Autobiografie

Mode, Macher, Wunderkind

Modedesigner Wolfgang Joop mit Models in Kleidung von Wunderkind auf der Pariser Fashionweek am 3. März 2014.
Modedesigner Wolfgang Joop mit Models in Kleidung von Wunderkind auf der Pariser Fashionweek im März 2014. © picture alliance / dpa / Hendrik Ballhausen
Von Tabea Grzeszyk · 05.03.2014
Der Titel lässt Schlimmes befürchten: "Undressed. Aus einem Leben mit mir" heißt die Autobiografie des Modedesigners Wolfgang Joop. Droht hier ein 224-seitiges Selbstgespräch? Eine langatmige Hymne auf das eigene Leben aus der Perspektive eines Doppelgängers?
Wer eine selbstverliebte Nabelschau befürchtet hat, wird angenehm überrascht: "Undressed" ist keine Autobiografie im klassischen Sinn, sondern eine Zusammenstellung sorgfältig redigierter Gesprächsprotokolle.
Die Journalistin Rebecca Casati hat Wolfgang Joop im Laufe eines Jahres immer wieder getroffen und bei der Arbeit oder zuhause in seiner Potsdamer Privatvilla interviewt. In der Einleitung berichtet sie von diesen oftmals abendfüllenden Begegnungen, bei denen sich der Maestro "nicht unterbrechen lässt, die gestellte Frage aber fünfzig Sätze später beantwortet".
Im Buch treffen nun Fragen und Antworten stringent aufeinander und das Ergebnis ist ein sehr unterhaltsames Gesprächsbuch, in dem Wolfgang Joop sein Leben chronologisch Revue passieren lässt: Von der Kindheit auf einem Bauernhof in Potsdam-Bornstedt über sein Leben als junger Familienvater bis zu kommerziellem Erfolg und schwulem Coming-Out, einem Penthouse in New York und der Rückkehr nach Potsdam.
Teil des deutschen Dreigestirn in Sachen Mode
Wolfgang Joop ist heute 69 Jahre alt, er gehört neben Karl Lagerfeld und Jil Sander zum deutschen Dreigestirn in Sachen Mode mit internationaler Bedeutung. Mit 34 Jahren schaffte Joop den Durchbruch mit einer Pelzkollektion, 1987 gründete er die Mode- und Kosmetikfirma JOOP! und rund zehn Jahre später hätte sich der Designer zur Ruhe setzen können, als er mit dem Verkauf von 95 Prozent seiner Firmenanteile zum 150-fachen Millionär wurde.
Stattdessen zog er sich 2001 komplett zurück und gründete zwei Jahre später das Modelabel "Wunderkind" in Potsdam, in das er bis heute sehr viel eigenes Geld steckt. Der Journalistin Rebecca Casati ist zugute zu halten, dass sie Joops große Triumphe nicht zu kurz kommen lässt, aber nie um Fragen nach Niederlagen oder schwierige Lebensphasen verlegen ist. Zum Beispiel wenn sie ihn zum finanziellen Risiko befragt, das er mit "Wunderkind" eingeht, und Joop entgegnet: !Wissen Sie, wie oft ich das schon gehört habe, die vielen wohlmeinenden Menschen, die einem sagen: 'Ach, lass das doch lieber, heutzutage leisten sich die ganz großen Konzerne die Designer, man selber geht dieses Risiko nicht ein.' Ich weiß selbst, dass "flirting with desaster" ein Spiel ist, an dem man zugrunde gehen kann."
Die lockere Form des Gesprächs bringt dem Leser Wolfgang Joop in durchaus sympathischer Art und Weise näher – was nicht unbedingt selbstverständlich ist, denkt man beispielsweise an seine aktuelle Vermarktung als Juror bei "Germany's Next Topmodel", bei der er vor Selbstbewusstsein nur strotzt ("Niemand zeichnet Porträts so wie ich!").
Dabei trägt das Buch vor allem Joops biografischer und intellektueller Bandbreite Rechnung, die über ein Namedropping von Brecht bis Baudrillard hinausgeht - etwa wenn der Designer von seiner Verehrung für die DDR-Dichterin Christa Reinig spricht. Ergänzt durch einen kurzen einleitenden Text vor jedem Kapitel ist "Undressed" ein anekdotenreicher Abriss über das Leben von Wolfgang Joop, in dem sich zugleich 69 Jahre deutsch-deutscher Geschichte spiegeln. Kurzweilig, unterhaltsam, überraschend lesenswert.
Ein Gespräch mit Wolfgang Joop zu seinem Buch auf dem Blauen Sofa bei der Buchmesse in Frankfurt 2013.

Wolfgang Joop mit Rebecca Casati: Undressed. Aus einem Leben mit mir.
Hoffmann und Campe, Hamburg 2013
224 Seiten, 19,99 Euro

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