Ausstellung zu Alexandre Lenoir

Türöffner für die französische Kunst

Touristen warten vor der gläsernen Pyramide im Hof des Louvres
Der Louvre in Paris © dpa/picture-alliance/Johanne Hoelzl
Von Jürgen König · 04.04.2016
Alles, was die alte Macht von Adel und Kirche verkörperte, wollten die Kämpfer der französischen Revolution zerstören. Alexandre Lenoir rettete zahlreiche der Kunstwerke und legte Depots an. So ebnete er letztlich der französischen Kunst den Weg, wie jetzt der Louvre zeigt.
Viele Schlösser, viele Kirchen wurden im Verlauf der Französischen Revolution geplündert, ihrer Schätze beraubt, etliches wurde zerstört, den Rest ließ man verfallen.
Früh schon wurde eine Kommission berufen, die zwar dem Vandalismus nichts entgegensetzen konnte, aber doch versuchte, wenigstens von den großen Kunstwerken und historischen Schätzen zu retten, was zu retten war. Alexandre Lenoir war Mitglied dieser Kommission, ab 1791 leitete er eines der beiden Depots, untergebracht in den klösterlichen Räumen eines früheren Konvents in Paris.
Dass es lebensgefährlich sein konnte, sich in Revolutionszeiten – zum Beispiel- für die Grabmale der französischen Könige in der Kathedrale von Saint-Denis bei Paris, einzusetzen, hielt Alexandre Lenoir nicht ab: von Waffen bedroht, setzte er trotzdem durch, dass das Grabmal etwa von Heinrich IV. abgebaut und fortgeschleppt wurde - dass seine Leiche drei Tage vor der Kirche ausgestellt und dann in ein Massengrab geworfen wurde, konnte er nicht verhindern.

"Das war ein Mann, der alles verschlungen hat!"

Alexandre Lenoir: ein Enthusiast: geboren 1762, hatte er bei Gabriel François Doyen Malerei studiert; als Archäologe war er Autodidakt. Über Jahre hatte er Wissen über die französische Kunst des Mittelalters zusammengetragen und verfeinert: er grub und sammelte, kaufte ein, schaffte fort, was an mittelalterlicher Kunst irgendwie zu transportieren war, 1795 hatte er es geschafft: aus seinem Depot wurde das "Museum der Altertümer und Denkmäler Frankreichs". Kuratorin Geneviève Bresc-Bautier zeigt sich – begeistert.
"Das war ein Mann, der alles verschlungen hat! Der immer sammelte, sammelte, sammelte, viel mehr als er zeigen konnte. Aus der Geschichte der Kunst hat er ein unglaubliche Menge an Raritäten, auch an Merkwürdigkeiten zusammengetragen, von der Epoche der Kelten an! Und dann natürlich das Mittelalter! Er hat es nicht "entdeckt", aber er war schon der erste, der das Mittelalter begriff als etwas, wovon man etwas lernen konnte, eine Sphäre der Meditation auch war für ihn dieses Mittelalter…"
Der Rundgang vollzieht das frühere Museum nach: Wie es ausgesehen hat, dokumentieren Gemälde, Zeichnungen, Objekte. Umgeben von Höfen und Gärten sechs Säle, vollgestellt mit Grabmalen der Könige, Büsten, Statuen und Statuetten, Totenmasken, liegende Grabfiguren, Reitende, Betende, Altaraufsätze, Mosaiken und Reliefs, die bunten Kirchenfenster aus mehreren Kathedralen und Schlössern rettete Alexandre Lenoir eigenhändig. All diese Stücke originalgetreu wieder aufzubauen, war ihm: gar nicht wichtig.

Lenoir wollte die französische Kunst "neu aufstellen"

Ganz im Gegenteil: durch neue Arrangements wollte er ihnen einen neuen Sinn geben: nicht weniger als eine Geschichte der französischen Kunst wollte Alexandre Lenoir zeigen: von den keltischen Ursprüngen über seine geliebte Renaissance bis zur Kunst seiner Zeit, mit Abgüssen und monumentalen Säulen erzählte er auch gleich noch die Geschichte der französischen Architektur seit dem Mittelalter.
Um ein Empfinden für die geschichtliche Bedeutung der Werke zu wecken, zeigte er sie in chronologischer Ordnung, was es so noch nie gegeben hatte. Um Publikum zu locken, ließ er wenig unversucht: Schuf Atmosphäre durch farbige Wände und raffinierte Beleuchtung, stellte auch unechte Grabmäler auf, die vermeintlichen von Descartes und Molière zum Beispiel – und das Publikum strömte tatsächlich.
Für diesen, sagen wir: eigenwilligen Umgang mit der Kunstgeschichte hat Alexandre Lenoir im 19. Jahrhundert viel Kritik einstecken müssen, andererseits übernahmen schon bald viele Museen seine Idee solcher "Epochenräume". Die zweite Kuratorin Beatrice de Chancel-Bardelot :
"Für die Geschichte unserer Museen war er sehr bedeutend! Er war unter den ersten, die französische Kunst ausgestellt haben und war ganz sicher der Erste bei französischen Skulpturen!!"

Französische Kunst statt nur Alte Meister oder Antike

Ihre Kollegin Geneviève Bresc-Bautier:
"Er war wirklich der erste, der auf die Bedeutung des kulturellen Erbe hingewiesen hat. Zu seiner Zeit hat man immer nur die Meisterwerke der Malerei und der Antike ausgestellt. Lenoir hat dann gezeigt, dass das kulturelle Erbe viel mehr ist. Er hat die Geschichte richtig in Szene gesetzt, hat die Großen Persönlichkeiten wie Zeugen auftreten lassen, hat neue Techniken eingeführt, hat die Vorstellung von Kunst viel weiter gefasst, als jene, die immer nur auf die Höhepunkte der klassischen Epochen gesetzt haben."
1816 wurde das Museum des Alexandre Lenoir geschlossen: auf Anweisung König Ludwigs XVIII. Napoleon war besiegt worden, die Monarchie wieder hergestellt, schon lange war die Messe wieder erlaubt, religiöse Skulpturen hatten den Kirchen zurückgegeben werden müssen: als Verwalter der Kathedrale von Saint-Denis beschloss Alexandre Lenoir sein Berufsleben, 75jährig starb er, 1839. Ein interessantes Kapitel der Kunstgeschichte, eine kleine, aber überaus feine Ausstellung des Louvre.

"Un musée révolutionaire" (7. April - 4. Juli 2016) - Ausstellung im Louvre zu Alexandre Lenoir

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