Bärbel Höhn: "Steinbrück ist sicher nicht unser Wunschpartner“

Bärbel Höhn im Gespräch mit Marietta Schwarz · 29.09.2012
Für Bärbel Höhn, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ehemals Ministerin im Kabinett Steinbrück in Nordrhein-Westfalen, ist eine Ampelkoalition auf Bundesebene "eine ziemliche Horrorvision", wie sie sagt.
Marietta Schwarz: Und plötzlich war es nur noch einer: Betont geschlossen versuchte sich die sogenannte Troika in der SPD stets zu geben. So recht nahm man es ihr nicht ab, waren die drei potenziellen Kanzlerkandidaten dann doch sehr unterschiedlich: der Hau-Drauf Gabriel, der bescheidenere Steinmeier und der Schlaumeier Steinbrück, der sich schlussendlich als Kandidat durchgesetzt hat, weil der eine nicht konnte und der andere nicht wollte.

Peer Steinbrück, so sieht es momentan aus, kann und will – aber mit wem und wie? Das kann die Frau ganz gut beurteilen, die jetzt am Telefon ist, Bärbel Höhn, stellvertretende Vorsitzende der Grünen. Sie war als Umweltministerin Mitglied im Kabinett Steinbrück in Nordrhein-Westfalen. Frau Höhn, guten Morgen!

Bärbel Höhn: Ja, guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Was war denn Ihr schönstes Erlebnis mit Peer Steinbrück?

Höhn: Ja, mein schönstes Erlebnis jetzt in der letzten Zeit war eigentlich eins, wir haben uns im Frühjahr getroffen, wir haben noch mal über unsere Vergangenheit hier in Düsseldorf gesprochen, haben festgestellt, dass es in Berlin schon eine vollkommen andere Ebene ist, und haben einfach die Vergangenheit hinter uns gelassen und nach vorne geguckt.

Schwarz: Ein klärendes Gespräch.

Höhn: Genau.

Schwarz: Bekannt ist ja eher, dass Sie beide regelmäßig im Kabinett aneinandergeraten sind, deshalb haben Sie wohl klären müssen. Was ist denn, frage ich dann mal andersherum, Ihr schlimmstes Erlebnis gewesen?

Höhn: Ja, das Schlimmste weiß ich gar nicht. Wir hatten da schon einige sehr, sehr schwierige Erlebnisse, und insofern, welches jetzt nun wirklich von der Abstufung das schlimmste war, weiß ich nicht.

Schwarz: Ein schlimmes genügt mir auch.

Höhn: Ja, also ich sage mal, ein typisches war damals zum Beispiel die Diskussion um den Transrapid, da hat er ja immer gesagt, der Commander Wu in China hat den Transrapid in kürzester Zeit hinbekommen und wir kriegen das hier alles nicht hin, ihr Grünen verzögert, ihr Grünen blockiert, ihr wollt das alles nicht, und wir müssen so sein wie die Chinesen, wenn wir Zukunft haben wollen. Das war so, ja, ich sage mal, nicht gerade diplomatisch und war auch sehr, sehr stringent festgelegt.

Aber am Ende, glaube ich, hat sich dann auch die Vernunft durchgesetzt, der Transrapid wird nach Nordrhein-Westfalen nicht kommen, und daraus zum Beispiel hat der Peer Steinbrück damals, aus dem Düsseldorfer Signal, auch sehr gelernt. Also die Zeit nach diesem Düsseldorfer Signal, was für ihn ja eine harte Niederlage war, die ging einfach besser als vorher.

Schwarz: Ist er der Commander-Typ?

Höhn: Ich glaube schon, aber er ist eben auch einer, der lernen kann und der auch anpassungsfähig ist an verschiedene Situationen.

Schwarz: Bärbel Höhn, versöhnt mit Peer Steinbrück – das kann ja eigentlich nicht wahr sein. Vor einem Jahr haben Sie noch gesagt, Steinbrück könne nicht gut auf Menschen zugehen, er habe wenig Verständnis für das Soziale, für Menschen, die in Not sind. Hat er sich verändert?

