Bafta-TV-Preis für "I May Destroy You"

Lob für Intimitätskoordinatorin am Set

07:22 Minuten
Filmszene aus der Serie "I May Destroy You": Frau (Michaela Coel) auf einer Straße bei Nacht.
Michaela Coel in der britischen Serie "I May Destroy You": Sie schrieb das Drehbuch und spielte die Hauptrolle. © picture alliance / Associated Press / HBO
Julia Effertz im Gespräch mit Massimo Maio · 08.06.2021
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In der Serie "I May Destroy You" verarbeitet die Künstlerin Michaela Coel ihre eigene Erfahrung einer Vergewaltigung. Die Auszeichnung mit dem britischen Bafta-TV-Award widmete Coel ihrer Intimitätskoordinatorin. Warum ist deren Job so wichtig?
Seit MeToo und den Enthüllungen im Fall Harvey Weinstein ist klar geworden, wie leicht Schauspielerinnen und Spieler unter Druck gesetzt werden können – und wie schwer es sein kann, sich gegen sexuelle Übergriffe zur Wehr zu setzen. Deswegen sorgen inzwischen oft sogenannte Intimkoordinatoren für eine klare, professionelle Kommunikation am Set, gerade wenn es um Sexszenen geht.
Bei der Verleihung der Bafta-Awards, dem englischen Fernsehpreis, rückte die Arbeit des neuen Gewerks noch einmal ins Rampenlicht. Dort wurde die britische Serie "I May Destroy You" mehrfach ausgezeichnet, unter anderem für die beste Miniserie, die beste Regie und die beste Schauspielerin. In der Serie verarbeitet die Künstlerin Michaela Coel ihre eigene Vergewaltigung mit Einsatz von K.o.-Tropfen. Den Preis in der Schauspielkategorie widmete Coel in ihrer Dankesrede ausdrücklich der Intimitätskoordinatorin Ita O'Brien. Diese Arbeit sei essenziell für die Serie gewesen, sagte Coel. O'Brien habe das Set zu einem sicheren Raum gemacht.

Erste Intimkoordinatorin in Deutschland

In Deutschland gibt es bisher nur eine Intimkoordinatorin: Die Schauspielerin Julia Effertz hat seit vergangenem Jahr die ersten Aufträge in diesem noch so jungen Berufsbild. Gelernt hat sie ihren Job bei Ita O'Brien.
"Wir sind die Stunt-Koordinatoren nur für intime Szenen, also für Kussszenen, Szenen mit Nacktheit, Liebesszenen und eben auch die Darstellung sexualisierter Gewalt", erklärt Effertz. "Mein Job ist es, die Regie dabei zu unterstützen, ihre kreative Vision umzusetzen bei der Szene, und dabei gleichzeitig die Schauspieler im Spiel abzusichern."
Dabei sorgen Intimkoordinatorinnen für "klare, transparente Kommunikation" – und zwar schon bevor es ans Set geht mit allen Beteiligten: "80 Prozent meiner Arbeit finden vor dem Drehtag statt", erklärt sie. Denn klare Absprachen seien unerlässlich. "Wir choreografieren diese Szenen. Denn es sind körperliche Szenen mit einem psychischen Verletzungsrisiko – und sie sind im Grunde wie ein Tanz, wie ein Stunt zu behandeln. Um dieses physische Verletzungsrisiko zu minimieren, müssen wir sie choreografieren. Und das schafft die Klarheit."
Als Schauspielerin habe Effertz zwar "mehrheitlich positive Erfahrungen gemacht". Dennoch hätte sie sich jemanden gewünscht, der "stärker die Grenze ziehen kann" zwischen dem Privaten und der Rolle. "Man ist als Schauspieler einfach sehr alleine – und es ist für Schauspieler schwer, die eigenen Grenzen zu erkennen, und der Druck ist nun mal da beim Drehen", so Effertz. Deswegen sei es wichtig, als "Drittpartei" die bestehenden Machtkonstellationen abzufedern und einen sicheren Raum für die Schauspielerinnen zu schaffen.

Zwischen Person und Rolle unterscheiden

Es müsse garantiert werden, dass Schauspieler und Schauspielerinnen nicht etwa ihre private Sexualität preisgeben müssen in der Rolle. "Das ist leider die historische Falschannahme, die wir lange gehabt haben", sagt Effertz. Denn während bei anderen Szenen, beispielsweise bei der Darstellung von Gewalt, ganz klar zwischen Rolle und Person getrennt worden sei, sie dies in der Wahrnehmung sexueller, intimer Szenen oft weniger deutlich gewesen. Doch auch da gelte: "Das eine ist das Private, und die Rolle ist nun mal die Rolle."
Am Set hätten die Schauspieler und Schauspielerinnen außerdem immer ein Save-Word, das jeder kenne. Sobald es genannt werde, müsse der Dreh abgebrochen werden. "Das ist auch nicht schlimm, das muss auch nicht erklärt werden."
Auch wenn Effertz bisher noch die einzige Intimkoordinatorin in Deutschland ist, glaubt sie an eine positive Entwicklung: "Ich merke: Das Bewusstsein ist langsam da. Wir sind auf dem Weg", bilanziert sie.
(lkn)
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