Ausstellung von Daniel Richter

Wie Landkarten im LSD-Rausch

Daniel Richter steht in der Schirn in Frankfurt am Main vor seinen Werken "Bill" (m.) und "Das unbekannte Meisterwerk" (r.).
Daniel Richteri in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main vor seinen Werken "Bill" (Mitte) und "Das unbekannte Meisterwerk" (rechts). © picture alliance / dpa / Valentin Gensch
Von Rudolf Schmitz · 08.10.2015
Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main zeigt unter dem Titel "Hello, I love you" psychedelisch anmutende Bilder von Daniel Richter. Er befasst sich mit den seiner Meinung nach entscheidenden Triebkräften unserer Zeit: Geld, Macht und Sex.
Diese Bilder knallen. Man kann es nicht anders sagen. 25 Stück, dicht gehängt, Seite an Seite, im Rotundensaal der Frankfurter Schirn. Zwei Serien: Die einen wirken wie Landkarten im LSD-Rausch, die anderen zeigen ineinander verknäulte Figurenschemen, ebenfalls in ziemlich psychedelischen Farben, mit aufgesetzten Konturlinien. Der Maler ist bestens gelaunt. Er weiß, dass ihm da etwas gelungen ist. Und beschreibt, wie das so vor sich geht, bei ihm im Atelier.
Daniel Richter: "Wie man sich so Kindergartenexpressionismus vorstellt, matsche patsche, draufschütten, also das ganze Gestenvokabular alles Dramatischen, also Unruhe erzeugen. Auf den anderen eben totale Ruhe. Also Horizontlinien, die dann so kitschig zwischen Gerhard Richter goes Aquarell oder Mark Rothko-Erhabenheit changieren. Als nächstes habe ich dann immer so einen Spachtel genommen und habe eben so pastellfarbene Krankenhausfarben oder Popfarben, so abgedämpfte aufgetragen. Und das Dritte immer Pigmentstift, das ist so ein fetter Stift, den überwiegend Hobbymaler benutzen."
Ist Daniel Richter ein Klassiker?
Zwei Jahre hat er jetzt an diesen neuen Bildern gearbeitet, immer mit der Angst, es könnte schrecklich schief gehen. Denn diesmal ist da wenig erkennbare politische Aussage, wenig Erzählung. Sondern das orientiert sich an der amerikanischen Nachkriegsmoderne, an Figuren wie Clyfford Still, Franz Kline oder Phil Guston. Mit vollem Risiko.
Daniel Richter: "Ohne die Bereitschaft zum Fehler oder zur Blamage, und das ist jetzt ein sehr romantischer Satz, ist speziell in der Malerei glaube ich nix zu reißen."
Daniel Richter also jetzt als Klassiker? Schluss mit dem Aufbegehren, das von seiner Hamburger Zeit, der politisch autonomen Subkultur geprägt war? Ganz so einfach ist es nicht. Denn auch in den neuen Bildern sind noch politisch-gesellschaftliche Duftmarken enthalten. Doch die bemerkt man nicht auf den ersten Blick.
Daniel Richter: "Es wird immer verstiegener, ich gebe es zu. Ich hatte zu der technischen oder methodischen Vorgabe, keinen Pinsel zu benutzen, auch die Aufgabe gestellt, die drei Orakelsysteme der Gegenwart mitzuverarbeiten. Einmal natürlich so etwas wie der Aktienindex, der ja praktisch das Orakel von New York ist. Das gleiche gilt für die historische Landkarte. Vor ein paar Jahren gab es das Historische Handbuch der Vertreibung von 1939 bis 1956 in Ost- und Mitteleuropa. Und diese Karten, die nur so aussehen wie Patterns, beschreiben eben das Schicksal von Millionen von Menschen. Das Dritte ist eben Pornografie. Die Wahrnehmung von Körpern in der Pornografie ist so, dass man die man schon aus hundert Metern erkennt. Ich habe das I-Phone angemacht, mir da 3 Sekunden was angeguckt, meistens homosexuelle Pornografie, weil das nicht ganz so nervig ist."
Verrisse stören ihn nicht
Die großen Triebkräfte und Systeme unserer Zeit: Geld, Macht, Sex. Zumindest der Sex und die Landkarten klingen plausibel. Die Aktienkurven und den Börsenindex habe ich vergeblich gesucht. Glaubt Daniel Richter daran, dass die Kunst gesellschaftlich etwas ausrichten kann?
Daniel Richter: "Nein, aber ich glaube, dass so befragt, nichts wirklich etwas bewirken kann. Die Frage, die Sie stellen, ist: Was bewirkt denn was in der Wirklichkeit? Und jetzt kommen Sie...!"
Okay, da weiß ich auch nichts zu sagen. Und schon ist man als Klugscheißer überführt. Daniel Richter hat das Argumentieren gelernt. Und er lässt einen gern in selbst gestellte Fallen tappen. Aber er macht es freundlich und charmant. Manchmal versteigt er sich. Aber auch das wird mit einem selbstironischen Lachanfall quittiert. Die in Frankfurt gezeigten Bilder jedenfalls sind erstaunlich: Sie machen nicht nur beste Laune, sondern zeigen ein neues künstlerisches Niveau. Und sorgen schon jetzt für Diskussion...
Daniel Richter: "Ich bin sehr für die Debatte, ich bin dafür, dass das Kunstwerk überfrachtet wird, befragt und meinetwegen verrissen. Mein Denken als Ich ist nicht, dass ich erwarte, dass Leute denken wie ich. Wenn wir über die Flüchtlingsfrage denken, dann muss man diese Debatte führen: wie gehen wir jetzt damit um, wie schätze ich die Bundesrepublik ein, was ist eigentlich mit den Irren aus der CSU los? Diese ganzen Sachen. Aber doch nicht bei Malerei! Weil: die Malerei findet in ihrer Wirklichkeit statt. Ganz stumpf gesagt: findet sie in unserer Welt statt, aber in ihrer Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit findet wiederum in der Wirklichkeit statt. Hm.( Lacht) Na gut..."
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