Höhn: Ich glaube, er versucht es. Er hat ja damals als Ministerpräsident sich so das Ehrenamt vorgenommen. Natürlich, ich meine, es ist immer noch bekannt die eine Situation, als Barbara Steffens mit ihrem kleinen Baby sozusagen zu einer Koalitionsrunde gekommen ist und Peer Steinbrück gesagt hat, das geht nicht, das ist unmöglich, wir können hier nicht mit kleinen Kindern hier zusammen verhandeln. Und das hat damals zu erheblichen Zerwürfnissen geführt, auch die Art, wie er es gemacht hat, und auch ihm ordentlich Kritik in der SPD beigetragen. Und das hat damals sicher auch diese fehlende soziale Kompetenz, die ich angesprochen habe, da noch mal deutlich gemacht.

Aber wie gesagt, er bemüht sich da, er hat auch in dieser Ehrenamt-Situation doch eine Menge gemacht, aber das ist sicher auch eher sein Defizit. Er hat da auch klare Stärken, aber hat eben an diesem Punkt sicher auch gegenüber Hannelore Kraft zum Beispiel, die ja hier als Ministerpräsidentin momentan ganz anders mit den Menschen umgeht, da eher Defizite.

Schwarz: Sie sagten damals auch, Peer Steinbrück stehe nicht unbedingt für Rot-Grün, rein rechnerisch ist ja auch eine Ampel realistischer. Können Sie sich das vorstellen – Steinbrück mit Trittin und Rösler im Kabinett?

Höhn: Also ich glaube, Steinbrück kann sich das vorstellen. Für mich wäre das schon eine ziemliche Horrorvision. Aber Steinbrück, das ist ja auch gestern sehr deutlich geworden, dass seine alten Kollegen von der FDP damals aus Schleswig-Holstein schon wieder gesagt haben, ja, das können wir ja alles uns super vorstellen. Also Steinbrück wollte ja beim Düsseldorfer Signal die Grünen rausschmeißen und mit der FDP machen, das heißt, er ist eigentlich eher an der FDP als an den Grünen. Das erleichtert für uns die Zusammenarbeit mit Steinbrück nicht, aber er kann sich das sicher eher vorstellen als wir.

Schwarz: Helmut Schmidt, mit dem Peer Steinbrück ja auch schon falsch herum Schach gespielt hat, der hat mal gesagt: Wer Visionen hat, soll zum Augenarzt gehen – ein Zitat, das so auch von Steinbrück kommen könnte? Oder ist vielleicht diese Koalition, diese mögliche Ampel mit der FDP sogar eine Vision?

Höhn: Steinbrück ist schon ein klarer Machtpolitiker und ich glaube, deshalb würde er so eine Situation wie jetzt mit der Ampel würde er auf jeden Fall billigend in Kauf nehmen, weil es ja die Machtoptionen auch realistisch macht und damit - Hannelore Kraft würde da, glaube ich, anders mit umgehen, die würde eher inhaltlich an solchen Punkt arbeiten - aber damit natürlich auch gegenüber Angela Merkel da im Prinzip versucht, in die Vorhand zu kommen. Ob das funktioniert, ob das gelingt, das wird man sehen müssen.

Aber na ja, klar, Steinbrück ist sicher nicht unser Wunschpartner, aber für mich ist immer eine goldene Regel, dass ein möglicher Koalitionspartner sein Führungspersonal selber aussuchen muss, genauso wie wir uns als Grüne auch in unsere Personaldiskussion nicht reinfummeln lassen. Also von daher muss man am Ende immer mit den Leuten versuchen, eine gute Politik zu machen, die da ausgewählt sind, und die Situation, wie sie damals in Düsseldorf war und auch heute in Düsseldorf nicht mehr ist, die wird es auch in Berlin in dieser Form nicht mehr geben, weil das war eine ganz besondere Situation, die hoffentlich auch nie wiederkommt.

Schwarz: Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, über den Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück. Frau Höhn, Danke für das Gespräch!

Höhn: Bitte!

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