Ausstellung in Antwerpen

Raver - die letzte Jugendkultur Europas?

Blick in die Flughafen-Disco "Dorian Gray" am Flughafen Frankurt / Main 1998
Die Frankfurter Disco "Dorian Gray" war einer der wichtigsten Clubs für Fans von Rave und Techno. © dpa / picture alliance / Katja Lenz
Von Ina Plodroch · 20.06.2016
Die Antwerpener Ausstellung "Energy Flash: The Rave Moment" ehrt den Rave. Nav Haq, Kurator am Museum für zeitgenössische Kunst, beschreibt Raver als autonom und kreativ. Sie seien die letzte europäische Jugendkultur. Ob Punks und Rapper das auch so sehen?
"Rave is not a genre of music. It is when a group of people aroud a sound system. Lasers, it is really about overloading the senses."
Nav Haq, Kurator am Museum für zeitgenössische Kunst Antwerpen, der in den 90ern selbst zu Techno tanzte.
"Es beschreibt das Phänomen, wenn sich sehr viele Menschen bei einer Sound-Anlage treffen. Dann noch Laserstrahler und viel Licht, das die Sinne total überlädt."
Die letzte Europäische Jugendkultur, meint er. Nach den Hippies, den Punks sind endlich auch die Raver dran. Sie dürfen in den Olymp der verehrten Jugendkulturen aufsteigen. Das "Generation Ecstasy"-Label wird mal beiseite gelassen. Aktuell in der ungewöhnlich großen und ausführlichen Ausstellung "Energy Flash. The Rave Movement".
"Wir sind ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Deshalb interessiert uns auch die Beziehung von Kunst und Rave-Kultur."

Sound-System als Skulptur

Und – hat Rave nun nachhaltig postmoderne, zeitgenössische Kunst beeinflusst?
"Zwei Drittel der Ausstellung ist Kunst."
Ein Sound-System, das zu einer Skulptur geworden ist von Matt Stokes. "Everything is Wrong", Songtitel von Moby als der, so Nav Haq, noch nicht so mainstreamig war, knallbunt wie eine Schallplatte an der Wand.
Und der sehr gelungene experimentelle Kurzfilm über Ibizas Clubszene von Irene de Andrés, die auf der Party-Techno-Hochburg aufgewachsen ist. Wie fast alle ausgestellten Objekte und Filme: nicht von der Rave-Bewegung beeinflusst, sondern über diese Subkultur oder innerhalb dieser freien Szene entstanden.
"Und Ein Drittel sind historische Artefakte, Musikvideos, technische Geräte, die es möglich gemacht haben, Musik demokratischer zu produzieren. Und TV-Dokumentationen."

Früher war das Image schlecht

Die vor den illegalen Massenevents gewarnt haben. Eine kleine Erinnerung an das schlechte Image der Rave-Bewegung, die 20 Jahre später wegen der Autonomie, Freiheit, Kreativität verehrt und vermisst wird. Noch so eine Erinnerung an damals:
"Für viele Leute beginnt die Zeit des Raves in Detroit. Wir wollten dem aber noch etwas hinzufügen. Die Typen in Detroit haben nämlich Kraftwerk und Giorgio Moroder gehört. Das hier ist ein 8-Millimeter-Film vom ehemaligen Kraftwerk-Mitglied Wolfgang Flür. Er hat Kraftwerks erste Amerika-Tour in den 70er Jahren gefilmt. Und das ist sehr symbolisch: Kraftwerk geht nach Amerika."

Rave als Alternative zum heutigen Mainstream

Doch: Was ist nun das spannende daran? Elektronische Musik aus den Charts ist heute ganz anders: nicht mehr repetitiv, sondern so ereignisreich wie das digitale Leben es jedem vorgaugelt. Ein Set von Star-DJs wie Skrillex, Tiesto, Steve Aoki gerade mal eine Stunde lang. Gerade deshalb wird Nav Haq etwas nostalgisch.
"Viele Menschen suchen nach Alternativen. Deshalb könnte die Rave-Bewegung für viele interessant sein, auch wenn es für viele keine wirkliche Kultur ist. Aber ich kann mit dieser Unterscheidung zwischen Hoch- und Popkultur nichts anfangen. Rave, Techno, House, das sind spannende Phänomene, die autonom und deshalb so kreativ waren. Die Frage ist deshalb, wie kann Kultur heute noch autonome Räume finden?"
So wie damals, als noch 20.000 Menschen die Zeit hatten, sich tagelang zum Beat zu bewegen? Vielerorts scheint man sich nach den guten alten Zeiten zu sehnen, in Frankfurt zum Beispiel planen die DJs von damals das "Museum of Modern Electronic Music". "Energy Flash" wirkt wie ein Vorbote.
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