Ausweitung der digitalen Kampfzone bis ins Kanzleramt

03.05.2008
Surft Angela Merkel eigenhändig im Netz? Besitzt sie ein (trojanersicheres) Laptop? Liest sie ihre E-Mails online? Oder legen Referenten die elektronischen Nachrichten auf Papier vor? Weiß sie, was ein Browser ist? Ein Chat? Eine Community? Wir wissen es nicht.
Surft Angela Merkel eigenhändig im Netz? Besitzt sie ein (trojanersicheres) Laptop? Liest sie ihre E-Mails online? Oder legen Referenten die elektronischen Nachrichten auf Papier vor? Weiß sie, was ein Browser ist? Ein Chat? Eine Community? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen seit gestern, daß sie gegen illegale Downloads im Netz ist - irgendwie. Das jedenfalls die jüngste Botschaft aus dem Fernsehstudio im Kanzleramt.
Der Video-Podcast der deutschen Bundeskanlzlerin ist ja mittlerweile eine ähnlich etablierte Verkündigungsform, wie die wöchentliche Radioansprache des amerikanischen Präsidenten. Anlässlich des Welttags des geistigen Eigentums hatte sich eine Gruppe aus Künstlern, Verlegern, Film- und Musikindustriellen mittels offenem Brief an Angela Merkel gewandt. Das Anliegen: Die Bekämpfung der sogenannten Netzpiraterie soll zur Chefsache werden. Unter den Künstlern neben Til Brönner und Uwe Ochsenknecht so große Genies wie DJ Ötzi und Atze Schröder. Die Reaktion der Staatsspitze folgte umgehend. Ein stärkerer Schutz in Internet und digitalen Verbreitungsformen sei nötig, so die Kanzlerin in ihrer Videoverlautbarung. Und erntete gleich ein vielfältiges Echo.
Die Medienaktivisten von Netzpolitik.org vermuteten gleich den großangelegten Spin der selbsternannten Kreativwirtschaft hinter der Video-Botschaft und empfahlen, ganz Onlineguerilla, das muntere Remixen der Video-Verkündigung. Die Frankfurter AllgemeineFrankfurter Allgemeine dagegen verzweifelt über so manche Unzulänglichkeit des Bewegtbild-Podcasts, holte aber auch umgehend zum großen Hieb Richtung Blog und Netzcommunity aus. Parasitäre Gesinnungen werden da unterstellt und dabei neue Markt-Modelle übersehen. Breitband hatte erst am zurückliegenden Samstag den amerikanischen Autor Cory Doctorow portraitiert. Dessen Romane stehen neben der klassischen Buchform grundsätzlich als kostenfreie Downloads zur Verfügung. Seine Argumentation: Es gibt zwar viele Downloads des Manuskripts, aber jeder Download ist eine kleine Werbung. Aus seiner Sicht ist die Zahl der verkauften Bücher nicht gesunken, sondern gestiegen.
Unsere Kollegen aus dem Radiofeuilleton sprachen heute mit Helge Malchow vom Verlag Kiepenheuer & Witsch. Seine Haltung ist dagegen eine ganz andere. Illegale Downloads sind ein Verbrechen. Das Audio gibt es unten.
Was ist kriminell? Was ist zeitgemäß? Wir kommentieren das Ganze nächsten Samstag um 14.05 Uhr in Breitband.
Markus Heidmeier / Redaktion Breitband