Ausstellung "SOS Brutalismus" in Frankfurt

"Die Gebäude haben es verdient, bewahrt zu werden"

Schwarz-Weiß-Foto des Rathauses von Bat Yam in Israel, davor eine Ballettänzerin, die auf einem Bein balanciert.
Alfred Neumann / Zvi Hecker / Eldar Sharon: Rathaus, Bat Yam, Israel, 1961–1963 © Zeev Hertz
Oliver Elser im Gespräch mit Vladimir Balzer · 08.11.2017
Die massigen Betongebäude im Stil des Brutalismus stoßen bei vielen Menschen auf Ablehnung. Zu Unrecht, sagt Oliver Elser vom Deutschen Architekturmuseum. Eine Ausstellung mit dem Untertitel "Rettet die Betonmonster" wirbt für den Erhalt der Häuser aus den 1950ern bis -70ern.
Brutalismus komme von "béton brut" und stehe - genau wie bei einem Champagner - etwa für "herb", sagt Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Der Begriff sei aufgekommen, als der Architekt Le Corbusier bei einem wichtigen Gebäude, das er direkt nach dem zweiten Weltkrieg in Marseille gebaut habe, statt eines Verputzes die Außenhaut aus Beton gelassen habe. "Er hat diese Rohheit zelebriert", sagt Elser. "Dieses Zelebrieren der Rohheit, das ist der Moment, wo der Brutalismus ins Spiel kommt".
Die Birmingham City Bibliothek, davor Absperrgitter
John Madin: Birmingham City Library, Birmingham, Großbritannien, 1969–1973, 2016 abgerissen© Jason Hood

Unglaubliche Emotionen nach Sprengung des AFE-Turms

Auslöser für die Ausstellung sei die Sprengung einiger Gebäude im Stil des Brutalismus gewesen, wie etwa im Februar 2014 der AFE-Turm in Frankfurt. Diese Sprengung habe unglaubliche Emotionen ausgelöst. Auf der einen Seite Jubel, auf der anderen Protest, weil man unsicher war, ob das nachfolgende besser sei und fand, dass in der Architektur eine gewisse Widerständigkeit drinstecke, die es zu bewahren lohne.
Herwig Udo Graf: Kulturzentrum, Mattersburg, Österreich, 1973–1976
Herwig Udo Graf: Kulturzentrum, Mattersburg, Österreich, 1973–1976© Archiv/ Deutsches Architekturmuseum

"Schlachtschiffartige Gebäudehochhausscheiben"

Für die Ausstellung seien Gebäude nach vier Kriterien ausgewählt worden. Die Stilart werde klassischerweise dadurch definiert, dass sie ihre Materialien unverhüllt zeige, ebenso wie die Konstruktion der Gebäude. "Das dritte Kriterium ist, dass die Gebäude so ein Bild auf der Netzhaut hinterlassen."
Die Gebäude der Geisteswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum in der Abendsonne
Die Gebäude der Geisteswissenschaften der Ruhr-Universität Bochum in der Abendsonne© dpa picture alliance/ Bernd Thissen
Wichtig sei auch, dass die Gebäude dem Betrachter noch etwas mitteilen, was über die reine Architektur hinausgehe. Oft sei das eine Art Muskelspiel. Als hervorstechende Beispiele nennt Elser die Ruhr-Universität in Bochum - "eine Reihe von regelrecht schlachtschiffartigen Gebäudehochhausscheiben" - und die Wallfahrtskirche in Neviges, "ein Betonfelsen".

Informationen über die Ausstellung finden Sie auf der Website des Deutschen Architekturmuseums.

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