wir fahren jetzt wieder aufs Vorfeld. Sehen, dass da alles in Ordnung ist."

Im Minutentakt starten und landen die Jets, der gelb-schwarze Follow-Me-Bus rollt über den dunkelgrauen Asphalt, vorbei an den noch niedrigen grünen Graswiesen. Eine Feldlerche steht zwitschernd in der Luft, zehn Meter hoch. Reglitzki behält die Fahrbahn und den Himmel im Blick, erklärt seine Sicht auf schlaue und dumme Vögel:

"Die Krähen - muss man so sagen - sind sehr intelligent! Sie sind zwar da, aber sie werden selten umgeflogen. Dumme Vögel sind die Möwen! Die muss man einfach als dumm bezeichnen. Wenn die denn da irgendwo sitzen und sie hören denn Geräusche, denn fliegen sie hoch und dann kann das leider vorkommen, dass die dann eben vom Flugzeug getroffen werden."

Hinter ihm im Kleinbus hebt Markus Musser die Hand: Einspruch! Der Jäger im grünen Trachtenjanker bricht eine Lanze für die Möwen. So dumm sind sie nicht, sagt Musser, nur träge:

"Die Krähe erkennt die Gefahr. Ein paar kurze Flügelschläge und schnell sind sie weg. Und die Möwe erkennt die Gefahr, aber sie kommt nicht so schnell davon. Und dadurch gibt es die Kollision dann mit den Luftfahrzeugen."

Musser ist Förster, angestellt beim Hamburger Flughafen. Er wird gerufen, wenn Großvögel sich bei Kollisionen schwer verletzen. Gerade erst musste er einem Schwan den Gnadenschuss geben. Und Musser ist zuständig für das so genannte Biotopmanagement, für die sanfte Art der Vogelvergrämung:

"Wir fangen hier in Hamburg im Biotopmanagement damit an, dass das Flughafenumfeld, die Betriebsflächen besonders unattraktiv für Vögel gestaltet werden."

Und so werden Netze über Teiche gespannt, damit Vögel sie nicht als Tränke nutzen können, das Gras bleibt ungemäht, um die Nahrungssuche zu erschweren.

Reglitzki bremst den Wagen, 20 Meter entfernt sitzt ein Dutzend Möwen zu nah an der Rollbahn. Unbeweglich, den Schnabel in Windrichtung:

Jörn Reglitzki: "Da haben wir also tatsächlich noch ein paar Möwen, die wir eben versuchen, gezielt zu vergrämen. Dass wir eben versuchen, sie so zu vergrämen, dass sie von der Startbahn weg fliegen und nicht dort hin treiben."

Mit einem Handgriff schiebt der Vogelvergrämer einen roten Knallkörper in den Lauf seiner Pistole, drückt den Knopf für den elektrischen Fensterheber, hält den Revolver hinaus und zielt in den Himmel.

"Und dazu haben wir eben eine Schreckschusspistole (Knall, Knall!). Und jetzt sieht man schon: oft langt ein Schuss, dass die Möwen dann eben auffliegen und denn auch in die gewünschte Richtung weg fliegen."

Aufgescheucht fliegen die Möwen durcheinander, suchen das Weite. Nur bei ganz renitenten Vögeln greift Jäger Markus Musser ein und erschießt die Tiere. Aber im Moment ist Schonzeit: dann darf bei "Gefahr im Verzug" geschossen werden, erklärt der Jäger:

"Das absolut letzte Mittel der Wahl ist der scharfe Schuss. Deshalb ist das aktive Vergrämen durch die Betriebsmittel, die wir an Bord haben, ist eigentlich nur die zweite Säule."

Die erste, viel wichtigere Maßnahme ist das Biotopmanagement. Wenn das weiterhin funktioniert, muss Jörn Reglitzki nur zwei, drei Mal pro Woche zum Vergrämen auszurücken und Jäger Markus Musser kaum Gnaden- oder Todesschüsse abfeuern.