Ausstellung zu Afrika im Comic

Tim, Asterix und Mickey Mouse als Rassisten

Französische, englische und niederländische Ausgaben des französischen Comics "Tintin" (deutsch: "Tim und Struppi") liegen auf einem Tisch.
Französische, englische und niederländische Ausgaben des französischen Comics "Tintin" (deutsch: "Tim und Struppi"). Gegen den Comic wurde 2007 Klage wegen Rassismus erhoben. © picture alliance / dpa / epa belga Sebastien Pirlet
Von Stefanie Müller-Frank · 08.12.2015
Comic-Helden wie Obelix, Mickey Mouse oder Tim und Struppi, sie alle waren mal auf Expedition in Afrika - und nicht gerade zimperlich mit Stereotypen. Eine Ausstellung in Basel stellt diese Werke Comics aus Afrika gegenüber. Manche davon rechnen in drastischer Weise mit Klischees ab.
Tim und Struppi auf Abenteuerfahrt in den Kongo. Der Empfang ist herzlich, die halbnackten Afrikaner, mit Speeren und Ohrringen bewaffnet, tragen die Helden auf den Schultern. Auf der Expedition aber kommt es zu Hindernissen. Und schnell entpuppt sich Tim als Rassist.
Sprecher der Comicfigur Tim: "Los, ans Werk Ihr Faulpelze! Willst du jetzt mit anfassen, ja oder nein?"
Sprecher Comicfigur Afrikaner: "Aber ich werden schmutzig!"
Reto Ulrich: "Ich glaube, wenn man sich mit Afrika wissenschaftlich auseinandersetzt, dann kommen immer wieder die gleichen Dinge: Bezogen auf Comics ist es die Sprache, Afrikaner sprechen nie grammatikalisch korrekt; es ist die Darstellung, fängt bei den Lippen an, die Hautfarbe, es ist meistens verbunden mit einer Naivität, dann mit Faulheit vielleicht noch. Aber es bringt auch gar nichts, wenn man diese Stereotypen jetzt hier im Radio reproduziert."
Anton Kannemeyer: "Die Symbole, die wir in Comics benutzen, sind reduziert, vereinfachend. Deswegen sind Stereotypen auch so eine Versuchung für Comiczeichner – und so effektiv fürs Medium. Das ist immer problematisch, nicht nur bei Stereotypen über Schwarze. Natürlich musst du sie auch untergraben, um von ihnen wegzukommen."
Die Macht von Stereotypen
Zwei Blicke auf Afrika im Comic – der des Schweizer Kurators Reto Ulrich und der des südafrikanischen Zeichners Anton Kannemeyer. Beide wissen sie um die bestechende Macht von Stereotypen. Und haben sich entschieden, mit ihnen zu arbeiten, statt sie zu zensieren. So zeigt die Basler Ausstellung vorneweg unsere vertrauten Comic-Helden in Afrika – ob Tim, Asterix, Globi oder Mickey Mouse. Ausstellungsmacher Reto Ulrich nimmt ein Heft aus den 50ern zur Hand.
"Man liest das, man vergisst es wieder - und im Rahmen dieser Ausstellung nimmt man die Bücher mal wieder in die Hand, und es fällt einem wie Schuppen von den Augen, was man da eigentlich vorgesetzt bekommen hat. Das ist vielen nicht bewusst, und selbst, wenn man sie darauf anspricht, macht es bei vielen noch nicht Klick! Man sagt: Ja, das ist ein Kinderbuch, das ist aus der Zeit, das ist ja unproblematisch. Und genau dieses Verharmlosende, das Kindliche, das Comics anhaftet, ist das Gefährliche dabei."
Im zweiten Raum dann die Comics aus Afrika selbst: Die Superheldengattung zum Beispiel. Das fiktive Fussballteam der "Supastrikas" ist einer der weltweit beliebtesten Comics derzeit und andernorts längst bekannter als in Südafrika selbst. Recht verbreitet sind auch Bildergeschichten mit Aufklärungsanspruch. Eine heikle Gattung, findet Anton Kannemeyer, Comiczeichner aus Südafrika:
"Ich mag keine pedantischen Comics, die mir etwas beibringen wollen. Ich will einen Comic lesen, der mich überrascht, der mich mit der Faust zwischen die Augen schlägt. Ich will wirklich was Erstaunliches in diesem Sinne. Das fehlt mir in südafrikanischen Comics oft. Ich finde es problematisch, wenn Leute zur Regierung gehen und sagen: Wir wollen, dass ihr einen Comic über Aids finanziert. Und dann machen sie so einen langweiligen Comic, den niemand lesen will. Das ist bevormundend."
Tabus von Homophobie bis Kindesmissbrauch
Anton Kannemeyer gibt seit 1992 das Magazin "Bittercomix" heraus, bekannt für politische Satire und bitterbösen Humor. In der unschuldig daherkommenden Bildsprache von Tim und Struppi rechnet er mit der Apartheid und Rassismus-Klischees ab, mit Tabus von Homophobie bis Kindesmissbrauch. Die Bilder sind deutlich, die Sprache explizit. Wenn zum Beispiel eine weiße Südafrikanerin von Schwarzen zu Boden gedrückt wird und ihrem Mann zuruft: "Harold, tu' doch was! Diese historisch benachteiligten Männer wollen mich vergewaltigen."
"Gerade weil ich aus Südafrika komme und mit Zensur aufgewachsen bin, bin ich der Meinung, dass man Leute mit den Stereotypen konfrontieren muss. Auch wenn man sich selbst dabei die Hände schmutzig macht."
Muss man? Die Ausstellung stellt sich dieser Frage leider nicht. Sie zeigt zwar die drastischen Szenen aus den Bittercomix – für den Besuch von Schulklassen wurde jedoch ein Vorhang installiert, der sie auf Wunsch verhüllt.

Die Ausstellung "Kaboom! Afrikanische Comics im Fokus" ist noch bis 22. Januar 2016 zu sehen im Basler Dokumentationszentrum "Afrika Bibliographien". Mehr Infos auf dessen Webseite

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